Korrespondenz-Nachrichten.
Prag.
Unter die neuen Erscheinungen unsrer Bühne gehört: die Verlobungfeyer, oder: der Bräutigam von Ungefähr,
Lustspiel in vier Aufzügen, von Clauren. Dasselbe
Stück wurde in Wien unter dem
Titel: der Brauttanz, aufgeführt, und fiel durch;
hier war sein Schicksal günstiger, und es gewann eine große Partey für sich, was
es freylich zum Theil auch der sehr gelungenen Darstellung zu verdanken hat. Man
muß Hrn. Clauren, dessen erste dramatische Arbeit
dies ist, zugestehen, daß er die Sprache vollkommen in seiner Gewalt hat, und
selbst einige Macht über einen Stoff zeigte, der wol nicht ungünstiger gewählt
seyn kann, und den fleckenlos zu bearbeiten wol selbst dem ersten unsrer
dramatischen Dichter schwerlich glücken würde. Die Zeit des Stücks ist der
vorige französische Krieg, der Held desselben ein wucherischer baronisirter
Lieferant, der nach dem Sprüchwort: Hans kommt durch seine Dummheit fort
zu
einem unermeßlichen Vermögen gekommen ist, und das Ganze ist so wahr und lokal
dargestellt, daß man versucht wird, zu glauben, es sey eine wahre Begebenheit,
nur dramatisirt und mit einigen Coups de Theatre
ausgestattet. Der poetische Theil des Stückes ist durch die kolossale Hauptfigur
so zurückgedrückt, daß er gleichsam nur als Episode erscheint. Alle Charaktere,
außer dem des Barons und jener des Kanzleydirektors sind nur contourirt, und
selbst die gemüthliche Tochter des Barons hat im Grunde keine hervorstechende
Eigenheit, als daß sie – wie die meisten Personen des Stückes – gern Geld und
Pretiosen verschenkt und sehr gern küsst. Aeußerst gedehnt
ist der dritte Akt, von dem nur eine einzige Scene nothwendig für den Gang des
Ganzen ist. Dem letzten Akt fehlt es an Natürlichkeit und Consequenz, und es ist
zu wünschen, daß Hr. C. sein reiches Talent künftig an einen günstigern Stoff
verwenden möge; in diesem Falle haben wir gewiß von ihm etwas Vorzügliches zu
hoffen. Hr. Liebich gab den Baron von Besser ganz
seinem anerkannten Rufe gemäß. Als denkender Künstler wusste er jeden Moment zu
benutzen, um das Gefühl des Abscheues, welches manchnmal das Lachen unterdrücken
will, nie aufkommen zu lassen, und selbst von der Verworfenheit des Lieferanten
nur die komische Seite auszustellen. Der einstimmigste Beyfall lohnte sein
rühmliches Bestreben. Dem. Böhler als Frl. Besser,
Dem. Brand als Fritz, Hr. SenwaldSewald als Kanzleydirektor,
und Mad. Liebich und
Hr. Wilhelmi in den kleinen
Rollen der Mad. Brandenstein und des Wachtmeisters,
welchen ihr vortreffliches Spiel großes Interesse verlieh, verdienen gerechtes
Lob. Hr. Allram als Liber, welche Rolle ziemlich
schwach gezeichnet, einer starken Schattirung bedarf, schien seine reiche
komische Laune zu sehr zu sparen. Eine recht angenehme Erscheinung war Hr. Bassi als Ignaz PolstrnatzkyPalsternazky. Alle übrige Rollen sind
im Grunde Statisten. Seit kurzer Zeit ist auch uns das Vergnügen zu Theil
geworden, die Tänzer-Familie Kobler, die in Wien und
andern Städten Deutschlands so viel Beyfall erntete, zu bewundern, und wir
müssen gestehen, daß Hr. Kobler eine Kraft und
Gewandtheit besitzt, wie sie nur wenigen Grotesk-Tänzern zu Theil wurde; auch
die beyden Schwestern tanzen sehr artig; aber leider war theils die Erfindung
der Ballets, die sie uns darstellten (die glückliche Wilde, das lustige
Gärtnermädchen, die nächtlichen Liebhaber, und der Raub der Zemira), so wenig
ansprechend, theils auch müssen wir bekennen, daß ihre Kunst sich ganz auf die
Füße beschränkt, und sie die Mimik so ganz vernachlässigt haben, daß es ihnen
dadurch unmöglich wird, große Effekte hervorzubringen. Das Schmoll-Duett der
beyden Schwestern ist ehrsehr artig, und wird pünktlich dargestellt; nur sind ihre
Gruppen manchmal zu sehr in die Breite gedehnt, und verlieren dadurch den
plastischen Werth. Mad. Sonntag hat ihre Gastrollen
mit ziemlichem Glücke fortgesetzt.
Hr. Rosenfeld hat noch den Ostade,
Karl VII in Agnes Sorel und Marquis
von Ravannes in der vornehmen Wirthinn gegeben, und in der zweyten dieser Rollen
sehr, in der dritten jedoch, worin Morhards Andenken
noch zu lebhaft ist, gar nicht gefallen.