Aufführungsbesprechung Hamburg: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber im Februar 1822

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Die wesentlichste Bereicherung, welche unsere Bühne während dieses Monats erhalten hat, ist der Oper zu Theil geworden; denn der Freyschütz ist noch immer das Stück des Tages, und scheint sich bey jedesmaliger Wiederholung im Beyfall des Publikums noch fester zu setzen. Die Oper ist nämlich in diesem Monate achtmal aufgeführt worden, am 5, 7, 11, 13, 15, 20, 23 und 27sten. Ueber den Gehalt und Charakter der Composition werden einzelne Stimmen immer mehr oder weniger von dem allgemeinen Urtheil sich entfernen, da nach einer sehr weisen Einrichtung der Natur, die Organisationen der Geister eben so verschiedenartig sind, als die der Körper, und der Schönheitsinn in unendlicher Mannigfaltigkeit variirend sich äussert und in Thätigkeit setzen läßt. Was aber die Empfänglichkeit Vieler ergreift, auch solcher, die in ihrer übrigen Bildung sich weit von einander unterscheiden, das trägt eine magische Kraft in sich, deren Daseyn durch eitele Disputirkünste nicht mehr hinweg gesprochen werden kann. Zu unseren in diesen Blättern mitgetheilten | Bemerkungen über diese Oper fügen wir hier noch, die Aufführung derselben betrefend, hinzu, daß auch für die äussere Zurüstung, welche in diesem Stück eine besondere Aufmerksamkeit erfodert, die möglichste Sorgfalt angewendet worden sey. Mit dem freylich, was z. B. in Berlin geleistet wird, konnte man hier nicht wetteifern: das würden so wenig die Verhältnisse unserer Bühne gestatten, noch selbst der höchst beschränkte Raum derselben. Die lärmenden Spektakel des zweyten Aktes jedoch gelingen meistentheils der Ordnung gemäß und die Phantasie wird durch einige Sachen recht gut beschäftigt. Namentlich ist der Zug des wilden Heeres – wie ich höre nach einer Angabe des Herrn Gropius in Berlin eingerichtet, recht treffend phantastisch, und nur die feueranfächelnde Eule ist mit ihrer Physiognomie etwas unleserlich gerathen. Das Beste für die ganze Zauberscene ist freilich das kräftige, wildleidenschaftliche Spiel des Herrn Woltereck, und der Moment, wo er den Schädel auf den Hirschfänger gespießt in die Luft hält und den schwarzen Geist beschwört, selbst mahlerisch gut geordnet. Nur mit dem – vielen so anstößigen – Teufel kann ich nicht zufrieden seyn: er ist weder grell genug kostümirt, noch ist sein Erscheinen kräftig, bizarr und schreckhaft genug. Man hat diese Figur offenbar zu leicht genommen, da sie bedeutend genug ist, unseren geübtesten Schauspielern anvertraut zu werden. Ganz neu und von Herrn Coqui sehr gut gemahlt ist das Zimmer des Försters, an welchem sich die brav ausgeführten Jagdstücke besonders wohl ausnehmen. Die Kleidungen der Böhmischen Bergbewohner hätten vielleicht zum Theil noch charakteristischer eingerichtet werden können. Sonst habe ich noch erinnern wollen, daß in dem ersten Neck-Chor in der Abtheilung der Frauen zumal die Vorderen bey dem neckenden: „He, he, he, he“ doch gar zu ernsthaft, steif und gelenkelos stehen bleiben, so daß ¦ ihnen dieses lachende Verhöhnen ordentlich sauer zu werden scheint. Das nimmt sich zum Ganzen übel aus. Herr Mädel thut wohl, bey den häufigen Wiederholungen dieser Oper seinem Bauer Kilian einige Abwechselung zu verschaffen, um einerley Figur nicht zum Stereotypus zu machen; aber wir bitten ihn sehr, über sich zu wachen, daß er die Zeichnung nicht in die eigentliche Karrikatur hinüber führen wolle, die hier gewiß an der unrechten Stelle wären. Wenn Herr Woltereck das freche Trinklied mit noch etwas mehr Keckheit und verwegener Lust vortragen wollte, würde es dem ächten Charakter desselben noch näher entsprechen. In der schönen Cavatine Agathens zum Anfange des dritten Actes wird gesungen:

"Und ob die Wolke sich verhülle,Die Sonne bleibt am Himmelszelt,Es waltet dort ein heil’ger Wille,Nicht blindem Zufall dient die Welt."

So findet sich der Text auch in dem zu Berlin erschienenen Clavier-Auszuge. Sollte es aber nicht heißen müssen:

"Und ob die Wolke sie verhülle,Die Sonne bleibt am Himmelszelt." &c.

sie, nämlich die Sonne? –

[…]

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbesprechung Hamburg: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Dramaturgische Blätter für Hamburg, Jg. 2, Nr. 18 (März 1822), S. 137–139

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