Wilhelm Wieprecht an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Berlin, Donnerstag, 2. März 1865
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An den Königl: Musikdirector pp Herrn Jähns Hochwohlg. hier.
Mein theurer hochverehrter Freund!
Daß Sie bei Ihrer Autographen-Sammlung bis zu mir, kleinen Musiker — den sogenannten Grobschmidt im instrumentalen Gebiete der edlen Tonkunst — hinunter greifen, schmeichelt mich nicht gering, nur bitte ich Sie herzlichst, mich recht entfernt von den Meistern himmlischer Töne zu placiren, denn sie würden mich armen Wicht, der so manchen Heroen zerzaußt, zerrissen und mit Pauken und Trompeten maltretirt hat, arg bei den Ohren nehmen und zupfen und rupfen, daß ihm Hören und Sehen im Olympe vergehen würde. Bin ich nun mal bestimmt worden, im Reiche der Tonkunst eine Rolle mitzuspielen, nun so tröstet mich doch das Bewußtsein, über alle den tobenden Lärm, den ich mit meiner musikalischen Heerschaar zu machen verdammt gewesen bin, nicht ganz den edlen Zweck der Tonkunst übersehn zu haben. Ich besaß die Mittel, manches klassische Tonwerk vor tausenden von Hörern hinzustellen, und habe es nicht gescheut, solche für meine Instrumentalmassen zu übertragen und sie hierdurch populär zu machen.
Über meine Klinge mußten alle großen Meister springen und sich vor Schneider, – Schuster- und Handschuh-Macher hinstellen lassen. Leute, die vor 25 Jahren im Hofjäger* diese Meisterwerke alle durch klingendes Spiel der Militairmusik hörten, lernten sie kennen, lieben, verehren und wandern nun dahin, wo man diese großen Tonschöpfung[en] im Original zu hören bekommt.
Wenn man mein Autograph noch nach vielen, vielen Jahren sehn wird, wird man sich kaum denken können, daß ich die Beethovenschen Sinfonien im Jahre 1840 bis 1850 mit hunderten von Blaseinstrumenten, unter Gottes freiem Himmel, zur Aufführung gebracht habe*. Das ist die Größe der Preußischen Militairmusik, daß sie nicht blos für den Zweck des Kriegsdienstes, sondern auch zur musikalischen Volksbildung wesentlich beigetragen hat, und so bin ich denn auch in meinem kolossalen tonkünstlerischen Wirken der holden Muse im feineren Sinne treu geblieben. Das mein theurer Freund,! mögen Sie der Nachwelt sagen und scheue mich deshalb nicht, auch mein Autograph in diesem Schreiben, Ihrer Sammlung beigefügt zu sehn.
In alter Liebe und Verehrung zeichnet sich als
Ihrem
Freund
W. Wieprecht.
Director der gesammten
Musikchöre des Garde Corps pp
Berlin den 2t März
1865.
Apparat
Zusammenfassung
schreibt ihm diesen Brief für die Autographensammlung von J., jener hatte ihn darum gebeten
Incipit
„Daß Sie bei Ihrer Autographen-Sammlung“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. Wieprecht, F. W. 14Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (3 b. S. o. Adr.)
Dazugehörige Textwiedergaben
-
(Auszug in:) Allihn, Ingeborg, „...über meine Klinge mußten alle großen Meister springen....“ Militärmusik und musikalische Volksbildung - Carl Maria von Webers Oberon-Ouvertüre im Arrangement für Militärmusik von Wilhelm Friedrich Wieprecht, in: Festschrift Christoph-Hellmut Mahling zum 65. Geburtstag. Hg. von Axel Beer, Kristina Pfarr, Wolfgang Ruf, Tutzing: H. Schneider, Bd. 1,1997, S. 14–16
-
Wilhelm Wieprecht (1802–1872). Korrespondenz, Schriften und Dokumente zu Leben und Wirken, hg. von Achim Hofer, Lucia Schiwietz, Würzburg 2020, S. 171f.
Einzelstellenerläuterung
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„… Himmel, zur Aufführung gebracht habe“Vgl. Allgemeine musikalische Zeitung, Bd. 43, Nr. 26 (30. Juni 1841), Sp. 514: „Am 7. Mai hatte der Musikdirektor Wieprecht im Hofjäger-Etablissement des Thiergartens ein Militärkonzert zu wohlthätigem Zweck veranstaltet, welches bei dem schönen Wetter von mindestens 5000 Personen im Freien besucht, und durch Ausführung der C moll Sinfonie von Beethoven, für Infanterie- und Kavalleriemusik von Wieprecht eingerichtet, ausgezeichnet war.“