## Title: Karl Maria v. Webers unvollendet hinterlassene komische Oper “Die drei Pintos” ## Author: Carl von Weber ## Version: 4.11.0 ## Origin: https://weber-gesamtausgabe.de/A032838 ## License: http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/ Karl Maria v. Webers unvollendet hinterlassene komische Oper „Die drei Pintos“.In Webers musicalischem Nachlasse befindet sich ein Manuscript von ungefähr vierzig vollen Notenseiten Umfang, welches alles dasjenige enthält, was er von seinem Lieblingsplane, der Schöpfung einer komischen Oper, hat verwirklichen können. Noch ehe er die letzte Hand an den „Freischütz“ gelegt, hatte er von Theodor Hell (Karl Winkler) in Dresden das Buch zu dieser komischen Oper erhalten und fast zu gleicher Zeit mit der Musik zu „Preciosa“ wurden „Die drei Pintos“ begonnen (erstere am 25., letztere am 27. Mai 1820). Leider aber sollte ihre Ausgestaltung nicht unter so günstigen Sternen erfolgen wie die der „Preciosa“. Während diese binnen zwei Monaten fertiggestellt wurde, haben Zwischenfälle aller Art die Vollendung der „Drei Pintos“ verhindert. Webers mit pünctlichster Sorgfalt geführtes Tagebuch gibt in größeren oder kleinern Abständen bis zum 20. September 1824 zehn Bemerkungen über die Arbeit an dem neuen Werke; die letzte besteht in dem lakonischen ‚gePintot‘. Daß Weber sich weit häufiger mit der Composition der Oper beschäftigt hat, darauf deutet seine sonstige Arbeitsweise hin. Weber gestaltete seine Werke im Geiste bis in alle Einzelheiten hinein aus und brachte dann das so Entstandene im vollen Umfange zur Niederschrift. Daß auch „Die drei Pintos“ in Webers Kopf fertig waren, beweisen die dem Manuscripte beiligenden Bemerkungen, welche für sämmtliche Stücke der Oper die Tonarten und sogar die Zeitdauer enthalten. Daß die Niederschrift nicht weiter vorgeschritten, erklärt sich leicht aus dem folgenden: Innerhalb der sechs Jahre, vom Mai 1820 bis zu seinem Tode (Juni 1826), hat Weber einen großen Theil seiner Hauptwerke geschaffen: „Preciosa“, „Euryanthe“, „Oberon“. Ferner legten gerade in jener Zeit seine Dienstgeschäfte, welche in der Leitung und theilweisen Neuschöpfung der Dresdner Oper bestanden, dem an einer schleichenden Krankheit Leidenden schwere Lasten auf [.] Endlich fällt in diese Jahre jene vierzehnmonatliche Pause in Webers Schaffen, die erst durch die zwingende Nothwendigkeit, die letzten Kräfte an die Ausführung des „Oberon“ zu setzen, beendet wurde. Während dieser Pause schrieb Weber folgende bezeichnende Bemerkungen über „Die drei Pintos“ an seinen Freund Lichtenstein: Am 17. Mai 1824: ‚An die Pintos denke ich so wenig jetzt, als überhaupt an Musik. habs recht satt, und werde wohl sobald keine größere Arbeit vornehmen.‘ Und am 6. September: ‚Die Lust zur Arbeit ist noch nicht recht wiedergekommen, ich sehe zwar die Pintos zuweilen von der Seite an, aber recht erwarmen kann ich nicht.‘ Endlich am 23. September: ‚Mit den Pintos ist es ein eigen Ding. Auf jeden Fall suche ich sie diesen Winter zu beendigen.‘ Letzteres hat dann der „Oberon“ verhindert, und nach der Vorführung desselben in London starb Weber. So sind „Die drei Pintos“ denn thatsächlich unvollendet geblieben, alle entgegenstehenden Gerüchte sind als erfunden längst nachgewiesen worden. Die vorhandenen Bruchstücke sind nach Webers Art vollständig entworfen. Die Niederschrift ist in der Weise bewirkt, daß nur die leitenden Stimmen, allerdings diese ausführ lichst, zu Papier gebracht sind; nur hier und zeigt eine Note auch die Harmonie an. Der Text ist vollständig und auf's genaueste unter die Noten gesetzt. Da nun das Buch der Oper weit mehr Musik erfordert, als in den vorhandenen Stücken gegeben ist, kann man die letzteren eben nur als das Bruchstück einer Oper bezeichnen. Was aber das Vorliegende an künstlerischem Werthe birgt, ist so bedeutsam, eigenartig, reif und reich, daß schon bald nach Webers Tod seine Wittwe Karolina mit Giacomo Meyerbeer, dem Jugendfreunde ihres Gatten, wegen Fertigstellung der „Drei Pintos“ in Verbindung trat. Meyerbeer wollte sich der Arbeit denn auch unterziehen, die eigenen Schöpfungen begannen aber grade damals ihren Lauf durch die Welt zu machen, und so blieben „Die drei Pintos“ liegen. Webers Sohn, Max Maria, hat nach dem Tode seiner Mutter die Bemühungen, der Welt „Drei Pintos“ zu schenken, fortgesetzt; auch ihm gelang es nicht, den Mann zu finden, der die schwierige und verantwortungsreiche Aufgabe auf sich nehmen wollte. Nach Max Maria v. Webers Tode (1881) habe ich, sein Sohn, unablässig den Wunsch in mir gefühlt, die in meiner Hand befindlichen Entwürfe, deren Zauber mich voll erfaßt hatt, zur Ausgestaltung zu bringen. Der Schwierigkeiten, die sich derselben entgegenstellen mußten, war ich mir wohl bewußt. Bezüglich der im Texte liegenden traute ich mir zu, die Lösung zu finden, den der Musik innewohnenden mußte ein Künstler gegenüber treten, der unter Hintansetzung und doch wieder vollem Einsatz seiner künstlerischen Eigenart mit Begeisterung den Spuren Webers folgen wollte. In Gustav Mahler begegnete mir dieser Mann. Durch knappe Zusammenfassung und Neuordnung des dramatischen Stoffes ist es mir gelungen, das Erfordernis an ergänzender Musik einzuschränken. Die componirten Texte habe ich, so weit möglich, genießbar gemacht, die Gesprächs-Scenen neu geschrieben. Die vorhandenen Musikstücke ordneten sich natürlich und gänzlich unverändert ein; an einigen Stellen der Handlung, die der Musik erförderten, wurde aus Webers veröffentlichtem und aus seinem unveröffentlichten Nachlaß Passenden ausgewählt. Endlich hat Kapellmeister Mahler die Entwürfe ausgestaltet, das Hinzugenommene eingepaßt mit einer Pietät, die nur der warmen Hingabe an seine Arbeit entstammen konnte. So gibt es denn heute „Drei Pintos“. Das deutsche Volk möge urtheilen, ob es in ihnen seinen Weber wiederfindet. Leipzig, im September 1887. C. v. Weber.