Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 31. Juli 1817
Am 31. Juli. Auf dem Linkeschen Bade. Der Verschwiegene wider Willen. Lustspiel in 1. Akt von Kotzebue.
Hierauf spielte Herr Carl Blum aus Berlin ein Potpouri für die Guitarre mit ungemein fertiger und zarter Behandlung dieses Instruments und allgemeinem Beifall. Weniger gelungen war der Vortrag einiger deutscher Gesänge, die er nachher zu demselben Instrumente sang, und wobei ihm weder Schönheit des Tons noch Vollendung des Vortrags unterstützte, auch ein kleiner organischer Sprachfehler im Wege zu stehen schien. Doch fanden sich die Anwesenden angenehm unterhalten.
Den Beschluß machte die erste Vorstellung eines Lustspiels von Klähr, in zwei Akten: Das Wachs=Cabinet genannt. Es ist im Druck erschienen, und der Verf. hat es da selbst so geheißen, wir würden es aber aus eigner Machtvollkommenheit richtiger getauft haben. Ein Wachs=Cabinet kann der Natur der Sprache nach nichts anders seyn, als ein Cabinet, welches entweder aus Wachs geformt ist, nach der Analogie von Spiegel=Zimmer u. s. w., oder allenfalls noch, wo verschiedene Arten von Wachs aufbewahrt werden, wie z.B. eine Aepfel=Kammer. Aber kein guter Deutscher wird glauben können, daß darunter ein Cabinet gemeint sey, wo Figuren aus Wachs aufgestellt werden, sonst würde man ja auch sagen müssen: ein Natur=Cabinet, statt Naturalien=Cabinet, und eine Siegellack=Sammlung wäre mit einer Siegel=Sammlung ganz einerlei. Um also Herrn Klähr’s Grammatik zu retten, nenne man dieses Stück künftig lieber: Die Wachs=Figuren.
Was man nun von dem Stücke selbst sagen ¦ soll? Je nun, eben nicht das Uebelste. Es hat eine gewisse Lebendigkeit, welche nicht selten unterhält, und der Einfall, lebende Personen als Wachsfiguren sich irgendwo darstellen und dadurch ein artige Intrigue hervorbringen zu lassen, ist, wenn auch nicht überhaupt neu – da ihn der geniale Schilling in einer Erzählung bereits trefflich aufgestellt hat – doch wenigstens, so viel wir uns erinnern, für das Theater noch nicht benutzt. Daß dieses nun viel besser, und nicht mit so völliger Aufgebung aller Wahrscheinlichkeit, wie es besonders in der Scene der Fall ist, wo Fräulein Adelheid den langen Monolog in Gegenwart ihres vermeintlichen nur wächsernen Geliebten, und dann eine eben so lange Anrede an ihn selbst hält, hätte geschehen können, bezweifeln wir gar nicht, aber sechs artige Mädchen, die sich gewandt und graziös auf dem Theater bewegen, und sechs junge Männer, welche dieselbe Aufgabe haben, geben dem Ganzen eine solche Lebendigkeit, und führen so verschiedene Gruppen vor den Augen vorüber, daß man nicht recht zur ernstlichen Ueberlegung kommen kann, und dadurch manches Fehlerhafte übersieht.
Die Darstellung war gut zu nennen, und da Herr Kanow als Graf Biedersee ja auch nur ein verstellter Jude seyn soll, so war ihm wohl zu verzeihn, daß er das jüdische Deutsch nicht täuschend nachzuahmen wußte. Den Spaß vermehrte es, daß in der Raschheit des Spiels die sechs Liebhaber ihre sechs Geliebten nicht allemal gleich genau zu unterscheiden wußten, und sich, wie es schien, ohne Groll ins Gehege kamen. Es war wohl nicht recht, daß Eine gebierende Stimme im Parterre gleich den Beifall in der Geburt erstickte, der diese Kleinigkeit über dem reißenden Strome der Zeit wenigstens für einige Zeit zu erhalten veruschte.
Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbericht Dresden, Linkesches Bad: „Der verschwiegene wider Willen“ von August Friedrich Ferdinand von Kotzebue am 31. Juli 1817
Entstehung
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Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Veit
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 192 (12. August 1817), Bl. 2v