WeGA, Rezeptionsdokumente, Digitale Edition Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: <q>Der Rehbock, oder: Die schuldlosen Schuldbewußten</q> von August von Kotzebue, 28. September 1814 Anonymus Veit, Joachim Stadler, Peter Übertragung Ziegler, Frank

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Machine-Readable Transcriptions of Newspaper Articles about Music and Theatre Performances in the early 19th Century

Der Sammler Ein Unterhaltungsblatt Seyfried, Joseph Ritter von Strauß, Anton Wien 6 177 5. November 1814 708 Fraktur

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Deutsch ggf. kleine Korrekturen und auf 'Grün' gesetzt Text ausgezeichnet, Faksimile verlinkt, Dateititel ergänzt (#2658) Text angelegt nach Vorlage von Frank Ziegler.

Prag. – Den 28. Sept. zum ersten Mahl: Der Rehbock, oder: Die schuldlosen Schuldbewußten, Lustspiel in 3 Acten von Kotzebue. – Folgendes ist der chronologische Inhalt einer sonderbaren Espece von Lustspiel, in dem zwar hier und da die Laune und Bonmotsjagd des berühmten Herrn Verfassers durchschimmert, nirgends aber sein feiner Conversationston aufzufinden ist. Erster Act. Graf Eberfeld tritt mit seinem Schwager, dem Baron Wolkenstein, auf, welcher letztere sich aber von seiner Schwester unerkannt als Stallmeister in des Grafen Diensten befindet. Der Graf will den Baron zur Verbindung mit seiner Schwester, der verwitweten Baronesse Freyling, bereden, und dieser gesteht ihm, daß gerade dieser Plan ihn zur Verkleidung bewogen habe, weil er seiner Schwester nicht Verschwiegenheit genug zugetraut. Er war das erste Mahl unglücklich verheirathet, und will das zweyte Mahl weder nach Rang noch Reichthum fragen, nur seinem Herzen folgen, und da wählen, wo er unerkannt um sein Selbstwillen geliebt würde. Als der Baron sich entfernt, um, von seinem Schwager beauftragt, seiner Schwester die Cour zu machen, und ihre eheliche Treue zu prüfen, klopft der Graf bey seinem Pachter Grauschimmel an, der einen Rehbock im herrschaftlichen Thiergarten geschossen haben soll, und kündigt ihm an, er müsse zur Strafe schon morgen den Pacht verlassen; bey seinem Abgange bleibt der Pachter in Verzweiflung, ruft sein hübsches Weibchen, und meint, wenn sie zum Grafen ginge, er würde wohl ein Auge zudrücken; aber nach seinem Sprichwort: Besser bewahrt als beklagt, will er sie nicht hingehen lassen, und die junge Frau, die gewaltig viel guten Willen zeigt, auf das Schloß zu gehen, gibt ihm mit der besten Manier zu verstehen, er sey ein Esel! – Während beyde Ehegatten ein Duett weinen, kommt Frau von Freyling mit ihrem Kammermädchen in Mannskleidern. Auch sie war unglücklich verheirathet, auch sie weiß, daß man sie mit Baron Wolkenstein zusammen koppeln will, und hat sich deßhalb verkleidet. Sie befragen Grauschimmel und seine Grete um ihren Kummer, und endlich meint Frau von Freyling, ob sie wohl in Frauenkleidern für ein junges Weibchen gelten könnte. Nachdem Grauschimmel ihr Kinn untersucht hat, bejaht er ihre Frage vollkommen, und sie macht ihm den Vorschlag, seine Frau vorzustellen, und ihm aus der Noth zu helfen. Die Pachterinn will den jungen Herrn metamorphosiren; dagegen aber protestirt der Alte, und biethet sich selbst zu Zofendiensten an, die natürlich abgelehnt werden; und endlich entschließt sich der Pachter, mit ihr auf das Schloß zu gehen, so ungern er den zweyten jungen Herrn bey seiner Frau allein läßt. Die Kammerjungfer macht der Pachterinn den Hof, und erhält die Erlaubniß, ihr in’s Haus zu folgen, wenn es – regnen sollte; aber in demselben Augenblick fühlt die Pachterinn auch schon Regentropfen, und läuft in das Haus, wohin ihr Nanette folgt. – Zweyter Act. Der Stallmeister, welcher der Frau Gräfinn nicht übel zu behagen scheint, spricht von seinen Gefühlen, und wird darüber sehr hart angelassen und zur Ruhe verwiesen. Er beklagt, wenn auch seiner Zunge, doch nie seinen Augen gebiethen zu können, und will sich selbst durch gänzliche Entfernung auf das Härteste bestrafen. Dagegen hat aber die Dame sehr viel einzuwenden, und gebiethet ihm sehr gnädig, zu bleiben. Da der Graf eben eintritt, als der Stallmeister einen dankbar zärtlichen Kuß auf die Hand seiner Gemahlinn drückt, so gibt dieß den Stoff zu einer Eifersuchtsscene, die durch die Ankunft des Pachters und seiner Pseudo-Frau unterbrochen wird. Die falsche Pachterinn gibt gute Worte, der Pachter trägt sein Anliegen vor, vergißt sich aber alle Augenblicke, und nennt seine Frau Er. Die beyden Herren werden zärtlich, und die Gräfinn eifersüchtig; sie nimmt den Pachter in Schutz, und engagirt die beyden Herren zu einer l’Hombre-Parthie, die aber Einer nach dem Andern unter falschem Vorwande wieder verläßt, um der schönen Pachterinn Liebeserklärungen zu machen, bis endlich die Gräfinn durch ihr Schreyen erweckt wird, im Nachtkleide heraus kommt, und sie mit sich zu Bette nimmt. – Herrn Liebichs stumme Glossen über diesen Abgang sind unnachahmlich. – Die beyden Herren bleiben mit langer Nase stehen; aber der Baron ist schon so verliebt, daß er sich mit Grauschimmel in Tractate einläßt, und ihm seine Frau um 4000 Thaler abhandelt. Der Baron geht schlafen, und Grauschimmel – der die falsche Frau ganz vergessen – eilt bey stockfinsterer Nacht nach Hause, um sein Gretchen zu hohlen. Dritter Act. Pachter Grauschimmel hat, als er im Finstern an sein Ehebett gekommen, zwey Köpfe für einen gefunden, und treibt die Pachterinn und das verkleidete Kammermädchen mit auf den Rücken gebundenen Händen vor sich her auf das Schloß. Der Baron erstaunt, da ihm Gretchen als seine Zukünftige vorgestellt wird; aber Grauschimmel räth ihm, lieber diese Andere zu nehmen, weil sie gewiße Vorzüge besäße, die der Andern fehlten!!! Endlich kommt es heraus, jenes sey eine Mannsperson. Der Baron glaubt die Ehe seiner Schwester gefährdet; dazu kommt die Baroninn, und wird durch die Aussage des Pachters so in die Enge getrieben, daß sie dem Stallmeister bekennt, wer sie sey; dieser biethet ihr nochmahls seine Hand an; sie wankt und liegt in seinen Armen, als die Gräfinn ihn mit wüthenden Blicken abruft. Gleich nach ihrer Entfernung kommt der Graf, erneuert seinen Liebesschwur, und will sie eben mit Gewalt küssen, als die Gräfinn und der Baron zurück kommen. Nun erklärt sich alles durch die Stimme der Natur; die beyden verkappten Geschwister geben sich zu erkennen und heirathen einander. Der Pachter wird beruhigt durch die Entdeckung, daß sein furchtbarer Nebenbuhler nur ein Kammermädchen sey, und daß er am Pacht bleiben soll, weil er seinen eigenen Esel statt eines Rehbocks geschossen habe, und das Stück endigt mit allgemeiner Zufriedenheit.

Daß dieser Zustand auch auf das Publicum überging, ist wohl größtentheils – so brav auch alle übrigen Mitglieder mitgewirkt haben – das Werk des Herrn Liebich, der in dieser Rolle wohl schwerlich übertroffen werden kann.