## Title: “Preciosa, Schauspiel von P. A. Wolf. (Dargestellt auf der Berliner Bühne am 14. u. 19. März 1821.)” (Teil 2 von 5) ## Author: K. ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032579 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Preciosa, Schauspiel von P. A. Wolf.(Fortsetzung.) Bei uns konnte sich das Drama nicht eher selbstständig entwickeln, als bis es eine Uebereinstimmung mit dem deutschen Charakter gefunden hatte. Der Deutsche ist nicht gesprächig. Wohl mag er sich aber mit seinem kühnen großartigen Sinn und seinem heiligen Glauben an einer gewaltigen That, an einer edlen, reinen, liebenswürdigen Leidenschaft erfreuen. Daher sehen wir das Drama in der Geschichte unseres Volks noch zu keiner Anerkennung gelangen, wenn sich gleich schon fruchtbare, erfindende Talente zeigen, weil es, das ausländische nachahmend, in der breiten Redseligkeit des Alexandriner beharrte. Es ist aber im Deutschen noch ein eigenthümlicher Hang zur Beschaulichkeit und innerlich vertieften Betrachtung, und dieser wird von den neuesten dramatischen Dichtern gemißbraucht, indem sie das Dramatische im Drama vernachlässigend, in die furchtbar schwebende Tiefe innerer Zustände hineinführen, welche doch nur in die Erscheinung des Lebens hinauswirkend hervortreten sollen. Ihre Dichtungen zeigen uns den Menschen, wie er sich in einem traurigen Irrthum befangen, in ein grundloses Philosophiren und Raisonniren hinabstürzt, worin er nun, wie ein aus seiner Sphäre getriebenes Gestirn versinkend umherirrt. Die Personen ihrer Stücke reden zu uns, wie dumpfe finstere Organe des Dichters, und wir erblicken ihn selbst darin mit seinen innern Zweifeln und Unruhen, und ohne das Bewußtseyn und die Heiterkeit, d.h. die Sicherheit vor dem Entsetzlichen, und die daraus hervorgehende Ruhe, die wir im reinen Menschen, und also im wahren Dichter voraussetzen. Die Schicksalsidee hat wohl nur aus einem Mißverständniß des Wunderbaren und aus einer falschen Nachahmungslust des Antiken in unser neueres Drama übergehen können, denn sie liegt in ihrem feindseligen, rohen und heimlichen Andrängen gegen die Menschenkraft ganz außer unserem Glauben und unseren Vorstellungsweisen. Höchstens mag sie dargestellt werden, so wie in einem noch nicht recht begriffenen Drama Houwalds (Fluch und Segen), als der unselige Irrthum des Menschen, der sich mit seinem Aberwitze an die Auslegung des Unendlichen in der faktischen Erscheinung wagt, und das Leere, Sinn- und Bezuglose auf sich hindeutet, und zu einer himmlischen Weisung macht, um sich in der Sünde eine Ausrede gegen sein Gewissen zu sichern; oder so, wie in einem andern Drama desselben Dichters (der Leuchtthurm), als die Lasterthat, die in sich selbst die Keime ihres Verderbens entwickelt, und sich, wie alles Böse, aus ihrer eigenen Kraft rächend vernichtet. Die Liebe, als der heilige Inbegriff des göttlichen Wesens und seiner Offenbarung im Menschen, soll der Mittelpunkt unserer Dichtungen seyn, wie sie alle irdische Zwietracht auflöset, und zum Wahren, Einigen und Dauernden verbindet. Nichts ist uns widerlicher, als wenn dieses lichte, reine, himmlische Element der Menschennatur als verwirrend und zerstörend gezeigt wird, welches seinen heiligen Ursprung und seine überirdische | Kraft dadurch bethätigt, daß es sich verklärend über alle weltliche Verhältnisse verbreitet, und den gemeinen rohen Unsinn, der ihm sein ewiges Recht bestreitet, und sein irdisches Bild zu verwüsten droht, aussöhnt und zum Bewußtseyn zurückführt. Es wurde schon oben angedeutet, daß es nicht den Begriff des dramatischen Genies erfülle, eine einzelne Leidenschaft oder interessante Situation in dramatischen Formen darzustellen. Diese muß das Drama unter seine Elemente begreifen. Das Drama sollte eine höhere Weltansicht des Dichters bekunden. Den Stoff gibt dem Dichter die Welt, sein Mitleben in ihr, die Erfahrung und die Geschichte. Was wir den Gehalt einer Dichtung nennen, ist die innere dem Dichter eigenthümliche Anschauung dieses Stoffes, seine Belebung durch die Idee, und bildet den poetischen Grund, worauf sich die Dichtung in einer Form des Schönen bewegen soll. Die Form wird durch den belebten Stoff bedungen, und eine rein und ungestört durchgeführte Form zeigt von einer um so größeren Herrschaft des Dichters, und einer um so harmonischeren Vollendung des Stoffes. (Die Fortsetzung folgt.)