WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, 10.–22. Mai 1814 Anonymus Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Schaffer, Sebastian

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Acticles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Gastspiele Quandt, Daniel Gottlieb Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger Sommersche Buchdruckerei Prag 4 29 1814 114-116 Fraktur

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Ständisches Theater in Prag.Madame Grünbaum als Emmeline in der Schweizerfamilie.

Die Gesetze des Schönen, die dem gebildeten Kunstfreund einen Maaßstab für die Beurtheilung der Werke aller Künste geben, verfeinern und erhöhen seinen Kunstgeschmack durch Vergleichungen des Mittelmäßigen mit dem Bessern, des Bessern mit dem Meisterhaften. Die Oper ist ihm eine dramatische Darstellung, welcher die Tonkunst und der Zauber des Gesanges das höchste Leben verleiht, und alle Passagenkunst, die den reinen, einfachen Ausdruck der Gefühle vermindert, obwohl sie ihn hier und da zu verstärken vermag, eine undramatische Künstlichkeit des Componisten der auf Kosten der Darstellung sündigt. Weil aber der große Haufe die Kunst nur in der Ueberwindung des Schweren erkennt und belohnt, so verleitet sein Beifall viele Sänger und Sängerinnen, nichts ihrerihres Fleißes würdig zu achten, was sich nicht als ein schwieriges Kunstwerk ankündigt, und ihnen Gelegenheit giebt, die Bravour ihrer Stimme zu zeigen. Desto schätzbarer ist daher der wahre Kunstsinn einer großen Sängerin, wie Mad. Grünbaum, die sich mit Lust und Liebe bemüht einer einfachen Singrolle den hohen Zauber ihrer Kunst durch einen überaus wahren und kräftigen Vortrag mitzutheilen, und zugleich den Charakter ergreifend darzustellen. Diesen hohen Genuß gewährte uns die Künstlerin als Emmeline in der Schweizerfamilie. Denn alles vereinigte sich in ihrer Darstellung, uns dies holde Wesen interessant und liebenswürdig zu geben: eine reizende Gestalt, ein einfaches, tiefgefühltes Spiel, dem der Reiz der Unschuld und der idyllischen Liebe beigesellt war – beseelt durch die Macht des Gesanges, wie sie uns Schiller singt, die das Gemüth im tiefsten bewegt. Schon an sich haben Dichter und Componist diese idyllische Oper und besonders die Rolle der Emmeline so anziehend ausgestattet, daß auch ein mittelmäßiges Talent das Schöne derselben nicht untergehen lassen kann; und wir hören, daß fast jede deutsche Bühne uns etwas Vorzügliches in der Darstellung dieser Rolle aufzustellen glaubt: aber die Täuschung verschwindet, wenn wir die meisten jener Leistungen an den Maaßstab des Großen halten, den uns diese Künstlerin aufstellt. In diesem seelenvollen Vortrage des Gesanges würdigen wir erst das Verdienst des Componisten, das im einfachen Satze die Natur des Landes und die Tiefe und Zartheit des Gefühls so wahr als schön ausspricht, und wir huldigen der großen Künstlerinn mit dem gebildeten Theile der Hörer, welcher das Vollkommene in jeder Gattung zu würdigen versteht. – Zur beifälligsten Aufnahme dieser gemüthlichen Oper trug aber auch die fleißige Mitwirkung der mehresten Rollen ein Großes bei. Hr. Grünbaum gab den jungen Schweizer Jacob Freiburg mit Naivität und hoher Lebhaftigkeit, so wie sich Hr. Kainz und Hr. Siebert bemühten, jener als Graf, dieser als Richard Boll ihre Charaktere mit einfacher Würde und Rührung darzustellen, und durch einen gefühlvollen Gesang zu unterstützen. Noch munterte das lebendig komische Spiel des Hrn. Allram als Verwalter die Scene angenehm auf.

Am 20. Mai trat Hr. Mattausch als Otto von Wittelsbach im Trauerspiele gleichesgleichen Namens auf. – Der denkende, berufene Künstler ist in jeder Darstellung ein Anderer, nicht Er selbst; er nimmt mit dem darzustellenden Charakter zugleich die Natur und Handlungsweise seines Helden an, und bezeichnet ihn dadurch in Kraft und Wahrheit. Wer hätte heute den Darsteller des Fürsten in Elise von Valberg, in dem geraden, schlichten, deutschen Otto wiedererkannt? – Und doch strebte der Künstler nichts weniger als durch die Aussenseite der Darstellung Aufmerksamkeit zu erregen, sondern Haltung und Ausdruck verwebten sich mit dem innern Gefühl, und traten unwillkührlich nach Außen, zur Anschauung. Und nur dies Leben und Handeln im Geiste des Charakters stellt uns den Mann seines Jahrhunderts, ohne eine Roheit dar, die unsre Bildung und Kunstansicht von der Bühne verweiset, erzielt die schöne Wahrheit, mit der unser verehrter Gast den edelsten der Deutschen darstellte, und uns zur Theilnahme an seinem unglücklichen Schicksal aufregte. – Der beschränkte Raum dieses Blattes gestattet keine nähere Entwicklung der verdienstlichen Darstellung des würdigen Künstlers, und nur die Anerkennung Aller würdige sein Spiel, so wie der allgemeine Beifall, den es erhielt.

Am 22. Mai wurde auf Verlangen Macbeth wiederholt. Nach dem vierten Act verbreitete sich ein Gedicht zur Würdigung des Künstlerpaars in den Rollen des Macbeth und der Lady, durch Hrn. Mattausch und Mad. Schröder abermals meisterhaft dargestellt, das wir in seiner Ausdehnung nicht mittheilen können, sondern uns nur begnügen, den Schluß desselben zu geben, der nach einer weitläufigen CharakterentfaltungDas vollständige Gedicht ist (mit Varianten in der vorletzten Strophe) im Sammler abgedruckt. auf das Verdienst der Darstellenden übergeht. So schuf es riesig Albions Riesengeist Und ihm nach sang sein Bruder den Hörern Teut's Doch Ihr – Ihr rieft das Wort zum Leben Schufet dem Sinne des Geistes Formen. Ihr führt des Großen Bogen mit sich'rer Hand Die Pfeile sendend tief in des Hörers Brust Aus seinem Köcher, der der Menschheit Innerste Gründe uns mächtig anregt. Wie bebt das Herz mir, wenn nach dem Dolche faßt Die Hand und nacht'ge Schauer umschwirren mich; Wenn's tönt: sie ist gethan die That wenn Von den Erdolchten, der Held zurückstürzt; Da rief die Männin sie zu entweiben hie Den finstern Mächten, wenn sie dem Manne ruft Sey Mann! und wenn ob ihr auch flackernd Schwirret die Geisel der Rachegeister. Drum beut die Mitwelt ehrende Kränze Euch In ihr genießt die Lorbeern des Nachruhms schon; Wenn gleich verrauscht die schnelle Schöpfung Ihr habt gelebet für alle Zeiten.