Paul Müller an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Berlin, Freitag, 21. Dezember 1877
Hochverehrter Herr Professor,
Nach reiflicherer Überlegung habe ich doch eingesehen, daß die Weberschen Cadenzen einen bedeutend höheren Werth haben, als ich erst glaubte, besonders die zweite, für deren Echtheit als Manuscripts Webers doch verschiedne Gründe sprechen*. Ich habe mich deßhalb entschlossen, dieselben zu verkaufen und den Erlös zu meinen Studien zu verwenden, und bitte Sie ganz ergebenst um die große Gefälligkeit, mich von dem Werthe der Cadenzen besonders der zweiten, zu unterrichten. Würde derselbe nicht bedeutend sinken, wenn schon Copien vorhanden wären? Die Ihrigen sind noch immer beim Copisten, der jetzt sehr viel zu thun hat. Falls Sie die Cadenzen kaufen wollen, sind Sie natürlich der erste, dem ich sie überlasse*. Da ich morgen zu den Ferien nach Hause reise, bitte ich, einen gütigen Brief an mich per adr. Frau Dr. Müller. Eberswalde. Eisenbahnstrasse 57 zu senden.
Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster Paul Müller.
Apparat
Zusammenfassung
bietet J. angeblich autographe Cadenzen Webers zum Kauf an
Incipit
„Nach reiflicherer Überlegung habe ich“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Einzelstellenerläuterung
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„… Webers doch verschiedne Gründe sprechen“Die zwei Kadenzen zum ersten Klavierkonzert Webers, notiert von unbekannter Hand (nicht, wie von Müller vermutet, von Weber geschrieben), stammten aus dem Nachlass des Geheimen Justizrats Prof. Ludwig E. Heydemann (1805–1874) und waren 1877 im Besitz des Studenten Paul Müller. Jähns ordnete sie im Nachtrag zu seinem Werkverzeichnis unter die zweifelhaften Kompositionen ein (als Nr. 103A); vgl. Weberiana 8, S. 70–72.
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„… erste, dem ich sie überlasse“In der Sammlung Weberiana von Jähns finden sich nachfolgend angefertigte Abschriften beider Kadenzen: D-B, Weberiana Cl. IV B [Mappe XVII], Nr. 1362 c, d (beiliegend Jähns’ Expertise unter Nr. 1362 b). Eines der beiden von Müller angebotenen Manuskripte (die erste der genannten Kadenzen) gelangte auf anderem Weg in die Berliner Staatsbibliothek (D-B, Mus. ms. 22757/5); der Verbleib des Manuskripts der zweiten Kadenz ist unbekannt.