Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: „Macbeth“ von Shakespeare in deutscher Übersetzung von Schiller, 11. Dezember 1814

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Theater.

[…]

Prag den 11. Dec.Macbeth, Trauerspiel nach Shakespeare von Schiller. – Herr Bayer spielte seit Mattauschs Anwesenheit zum ersten Mahl die Rolle des Macbeths wieder, und alles eilte mit gespannter Erwartung in das Schauspielhaus; sie wurde größtentheils erfüllt. Herr Bayer zeigte sich als denkender Künstler, der uns einen ehrgeitzigen, aber edlen Helden darstellte, welcher einer höllischen Versuchung erliegt, in dem aber alle Verbrechen, zu denen ihn seine erste That von Stufe zu Stufe jagt, das angeborne Heldenthum nicht zu erlöschen vermögen. Bloß natürliche Antriebe waren zu schwach, um Macbeth zum Fall zu bringen, und in der Trunkenheit der befriedigten Ruhmbe¦gierde legen die Hexen den ersten Samen der blutigen That in seine Seele; von seiner Gattinn teuflischer Beredtsamkeit aufgeregt, begeht er die ungeheure Mordthat an dem gütigen Duncan, der ihn mit Ehren und Wohlthaten überhäuft hatte – begeht sie im wehrlosen Schlaf unter dem eigenen gastfreundlichen Dach, gleichsam im Taumel der Verblendung und ohne bestimmten, eigenen Willen. Nun ist er einmahl in den Stricken der Hölle, und Macbeth, der sonst als Held dem Tode der Schlacht trotzte, bangt ängstlich um sein irdisches Daseyn, seit er des ewigen verlustig worden ist, und erst am Ende seiner Laufbahn, als er vom vergeltenden Schicksal noch würdig befunden wird, den Tod der Ehre, von des Helden Macduffs Schwerte zu sterben – erhebt er sich wieder einigermaßen. Aus diesem Gesichtspuncte schien Hr. Bayer die Rolle gefaßt zu haben; und so führte er sie durch. Wir hoffen, er werde es nur als einen Tribut ansehen, den wir seinem reichen Talent zollen, wenn wir bey einer Übersicht seiner Darstellung einige Flecken rügen, die der Vollkommenheit des Bildes schadeten. Den ersten Act gab er meisterhaft: besonders gelang ihm die Stelle:

Wenn uns der Meuchelmord auch aller FolgenEntledigte, wenn mit dem Todten alles ruhte,Wenn dieser Mordstreich auch das Ende wäre,Das Ende nur für diese ZeitlichkeitWegspringen wollt’ ich über’s künft’ge Leben!

und der heftig schnelle Ausruf:

Gebier mir keine Töchter! Männer nurSoll mir dein unbezwinglich Herz erzeugen!

Die Bereitung zum Morde im zweyten Act und die Verzweiflung nach Vollbringung desselben war von zu heftigen, beynahe krampfhaften Bewegungen begleitet, und in dem verstellten Schmerz über Duncans Tod verlor er sich in eine ziemlich merkliche Nachahmung Mattauschs, die sich bis auf einzelne Töne und Bewegungen – zumahl das wiederhohlte und einförmige Kopfschütteln des Berliner Künstlers – erstreckte. Das Bestreben, seine Hände zu verbergen, war zu stark marquirt, und neigte sich zum Komischen. Überhaupt erschien uns in manchen Momenten verletzend jenes Vorbild; Herrn Bayers kräftige Natur ist nie interessanter, als wenn sie selbst ist. Die Scenen als König bis zum letzten Act gibt er sehr wahr, und läßt Herrn Mattausch in mehreren Momenten hinter sich; z. B. bey der Abendtafel, als Banco’s Geist zum ersten Mahl erscheint, und er schreyt:

Die Tafel ist voll!

wie er ihm dann ferner zuruft:

Du kannst nicht sagen, ich war’s! SchüttleDie blut’gen Locken nicht so gegen mich! – –– Wenn du nicken kannst,So red’ auch. – Schickt das Beinhaus und die GruftUns die Begrabenen zurück, so sollDer Bauch der Geyer unser Grabmahl seyn.

Vorzüglich aber gelangen ihm die wenigen inhaltschweren Worte, an denen die meisten Macbeths scheitern, und die nicht selten das Zwerchfell des Publicums erschüttern, nähmlich als der Arzt ihm den Tod der Königinn meldet, die Worte:

Wär’ sie ein ander Mahl gestorben!

Diese sprach er ganz, wie sie gesprochen werden müssen, um Macbeths Stimmung überhaupt und insbesondere seine Gesinnungen gegen die Lady auszudrücken.

Mad. Schröder spielte die Lady Macbeth auch dießmahl unverbesserlich. Selbst durch Sprache und Ton unterschied sie meisterhaft Wahrheit und Maske. Hart und unbiegsam erschien in den Scenen mit ihrem Gemahl das ehrgeitzige Weib, das keine Gesetze kennt, wo es sich um Erreichung ihrer stolzen Plane handelt, und die Worte: |

Ich habe Kinder aufgesäugt und weiß,Wie allgewaltig Mutterliebe zwingt,Und dennoch – ja, bey Gott! den Säugling selbstAn meinen eig’nen Brüsten wollt’ ich morden,Hätt’ ich’s geschworen, wie du jenes schwurst;

brachten das ganze Haus in bewundernde Bewegung. In den Scenen mit dem Könige und den Fürsten überfloß sie von süßen Schmeicheltönen und Geberden, und selbst der erkünstelte Schmerz und ihre Ohnmacht war so berechnet, daß sie den Zuschauern nur die Kunst der Verstellung zeigte. Doch ist der Triumph ihrer Kunst der letzte Act, wo Lady Macbeth, die Schuldige, vom Schicksal verdammt und unbetrauert zu Grunde geht, und das:

Weg, du verdammter Flecken! Weg! sage ich,Eins! zwey – nun so ist’s hohe Zeit! – die Hölle istSehr dunkel – Pfuy doch! Ein Soldat und feige!Laßt es auch ruchbar werden – ist doch NiemandSo mächtig, uns zur Rechenschaft zu ziehen!Wer dacht’ es aber, daß der alte MannNoch so viel Blut in Adern hätte!

mit dem gedämpften Tone der gewaltigsten Geisteszerrüttung, die bald die sterbliche Hülle zu verzehren droht, vorgetragen, sträubte das Haar der Hörer empor.

Auch die übrigen Rollen waren meistens ziemlich gut besetzt, mit Ausnahme des Macduff, den Herr Seewald (sonst ein verdienstvoller Schaupieler in zärtlichen und humoristischen Väterrollen) durchaus verdarb. Die Hexen wurden durch Dlle. Bach, Mad. Herold und Mad. Reinecke – drey Schauspielerinnen, welche das Publicum gewöhnlich lieber gehen als kommen sieht – ziemlich gut dargestellt, und machten Effect. Doch ist es Schade, daß Schiller die Hexen des Shakespeare, die jener sehr weislich nur als gemeine und unedle Werkzeuge der Hölle dargestellt hat, in ein Mittelding von Eumeniden und Parzen umgestaltete, die pathetisch moralisiren. Es ist, und konnte ihm damit nicht gelingen, sie zu veredeln, und er hat in dieser fruchtlosen Bemühung die Individualität des Werkes verletzt. Shakespeares Darstellung der Hexen ist wahrhaft magisch; er hat ihnen eine eigene Sprache erschaffen, die, ob sie gleich aus den gewöhnlichen Elementen der Rede besteht, dennoch durch die gehäuften und künstlich zusammengesetzten Reime als eine fortwährende Sammlung dunkler Orakelsprüche erscheint. Unter sich reden sie die Sprache des Pöbels, nur mit Macbeth reden sie feyerlicher, als die Werkzeuge einer feindseligen Macht, die den Helden verderben will.

In der scenischen Anordnung und Umgebung blieb vieles zu wünschen übrig; vorzüglich aber verursachte es eine unangenehme Störung, daß die Tafel im dritten Act seitwärts vor einer Tapetenthür aufgestellt war, und Banquo – sehr schlecht costumirt – jedes Mahl aus derselben hervortrat!!!

Das Werk und Herr Bayer fanden die verdiente Theilnahme des Publicums, und dieser ward mit den rauschendsten Beyfallsbezeugungen hervorgerufen.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 7, Nr. 25 (28. Februar 1815), S. 109f.

Textkonstitution

  • „nähmlich“sic!

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.