I. F. Castelli: Das neue königliche Schauspielhaus in München und die Aufführung der Oper Celanira [von Pavesi]
II.
Das neue königliche Schauspielhaus in München und die Aufführung der Oper Celanira.
Von dem Aeußern dieses Schauspielhauses ist noch nichts zu sagen, da es noch nicht verziert ist, und nur die kahlen, nicht einmal verputzten Wände da stehn, nur muß man den Styl des Gebäudes selbst sehr edel nennen. Das Innere des Schauspielhauses aber übertrifft, nach meinem Geschmacke, alle Theater, welche ich gesehen habe, selbst jenes zu Brescia nicht ausgenommen, das ich bisher für das schönste hielt. – Wenn man durch die Thüre des Hauptportals eintritt, so gelangt man in eine geräumige Säulenhalle, in welcher sich links die Kasse befindet. Rechts ist ein ähnliches Gemach, wie jenes der Kasse, angebracht, welches allenfalls für einen zweiten Kassirer bestimmt seyn kann, wenn das Gedränge groß ist. Zur Linken und Rechten führen zwei sehr schöne Treppen, wohl 20 Fuß breit, in die obern Stockwerke. Tiefer als diese beiden Treppen führen zwei andere Thüren zu zwei großen Sälen; | diese werden später vermuthlich zu Versammlungsorten während der Akte gebraucht, und zu diesem Behufe, gleich den französischen Foyers, eingerichtet und mit Bildnissen berühmter Schauspieler und Dichter geziert weden. Ich schloß dieß aus einigen Piedestal’s, welche bereits dort stehen. In der Mitte befinden sich drei hohe Eingänge, wovon der mittelste in das Parterre, die beiden andern in die Logengallerien führen. Das Auditorium hat 5 Stockwerke und ist halbcirkelförmig und amphytheatralisch. Geschlossene Logen sind im ganzen Theater nur 12 und zwar der Bühne gegenüber eine große Loge in der Mitte, welche bei großen Festen die königliche Familie einnimmt, und über derselben eine kleinere, dann zu beiden Seiten 4 kleinere, je zwei und zwei über einander; im Portal der Bühne sind auf jeder Seite zwei Logen angebracht. In jener, dem Zuschauer rechts, befand sich dießmal der König und die Königin. Noch ist auf jeder Seite eine Parterreloge, welche Vertiefungen in die Mauer bilden. Die erste Gallerie wird übrigens als der Logenplatz angesehen, und man kann darin einzelne Plätze kaufen, so viel man deren wünscht. Noch besser vorspringend und außer dieser Logengallerie ist eine andere, welche von vorn nur mit einem Gitter verschlossen ist. Beleuchtet ist das Theater durch eine, an der zweiten Gallerie fortlaufende, Reihe von kugelförmigen weißen, geschlossenen Glaslampen und durch eine Astrallampe, welche von der Mitte der Decke herabhängt; die Letztere aber ist für die übrige Pracht des Hauses zu ärmlich. Die Verzierung ist weiß mit goldenem Schnitzwerke, das letztere etwas zu überhäuft. Zwei colossale Figuren stehen auf beiden Seiten der Logen des Hintergrundes. Die Bühne ist verhältnißmäßig breit und tief. Die Gardine ein einfacher rother Vorhang. Die rothe Farbe will mir nicht gefallen, sie ist zu grell und schlägt die übrigen Farben der Decorationen. Zwei Uebelstände habe ich bemerkt, die wohl Mancher mit mir verwerflich finden wird: daß die sogenannten Sophiten dieselbe rothe Farbe, wie der Vorhang, haben und daß diese Sophiten bei allen Decorationen hängen bleiben. So war z. B. das Gebälke eines geschlossenen antiken Saales roth, die Luft in einem Walde roth u. s. w. Ich glaubte, daß diese rothen Sophiten nur dießmal aus Versehen des Decorateurs hängen geblieben wären, man versichterte mir aber, daß dieß bei jeder Vorstellung und Decoration der Fall sey. Der zweite Uebelstand liegt in dem Verwandlungszeichen. So ¦ oft die Bühne verwandelt wird, wird das Zeichen dazu mit Schellen gegeben, so daß es klingt, als ob eben einige Schlitten am Theater vorüber führen.
Es wurde Celanira von Pavesi gegeben. Der Castrat Veluti und Mad. Pellegrini sangen darin. Des ersteren Stimme habe ich noch stärker gefunden, als einst in Wien, – aber seine Manieren, Bewegungen, Gebehrden, kurz Alles, was der dramatische Sänger vorzüglich studieren soll, ist noch eben so unter aller Kritik, als damals. Er hat in so vielen Jahren noch nicht gelernt eine Verbeugung zu machen. Die Hände bald vor sich hin halten, bald auf die Brust pressen, den rechten Fuß mit Gewalt vor den linken setzen, mit Kopf und Augen die Passagen versinnlichen wollen, welche er anbringt, wenn er Etwas Sanftes singen will, etwa vorher so lange warten, bis man 12 zählen kann, – dem Publikum einige Minuten den Rücken zeigen, wenn er mit dem Chore spricht, das sind beiläufig die schauspielerischen Künste des Herrn Veluti, der demohngeachtet von dem Münchener Publikum mit dem außerordentlichsten Beifalle beehrt und heute dreimal vorgerufen wurde. – Das Orchester zeichnete sich durch das delikateste Accompagnement aus und behauptete auch heute den Ruhm, eines der ersten Deutschlands genannt zu werden.
I. F. Castelli.Apparat
Zusammenfassung
Reisebericht aus München: „Celarina“ von Pavesi
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Fukerider, Andreas
Überlieferung
-
Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 194 (14. August 1819), Bl. 1v–2r