Aufführungsbesprechung Dresden, Linkesches Bad, 18. Juni 1819: „Die Heimkehr“ von E. von Houwald, „Nachtigall und Rabe“ von J. Weigl

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Am 18. Juni. Auf dem Linkeschen Bade. Die Heimkehr, Trauerspiel in 1 Akt, von Houwald. Hierauf: Nachtigall und Rabe, Schäferspiel in 1 Akt, Musik von Weigl.

Eine kleine, liebliche und dem Geweihten angenehme – Langweiligkeit; zarten Sinnes, vom Zauber süßer Töne belebt, die aber nur den engern Ausschuß derer, die mit dieser Gattung der dramatischen Poesie vertraut und einverstanden sind, nicht aber das größere Publikum im Ganzen, welches mehr auf sogenannte Knall-Effekte, brillante Abgänge mit Coloraturen und in die Lüfte geschleuderten Armen u. dergl. rechnet, ansprechen kann. Die Beurtheilung des Gedichtes an sich, sowohl in dramatischer als in poetischer und ästhetischer Hinsicht, überlasse ich den würdigern, einsichtsvollern Männern, welche dieß Fach übernommen haben, und verweile hier nur bei der musikalischen Ansicht. Das Idyll an sich ist eine Gattung der Poesie, die, weil der Charakter desselben mehr aus leiser Ahnung aus Arkadiens Himmel, als aus herber Wirklichkeit sich bildet, schon für den Dichter ihre eigne Schwierigkeit hat, indem die Grenzlinie zwischen der, dieser Dichtungsart angemeßnen, weichen und zarten Haltung und einer langweiligen, weichlich schmachtenden Süßlichkeit leicht zu verfehlen ist. Noch mehr Schwierigkeit aber findet sich hier für den Componisten.

Unter allen, mir bekannten, jetzt lebenden Componisten hat wohl keiner noch ein so entschiednes Talent, ein so zartes und treffendes Gefühl für diese Gattung der Tondichtkunst gezeigt, als Weigl in seiner Schweizerfamilie, einem Werk, das allein unübertroffen und, fast möchte ich sagen, nachahmungslos in höchster Vollendung da steht. Ein gleicher, und doch der Verschiedenheit des Gegenstandes und der Person angemessener, Geist weht auch in dieser kleinen Idylle. – Nicht flache und bedeutungslose Tändelei, die nur dem Ohr für Augenblicke schmeichelt, aber den innern Geist nicht weckt, nicht nachhallt in der Tiefe des Gefühls; nicht kolossale, regellos in einandergedrängte Tonmassen, die uns wie brausende Waldströme mit sich fortreißen, bestechen und betäuben uns hier. – Angenehme, zarte und ausdruckvolle, zum Herzen sprechende Melodieen, getragen von reinen, kräftigen, zum Theil kunstreichen, aber nie grellen, verkünstelten, noch gesuchten Harmonieen sprechen uns freundlich an, und die Genialität, Einsicht und Klarheit in Erfindung, Anordnung und Ausführung, womit der Componist den Geist und Charakter des Ganzen, wie der einzelnen Theile, aufgefaßt hat und uns lebendig vor unsre Seele stellt, bewährt die sichre, erfahrne Hand des Meisters, der besonders in dieser Gattung der Tondichtung sich so eigenthümlich auszeichnet. Die Ouvertüre, deren Einleitung durch ein kurzes Tongemälde der Morgendämmerung und den in […] verwebten Gesang der Nachtigall (vom Hrn. Kam¦mermusikus Steudel mit wahrem Nachtigallenton ausgeführt) gut und zweckmäßig auf das Ganze vorbereitet, ist ein an sich trefflich gearbeitetes, Geist und Leben athmendes Tonstück, den Kunstgelehrten, wie den Layen, ansprechend. Nur glaube ich nicht ganz mit Unrecht bemerken zu dürfen, daß das Allegro wohl in Hinsicht des allgemeinen Charakters es Stücks, wie des besondern der darin handelnden Personen, ein Weniges zu lang und zu groß und brillant gehalten seyn möchte. So findet dasselbe auch zum Theil in der übrigens äußerst lieblichen Arie der Phyllis („Und wenn Du nun den Lohn gefunden zt.“) statt, welche mitunter etwas zu viel italienische Bravour hat, die wohl der zarten, ländlich prunklosen Hirtin nicht ganz anpassend ist. Doch kann dies auch wohl mir nur so scheinen, und benimmt deshalb dem innern Werthe dieser beiden Stücke an sich nichts. Außer der zarten Cavatine der Phyllis und den beiden audruckvollen Duetten derselben mit Damon, zeichnen sich das Terzett von Phyllis, dem Amtmann und dem Pachter, und das Quartett von diesen Dreien und dem (verborgnen) Damon, durch treffliche Ausarbeitung, Charakteristik, schönen Gesang und eine sehr zweckmäßige, lebendige, aber auch vorsichtige und nicht überladne Instrumentirung vorzüglich aus. Auch die Chöre haben Leben und Kraft. Im ganzen Werkchen bewegt sich alles, Gesang und Harmonie, leicht und frei, ohne Zügellosigkeit. Daß das Interesse manches Zuschauers vielleicht nicht bis ans Ende in gleicher Spannung bleibt, liegt wohl mehr am Dichter und an dieser Gattung der Poesie selbst. die Darstellung war lobenswerth, so wie das Orchester im Ganzen, wie in einzelnen Parthien, seinen alten Ruhm der Trefflichkeit behauptete. Beide Dlle. Zucker (Julie als Phyllis und Emilie als Damon) führten ihre Parthien mit Anmuth und Gefühl aus. Nur wache Mlle. Julie Zucker über sich, daß sie nicht auf den Abweg gerathe, der schon Manchen und Manche durch seinen lockenden Schimmer von der rechten Bahn abgeleitet hat, nämlich: sich der jetzt vorherrschenden Verzierungsucht im Gesange auf Kosten des wahren Ausdrucks und Charakters hinzugeben, besonders in Rollen solcher Art. Nehme die liebenswürdige Künstlerin dies nicht als mürrischen Tadel, sondern als freundlichen Fingerzeig auf das zu Vermeidende. Herr Meyer gab den Pachter, wie der mild freundliche, ruhige Charakter dieser Parthie (ein schwacher Anklang des Vaters in der Schweizerfamilie) es erfordert. Zuweilen könnte er in Spiel und Gesang etwas mehr Lebendigkeit bringen. Herr Toussaint war als Amtmann in Gesang und Spiel vorzüglich

Fr. Uber.

Am 19. Juni. In der Stadt. Maometto. Musica di Winter.

Am 20. Juni. Auf dem Linkeschen Bade. Das Doppelduell, Lustspiel in 5 Aufzügen, von H. Clauren.

Apparat

Verfasst von

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 156 (1. Juli 1819), Bl. 2v

Textkonstitution

  • unleserliche Stelle

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