General Weigl an Caroline Pruckner in Wien
Sonntag, 15. Mai 1870
Hochverehrtes Fräulein!
Umsonst habe ich gehofft, Ihnen heute persönlich Antwort auf Ihr gestern erhaltenes freundliches Schreiben zu bringen. – Bin leider wieder abgehalten worden, u. muß schon zu diesen wenigen Zeilen Zuflucht nehmen, um wenigstens die gewünschte Auskunft zu beschleunigen – was ich um so mehr bedaure, als ich mich gerne selbst von Ihrem Besserbefinden überzeugt hätte.
In der Anlage überreiche ich Ihnen eine Übersicht aller vorhandenen Compositionen meines Vaters, deren Partituren wir‡ von ihm eigenhändig geschrieben, wir von ihm besitzen*. Darunter finden sich keine Verwandlungen u. wird daher diese Operette Webers Eigenthum seyn*.
Bei mir im Hause war großes Spital. – Frau, Sohn – Beide Mädchen, Alles krank, nur meine Wenigkeit blieb verschont. Jetzt sind wir zwar wieder auf den Beinen, | können aber noch mit einem charmanten Hustenquartett aufwarten, in dem alle Stimmen vertreten sind, u. Ihre treu ergebene Schülerinn leider noch recht wacker mitwirkt. Bei so bewandten Umständen können wir wohl noch keinen Singversuch machen, indeß hoffe ich Tag für Tag daß die verdorbene Kehle wieder in Ordnung kömmt, um Ihre freundlichen Bemühungen wieder in Anspruch nehmen zu können*. Bis dahin aber bitte ich, mein sehr verehrtes Fräulein unser Aller herzlichsten Wünsche für Ihr eigenes Wohl, respect. recht baldige Herstellung Ihrer eigenen Gesundheit freundlichst entgegen zu nehmen.
Meine Frau enpfiehlt sich Ihnen einstweilen unbekannter Weise bestens bis sie im Stande seyn wird, das Töchterlein selbst zu begleiten. Letzteres u. meine Wenigkeit empfehlen uns ebenfalls Ihrer freundlichen Erinnerung u hoffen recht bald, uns wieder bei Ihnen melden zu können.
Mit besonderer Hochachtung
Ihr
ergebenster Diener
Weiglmp
15/5 70
Apparat
Zusammenfassung
schickt ihr Liste mit Kompositionen seines Vaters, eine Operette Die Verwandlungen sei nicht dabei; entschuldigt seine Tochter bei ihr im Gesangunterricht, da sie krank sei
Incipit
„Umsonst habe ich gehofft, Ihnen heute persönlich“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler
Überlieferung
Textkonstitution
-
„wir“durchgestrichen
Einzelstellenerläuterung
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„… geschrieben, wir von ihm besitzen“Die ehemalige Beilage ist nicht vorhanden.
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„… diese Operette Webers Eigenthum seyn“In Hamburg und Berlin wurden A. Fischers Verwandlungen (mit zusätzlichen Einlagen) fälschlich unter dem Komponistennamen Weig(e)l aufgeführt, auch die Berliner Partitur (D-B, Mus. ms. 22935) wird einem „Weigel“ zugewiesen, was F. W. Jähns zu einer falschen Hypothese bezüglich der Autorschaft verleitete; vgl. WeGA, Bd. VIII/12, S. 199, 202–204.
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„… in Anspruch nehmen zu können“Eine Tochter des Generals nahm Gesangsunterricht bei C. Pruckner.