Hinrich Lichtenstein an Carl Maria von Weber in London
Berlin, Donnerstag, 6. April 1826

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Herrn Kapellmeister

C. M. von Weber

Hochwohlgebohren

[von Webers Hand:] erhalten London d. 24 –––.

Herr H. Beer sagt mir so eben, daß er einen Brief an Dich mein Theurer abzusenden im Begriff sei und da kann ich dem Gelüste nicht widerstehn, Dich in Deinem von uns Allen zuversichtlich erwarteten Glanze zu begrüßen. Ich habe den Klavier-Auszug des Oberon bei Schlesinger sehr genau durchgesehn und daraus die Ueberzeugung gewonnen, daß dieß die Engländer packen muß, wenn sie anders überhaupt von der musicalischen Seite zu fassen sind. Mit Ungeduld sehn wir den Nachrichten aus London von gestern, heute und morgen entgegen, weil wir die erste Vorstellung in diesen Tagen vermuthen*, mit noch größerer warten wir auf die nähere Bekanntschaft mit dem Werke selbst, das Dich der Welt in einem ganz neuen Lichte zeigen soll. Welch eine Verschiedenheit des Charakters dieser Oper von dem des Freischütz, der Euryanthe, der Sylwana. Das erst ist die wahre Meisterschaft, in jeder Gattung Meister zu sein, und originell in der größten Einfachheit. Ich glaube, Schlesinger hat einen treflichen Kauf gemacht, denn dieser Klavier-Auszug, in welchem fast jedes Stück von mäßigen Kräften im Zimmer ausgeführt werden kann, muß, Deinen Namen an der Stirn und Deinen Geist im Kern, ein überaus großes Publikum finden. Dennoch hätte er Dir’s beinahe schlimm gedankt, denn, wenn ich nicht dazwischen kam wurden heute zwei Stücke aus dem Oberon in dem Concert des Herrn Blume gegeben, nemlich die Romanze der Fatime mit obligater Harfe und der Geisterchor H dur*. Schl. sah seinen Fehler aber gleich ein, schwerer war es aber Herrn C. Blume zu überzeugen, der erst deshalb nach Dresden geschrieben hat, weil er meine Autorität nicht gelten lassen wollte. Wenn wir erst wissen, daß es in London gegeben ist, dann wollen wir im Kreise Deiner Freunde, den Klavier-Auszug auch einmal vornehmen, zu welchem Zweck Hr Schl., mit dem ich jetzt auf dem liebenswürdigsten Fuß stehe, ihn mir auf einen halben Tag anvertrauen will.

Bei mir und im Kreise der Deinigen ist Alles wohlauf und Alles grüßt Dich im Jubel über die neuen Lorbern die Deine Stirn kränzen sollen und über den Empfang, der Dir schon in London geworden ist. Schon wollen Dich Viele im Sommer wieder hier sehn, den Oberon bei uns auf die Bühne zu bringen. Ich selbst freue mich, gut vorausgesagt zu haben, daß das englische Klima Deiner Gesundheit so sehr nicht schaden werde. Gehab Dich ferner wohl und kehre gesund und reich belohnt zu uns zurück! Dein treuer
HL.

Apparat

Zusammenfassung

hat den Klavierauszug des Oberon bei Schlesinger durchgesehen und äußert sich sehr optimistisch über Erfolgsaussichten; nur durch entschiedenes Eintreten habe er eine Aufführung einiger Stücke daraus in Blums Konzert verhindert; nach der Uuraufführung wolle man den Klavierauszug in privatem Kreise „vornehmen“

Incipit

Herr H. Beer sagt mir soeben, daß er

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
    Signatur: PB 37 (Nr. 81)

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
    • auf der Adressenseite unten Absenderangabe eigenhändig von Lichtenstein: „Lichtenstein“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Rudorff 1900, S. 250–252

Textkonstitution

  • „… dieser“Schluss-„r“ nachträglich angefügt
  • r„Oper“ durchgestrichen und ersetzt mit „r
  • „aber“durchgestrichen

Einzelstellenerläuterung

  • „… Vorstellung in diesen Tagen vermuthen“Der ursprünglich vorgesehene Uraufführungstermin des Oberon (Ostermontag, 27. März 1826) war verschoben worden, schließlich fand die Premiere am 12. April statt.
  • „… und der Geisterchor H dur“Vgl. Komm. im Brief von Caroline von Weber an ihren Mann vom 25./26. März 1826.

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