Cäcilie von Werthern an Ottobald von Werthern
Dresden, Dienstag, 24. bis Sonntag, 29. Dezember 1822
[…] Den Abend war eine große brillante Soirée für die ganze erste volée, bey Knobelsdorfs von welcher wir uns indeßen früher schon dispensirt hatten als Luisen sich unwohl fühlte, da es ganz außer dem Kreis meines Ehrgeitzes liegt in diese Zirkel mich eingeführt zu sehen. Es wurde uns dafür auch ein ganz anderer Genuß, da sich Maria Weber ansagen ließ, ein altes Versprechen, nämlich Luisen etwas vorzuspielen, zu erfüllen. Auf diese Weise war dann der Abend für uns melodisch u harmonisch zugleich, was die Knobelsdorfer Gäste gewiß nicht mit so viel Wahrheit von ihrer Assemblée sagen konnten. - Webers Spiel befriedigte mich allerdings in einem hohen Grad, denn er hat bey unbeschreiblicher Gewandtheit u Sicherheit, etwas Grosartiges in seinem Ideengang u seinem Vortrag, doch muß ich der Wahrheit zur Ehre bekennen, daß Hummel mehr noch mein Herz in Anspruch nahm durch seine anmuthige Lieblichkeit, als Weber durch seine kraftvolle Originalität, die in manchen Momenten sogar etwas Schneidendes haben kann. Was indeßen die mündliche Unterhaltung betrifft, so mußte ich wieder dem hiesigen Virtuosen den Preis zuerkennen, denn er ist‡ geistreicher u unterrichteter u keineswegs beschränkt auf das musicalische Gebiet der Kunst u des Wissens. Von dem Freischützen versicherte er, daß er ihm so zuwider geworden, daß er durchaus nichts mehr daraus hören könne, eine Aeußerung, bey welcher ich an Mozart denken mußte, der, meiner Ueberzeugung nach, gewiß nie eine ähnliche über seinen Don Juan, gemacht, obgleich dieser eben so oft gehört wurde, freilich aber nicht an allen Straßenecken, | weil die Gaßenbuben sich das schon vergehen laßen mußten. Das ist eben das wahrhaft Große, daß es immer groß bleibt. -[…]
Apparat
Zusammenfassung
Bericht über das Weihnachtfest in Dresden 1822, u. a. über ein Treffen mit Weber am 25. Dezember (vgl. Tagebuch)
Incipit
„Ich erwarte Könneritz, der in einer Stunde mich abholen wird“
Überlieferung
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Textzeuge: Wernigerode (D), Landesarchiv Sachsen-Anhalt, Abteilung Magdeburg, Standort Wernigerode, Herrschaftsarchiv Beichlingen (D-WERa)
Signatur: H 1, Nr. 2038, Teil 2, Bl. 19–26Quellenbeschreibung
- 4 DB l. (16 b. S.); wiedergegebene Passage vom 25. Dezember auf Bl. 23r/v
Dazugehörige Textwiedergaben
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Marko Kreutzmann, Zwischen ständischer und bürgerlicher Lebenswelt. Adel in Sachsen-Weimar-Eisenach 1770 bis 1830 (Veröffentlichung der Historischen Kommission für Thüringen, Kleine Reihe, Bd. 23), Köln, Weimar, Wien 2008, S. 181 (Auszug)