Aufführungsbesprechung Dresden, Linkesches Bad: „Richard Löwenherz“ von André-Ernest-Modeste Grétry am 6. Juni 1820
Dienstag, am 6. Juni. Auf dem Link. Bade. Richard Löwenherz, Oper in 3 Akten, mit Musik von Gretry. Ueber das Werk selbst bedarf es keiner Worte mehr, da der wahrhaft klassiche Werth desselben, in Hinsicht auf zarte Einfachheit, Innigkeit und Klarheit der Melodie, so wie auch charakteristische und ächt dramatische Wahrheit des Ausdrucks bereits längt anerkannt und festgestellt ist; und wenn auch dieß Werk so manche, durch musikalische Seiltänzerei und den Lärm der türkischen Trommeln und Pfeiffen, verwöhnte Ohren nicht mehr so allgemein anspricht, so liegt dieß wohl nicht im Werk selbst, sondern in der bedeutenden Veränderung (und wirklichen jetzigen Verderbtheit) des Zeitgeschmacks. Daß freilich in harmonischer Hinsicht gar manches zu rügen wäre, wird mir jeder Harmoniker bestätigen; allein bei einem Werke, wie dieß, wo diese Schwächen durch so viele bedeutende Vorzüge überstrahlt werden, kann man wohl hierin ein Auge zudrücken. Muß man jetzt doch bei so manchem der neuesten Produkte, wo alle diese Schwächen ebenfalls in größerem Maße, aber nicht jene Vorzüge walten, gab beide Augen zudrücken. Uebrigens verdient Hr. K. M. v. Weber Lob und Dank, daß er uns dieß Werk in seiner ganzen originalen Einfachheit und Nationalität gab und nicht mit jenen buntfarbigen, widersprechenden Zuthaten (ich möchte sagen: Verbalhornisirungen sit venia verbo) womit es auf manchen andern Theatern dargestellt und dadurch fast all seiner Eigenthümlichkeit beraubt wird.
Die Darstellung auf unsrer Bühne war lobenswerth und zeigte von sinniger Theilnahme und bestem Willen unsers wackern Künstlervereins. Hr. Bergmann sang, als Richard, mit Ausdruck und Zartgefühl, und in Parthieen dieser Art tritt die Biegsamkeit und Annehmlichkeit seiner Stimme besonders in’s helle Licht. Eben so zeichnete Hr. Wilhelmi sich als Blondel durch Innigkeit des Ausdrucks und lebendiges gewandtes Spiel aus, so wie Mad. Haase eine sehr liebenswürdige Fanny war. Auch Mad. Metzner leistete, als Margarethe, nach Kräften alles Gute, doch würde ihre Darstellung durch etwas mehr Lebendigkeit, Kraft und äussere Haltung wohl noch gewinnen. Das Ganze griff gut in einander, und das Orchester führte diese einfache, aber so charakteristische, Musik mit gewohnter Präcision und mit Sinn und Einsicht aus. Noch verdient wohl (in scenischer Hinsicht) die treffliche Anordnung und gute Ausführung der letzten Stürmungscene um so mehr einer ehrenvollen Erwähnung, als gerade diese Scene bei minder einsichtvoller Anordnung und nachlässiger Ausführung sehr häufig in’s Lächerliche geräth, und dadurch allen Eindruck des Ganzen stört. Möge recht bald eine Wiederholung statt finden. […]
Apparat
Zusammenfassung
Chronik der Königlichen Schaubühne zu Dresden, ungezeichnet (lt. Nr. 163 von Fr. Uber)
6. Juni, Bad: Richard Löwenherz, Oper in 3 Akten, mit Musik von Gretry; ungezeichnet
7. Juni, Bad: Prolog, zur Feier des 7. Juni (s. Nr. 135), darauf: Der Tagesbefehl und Der Vorsatz
8. Juni, Stadt: La gazza ladra
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 4, Nr. 146 (20. Juni 1820), Bl. 2v