Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 6. Februar 1817

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Am 6. Februar. Zum Erstenmale; Der Rothmantel. Volksmährchen von Musäus, für die Bühne bearbeitet in 4 Akten von Kotzebue.

Es ist nicht zu verkennen, daß auf jeder Bühne für dieses Stück ein höchst geschickter Künstler gehört, ein Künstler, dem hier Raum gegeben wird, ein seltnes Talent zu entwickeln, und der in der passenden und ansprechenden Lösung der Aufgabe die ihm hier vorgelegt wird, sich hohen Ruhm erwerben kann, und dieser Künstler – ist der Haarkräusler des Theaters. Denn keine kleine Aufgabe ist es, den Knebelbart und die langen Locken Melchersons von Bremen, und nun gar den dicken, wirren Bart, und die krausen Haupthaare des gespenstischen Barbiers so zu bearbeiten, daß sie erst festhalten, und dann unter dem mystischen Scheermesser geschickt abfallen, der drei Schmarutzer Glatzköpfe zu geschweigen, welche bequem im Rebenstübchen barbiert werden können. Nachdem dieses Hauptrequisit gefunden ist, werden sich die andern Aufgaben im Stücke leichter lösen lassen. Bei der heutigen Vorstellung ging denn diese Barbierscene recht gut von statten, sollen wir aber aufrichtig sprechen, so wünschten wir vielmehr, daß diese ganze Handlung nur im dritten Akte von Melcherson erzählt, aber nicht vor unser leibliches Auge gebracht würde, welches durchaus keinen Wohlgefallen daran haben, und die ernste Nachrede des geschornen Barbiers, so geistermäßig sie auch Herr Hellwig sprach und so sehr wir ihm Dank wissen, daß er diese kleine Rolle übernahm, nach dem Vorgegangenen doch nicht ohne Lächeln mit anhören kann.

Es war eine recht glückliche Idee des genialen Kotzebue seinen alten Freund und Lehrer Musäus wieder einmal durchzulesen, und eine von dessen höchst gemüthvollen Dichtungen auf der Bühne heimisch zu machen, aber Kotzebue hätte viele andere ¦ Mährchen wählen können, die sich ohnstreitig besser zu einer dramatischen Bearbeitung geeignet hätten, als dieses. Wollte er aber dieses nun einmal ergreifen, so mußte es wohl in 3 Akte verkürzt, manche unnöthige Scene gestrichen, und besonders das gespenstische wirklich heimlich, aber nicht burlesk gehalten werden. Die ersten beiden Akte des Stücks, bis zum Eintritt des Barbiers sind daher auch recht unterhaltend und ergötzlich, nun stört aber diese Scene, und dann dehnt sich das Stück noch in 2 Akten viel zu lang aus, da es mit Einem viel besser abgethan wäre. Auch ist die liebliche Meta, wie sie uns Musäus schildert, zu sehr vernachläßigt. Welche zarte Intrigue hätte sich aus diesem Verhältnisse im Krämergäßchen nicht herauspinnen lassen, und welche köstliche Faden liegen dazu in dem Volksmährchen selbst bereit. Daß der Dialog an vielen Orten sehr witzige Stellen hat, wie man es an dem berühmten Verfasser so gern gewohnt ist, zwanglos und natürlich dahin gleitet, daß viele Anspielungen und Vergleiche komisch züchtigen und in lächelnde Satyrs sich gestalten, ist nicht zu läugnen, und so unterhält das Stück einen Abend wohl.

Die Darstellung, freilich keine der schwierigern, war recht gelungen. Die Hauptrolle des Melcherson ward von Herrn Julius sehr wacker gegeben, er war ein lebenslustiger junger Mann des funfzehnten Jahrhunderts, nicht der neuern Zeit, und diesen Unterschied wußte der Darsteller sehr gut herauszuheben. Der Unfall zwischen dem 2ten und 3ten Akte war umso störender, da wir beim ersten Aufziehn des Vorhangs das Bett leer sahen, und beim zweiten den Melcherson im dreitägigen Schlafe darinn erblickten. Uns bedünkt, dies sei leicht dadurch zu vermeiden gewesen, wenn Melcherson halb schlaftrunken aus dem Nebenzimmer hereingekommen wäre, daß er eben erwacht sei, mit zwei Worten bemerkt, und nun dem Wirthe auf wiederholtes Pochen geöffnet habe.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Der Rothmantel“ von August von Kotzebue am 6. Februar. 1817

Entstehung

vor 13. Februar 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 38 (13. Februar 1817), Bl. 2v

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