WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: darunter <q>Maria Stuart</q> von Schiller, Mai 1813 Anonymus Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Ziegler, Frank

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Der Sammler Ein Unterhaltungsblatt Seyfried, Joseph Ritter von Strauß, Anton Wien 5 101 26. Juni 1813 403f. Fraktur

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Deutsch ggf. kleine Korrekturen und auf 'Grün' gesetzt Faksimile angelegt (#2657) Auszeichnungen und Dateititel ergänzt (#2657) Text angelegt nach Vorlage von Frank Ziegler.

Prag. Das zweyte Debut des Herrn Ströbl war Mortimer in Schillers Maria Stuart, und unmöglich können wir diese dreiste Wahl billigen, da sie alles verstummen hieß, was noch zu seinen Gunsten sprach. Es ist in der That unmöglich, diese Rolle mehr zu mißhandeln, als er es that; denn er benahm sich durchaus so ungeberdig, daß man mehrmals besorgte, er würde den Leicester ins Angesicht schlagen, und Trotz sey dem gebothen, der es ihm an unnatürlichen und verrenkten Stellungen zuvorthut, in welchen er überdieß gern minutenlang verweilt. Eben so günstig als Mortimer unglücklich, erschien Mad. Löwe als Maria, Mad. Liebich als Elisabeth und Herr Bayer als Leicester; dieses künstlerische Kleeblatt entschädigte das Publicum einigermaßen für das Leiden, Herrn Ströbl durch einige Acte ansehen zu müssen; sein Tod erregte allgemeine freudige Theilnahme. Nicht viel erträglicher war er in seiner dritten Rolle, Doctor Busch im Epigramm, wo abermahls Mad. Löwe (Caroline Löwe) und Herr Bayer (Hauptmann Klinker) unser Schicksal linderten; auch Herr Reinecke und Mad. Junghans als Kanzleydirector und dessen Frau spielten sehr brav. Herr Schopf mußte wegen Kränklichkeit des Herrn Director Liebich den Kammerrath Hippeldanz übernehmen, welche Rolle freylich jenem nicht leicht nachzuspielen ist. Herr Löwe als Eduard wußte einmahl wieder kein Wort von seiner Rolle.

An dem Tage, wo Herr Ströbl seine vierte und letzte Gastrolle geben sollte, ward er krank, und zu seinem Besten gab man Fridolin, ohne daß er mitspielte.

Herr Kattfuß debutirte als Kosinsky in den Räubern, und hatte dasselbe Schicksal wie sein Vorgänger, daß man trotz seiner bizarren Erscheinung und schülerhaft strengen Declamation einige Hoffnung für die Zukunft schöpfte. Nachsicht verdiente er für diesen Abend, wo er uns den hohen Kunstgenuß gewährte, Herrn Brand als Franz Moor zu sehen, der in dieser Rolle den berühmten Ochsenheimer und – Iffland ausgenommen – wohl alle deutsche Schauspieler weit hinter sich läßt. Dieser denkende Künstler hat den grellen Schillerschen Franz so ganz zu seinem Eigenthum gemacht, daß er ihn nach Gefallen mildert und das hohe Ziel erreicht, selbst das Laster durchaus ohne Verzerrung und dennoch in seiner ganzen Fülle darzustellen. Schaudererregend und doch ohne jede krampfhafte Anstrengung, die wir an seinen Vorgängern gewohnt waren, gab er den Monolog. Er ward nach geendigtem Stücke hervorgerufen, hatte aber das Haus schon verlassen.

Zur zweyten Gastrolle gab Herr Kattfuß den Franz Holl im Mißverständniß von Mad. Weissenthurn, (diese Dame ist in ihren Stücken sehr reich an Mißverständnissen, ohne daß man ihr darum gerade nachsagen könnte, daß sie sich ihrer sehr vortheilhaft bedient) und zeigte uns, daß es ihm an Talent und Einsicht fehle; auch ließ er im Conversationstone seinem sächsischen Dialect so freyen Lauf, daß er allgemeines Mißfallen erregte. Denselben Abend sahen wir ein neues Stück in Alexandrinern von Lembert: Der Männerspiegel, welches, obschon es mehreren Kotzebueschen Stücken recht getreulich nachgeformt, und die Verse eben nicht die schönsten sind, doch ziemlichen Beyfall fand, was wir aber vorzüglich der vortrefflichen Aufführung: Baron (Herr Bayer), Baroninn (Mad. Brunetti), Helene (Mad. Brede) zurechnen müssen.

Noch wurden wir bedroht, Herrn Kattfuß als Don Carlos sehen zu müssen; aber zum Trost des Publicums befiel Mad. Brede eine kleine Unpäßlichkeit, und es scheint, als würde diese Rolle in Vergessenheit gerathen.

Den 6. May: Die Entführung, Lustspiel in 3 Aufzügen von Jünger. Herr Fiedler debutirte als Baron Rosenau, und zeigte so viel Gewandtheit und Bekanntschaft mit der Bühne, daß er allgemein gefiel; nur in den zärtlichen Scenen war er etwas geziert. Mad. Brunetti gab die Wilhelmine sehr brav; auch die beyden Bedienten (Johann, Herr Allram, Jacob, Herr Gerstl) spielten mit vielem Fleiß, und die ganze Production erfreute das Publicum, welches dieß artige Stück schon lange nicht sah.

Den 11. May zum zweyten Debut des Herrn Fiedler: Das Schreibepult, oder: Die Gefahren der Jugend, Schauspiel in 4 Acten von A. v. Kotzebue. Diethelm gelang Herrn Fiedler minder als seine erste Rolle. Der Anflug von Sentimentalität mit dem Herr v. K. seinen lebelustigen Kaufmann begabt hat, verleitete ihn zu einer fortwährenden pathetischen Deklamation, und nur selten in den launigten Scenen gerieth er wieder in den leichten Conversationston, der allein diesen Stücken Interesse verleiht. Mad. Löwe excellirte als Sophie, so wie Mad. Brunetti als Emilie. Herr Brand schien den Baron Boldenstern etwas zu schwer zu nehmen.

Den 9. May zum ersten Mahle: Der leichtsinnige Lügner, Lustspiel von Schmidt, worin Herr Polawsky wieder unsere Bühne betrat. Wir enthalten uns jeden Urtheils über dieß ziemlich bekannte Stück, und wollen nur die Aufnahme erwähnen, welche das Publicum seinem vermißten Lieblinge zu Theil werden ließ. Erst nach einem dreymahligen rauschenden Aplaudissement konnte Herr Polawsky zu Worte kommen, und das Publicum konnte das Ende nicht erwarten, sondern klatschte ihn schon nach dem ersten Acte wieder heraus. Eine solche Aufnahme mußte ihn wohl begeistern, in einer Rolle alles zu leisten, die ohnehin so ganz in das Genre gehört, worin er vollkommen ist.