Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 5. März 1817

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Am 5. März. Im Gefühle der Verehrung und Liebe überströmend, begrüßte das zahlreich versammelte Publikum heute unsern theuersten König an seinem Namensfeste, so wie er in die Loge trat, mit dem lautesten dreimaligen Jubel, und jedes Herz wünschte heiß die wiederholteste Rückkehr dieses schönen Tages. Dann ward dargestellt:

Renata, romantisches Drama in 5 Akten von Fr. v. Heyden. Wenn der Ausdruck romantisch, die Anhäufung der sonderbarsten Begebenheiten und die Schilderungen von Charakteren bezeichnet, in denen ebenfalls nicht recht vieles zur Einheit kommt, aber desto mehr Mannigfaltiges sich entwickelt, so hat unser Verfasser seiner Aufgabe Genüge geleistet, nur dürfen die Kunstlehrer, die wohl eine andere Deutung dieses Wortes kennen, damit nicht recht zufrieden seyn, und so schien auch unser Publikum im Allgemeinen gestimmt. Wir wollen unsere Leser nicht damit belästigen, ihnen einen Plan des Ganzen der Handlung in diesem Stücke zu entwerfen, denn sie ist so verwickelt, und in die Länge und Breite bis Vater und Großvater des Helden so ausgesponnen, daß wir mehr Seiten, als uns für diese Beurtheilung erlaubt sind, dafür würden verwenden müssen. Ist dies doch eben der zweite und hauptsächlichste Fehler des ganzen Stücks, daß eben nun diese wunderbaren Dinge, nicht etwa sämmtlich vor unsern Augen vorgehen – ob es gleich deren auch genug giebt – nein, in langen Erzählung uns weitläuftig vorgetragen werden. Die erste dieser Art finden wir gleich in der ersten Scene, wo der Wirth einen Ritter, der nachher nicht wieder sichtbar wird, erst aber Bauern prügeln hilft, damit unterhält. Die zweite theilt Clodion seiner Schwester Lila in der zweiten Scene mit, und diese ist wieder sehr ansehnlich lang. Die dritte machen im zweiten Akt Adelheit und Floribert von ihren Kinderjahren, und entdecken dabei ganz sonderbar ein sonderbares Bild, das wieder die sonderbarste Liebe erzeugt, und die sonderbarste Verwickelung in das ganze Stück bringt. Mit der vierten unterhält nun Lila in demselben Akte gegenseitig ihren Bruder, und Heribert will auch schon anfangen, wird aber noch zu rechter Zeit unterbrochen. Im dritten und vierten Akte werden wir nun zwar damit verschont, aber nur damit im fünften Akte das Erzählen nun wieder recht einziehen könne, der ganze Akt ist eigentlich nur Eine große Erzählung. Gleich zu Anfang kommt ein Ritter mit einem grünen Reis und berichtet ausführlich den Gang des Treffens, indem er den siegreichen König anmeldet, und nun mit Heribert’s Worten: „Siegreich hatt’ keinen Sohn“, bringen er und der langweilige Fulco das Stück durch Erzählungen endlich zum Schluß, wo denn nun vollends das Oeffnen der verhängnigßvollen Kapseln auf beiden Seiten, das Lesen der Dokumente und das Verlgeichen der zerbrochenen Ringe dem Gange des Schauspiels alles Leben entziehen, damit nur der ächt juristische Herr Kanzler Desiderus durch alle Arten der Beweisgründe von der Aechtheit Clodions und Lila’s überzeugt werde.

Und doch können wir, trotz dieser strengen Rüge, dem Stücke auf der andern Seite nicht manches Gute absprechen. Es ist unstreitig das erste Werk dieser ¦ Art von einem jungen Dichter, er eilte, wie er in der Zueignung an seine Freunde sagt, es zu vollenden, weil er im Mai 1815 mit den Heeren in den Krieg zog, und so würde er vielleicht manches gebessert und geglättet haben, wenn die Tuba nicht die Töne der Leyer überklungen hätte. Ein inneres blühendes Leben spricht sich in einer Menge Stellen aus, und der Dichter singt in jener Zuneigung selbst:

Und strahlend kommt der Frühling, seinem WehenBekleidet sich mit Grün Flur, Saat und Hayn,Und tausend Blüthen müssen rings entstehen,Und tausend Vögel müssen lustig seyn.Da fühlt der Sänger jede Furcht vergehenUnd seines Busens Harfe klingt so rein,Zuletzt will er, eh’s schwarze Götter (?!) wehren,Den vollsten Nektarkelch der Dichtkunst leeren.

Zu diesem Genusse scheint er sich nun hingesetzt zu haben, seine Freunde und Leser dazu einladend, schlürfend was Gefühl und Laune gab, ohne sich sehr an Regel, Wahrheit und Effekt zu kehren, aber herausdichtend aus jugendlich bewegtem Gemüth, was eben die frohe oder wenigstens innige Stunde gab. Und so wird auch der Leser beim Lesen dieses Drama’s – denn es ist vorm Jahre in Druck erschienen – recht freundlich zu dem Verfasser hingezogen, fühlt sich in dessen Schwärmereien mit verwickelt ehe er es ahnet, und gefällt sich so sehr in manchen Blüthenparthieen dieses Gartens, daß er die Sandwege der breiten Erzählungen vergißt, auf welchen er dahin gelangt ist. Wie denn überhaupt Erzählungen im Lesen ja bei weitem nicht so stören, als auf der Bühne, wo das lebendigste Leben walten und sich alles vor unsern Augen selbst gestalten soll.

So hat gewiß die Pilgerscene im dritten Akte, welche bei der Aufführung recht passend aus der Kirche selbst, wohin sie der Dichter gelegt hatte, vor dieselbe, wo solche Gespräche wohl eher statt finden können, verlegt worden ist, jedem Zuschauer angenehme Bilder vorgeführt, und dasselbe ist ihm ohnstreitig wieder im vierten Akte bei dem Auftreten König Floriberts als Troubadour und Lila’s Ercheinen und Liebegestehen begegnet. Auch ist die Sprache meist wohlklingend und dichterisch erhebend, oder liebend mild.

Uebrigens verwahrt sich der Verf. selbst in der Vorrede davor, daß man keine historischen Gesichtspunkte zur Betrachtung dieses Schauspiels aufsuchen möge. Es enthalte nichts, keinen Zug, keine Zeile, die auf geschichtlichen Boden zurückführen könne, und es heiße in vorliegendem Drama Floribert, König von Burgund, nichts mehr, als Floribert, König im Monde. Dadurch wird nun auch manches wieder, und namentlich des sehr muntern Mond-Königs, allerdings nicht ganz etiquettenmäßige Scene mit der Hofdme Dalinda im dritten Akt entschuldigt.

Die Darstellung selbst war fleißig, und an mehreren Stellen ausgezeichnet, nur schien die Breite des letzten Akts auch nicht ganz vortheilhaft auf die Darsteller zu wirken, die sich aber um so freudiger im Vollgefühl vereinten, da Herr Hellwig, als König Floribert, vortretend, das, „dem Fürsten Heil!“ welches das Stück schließt, auf unsern geliebten König und die Feier seines Tages anwendete, und sich so der Schluß mit dem Anfange vermählte.

Th. Hell.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Renata“ von Fr. v. Heyden am 5. März 1817

Entstehung

vor 14. März 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 63 (14. März 1817), Bl. 2v

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