Aufführungsbesprechung München: „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber am 5. Mai 1822

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Tagebuch der Münchner-Bühnen *). Mai 1822

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Den 5. k. Hoftheater: "der Freischütze," von Weber. Das ganze kunstliebende Publikum Münchens sah mit gespannter Erwartung der Aufführung dieses Werkes entgegen, welches durch seine Nationalität als ein Glanzpunkt in der Geschichte deutscher Musik ewig dastehen wird, und um so mehr als ein merkwürdiges Ereigniß unserer Zeit zu achten ist, als dadurch die gänzlich verlassene Bahn ächter deutscher Musik wieder neu und schön eröffnet wurde. Ja, dieser Freischütze hat getroffen, den einzig wahren Mittelpunkt aller Kunst, das Herz; er hat die Gemüther mit unwiderstehlichem Zauber ergriffen, er ist ein deutsches Nationaleigenthum | geworden, und hat zum muthvollen Kampfe für die unumschränkte Freiheit der deutschen Genialität nach langer Zeit den ersten und kräftigsten Impuls dargeboten. Referent kann sich nur mit Mühe enthalten, genauer über dieses Produkt zu sprechen, aber die Nothwendigkeit erfordert es, theils um seine Ansichten darüber nicht zu wiederholen, theils weil der erste Bericht dieses Tagebuchs ohnehin zu lange werden dürfte. Die Aufführung selbst ging glücklich von Statten und einzelne kleine Fehler wurden durch die rühmliche Sorgfalt der Direktion bei den Wiederholungen so viel als möglich verbessert*. Ein wahrer Solitair in diesem kostbaren Schmucke war Mad. Vespermann als Agathe, Zartheit und inniges Gefühl im Vortrage, Kraft und Hoheit im Gesange bildeten sich zu einem so harmonischen Ganzen, daß Ref. über ihre Darstellung ganz entzückt, die Krone aller deutschen Agathen in ihr zu bewundern glaubte. Die Rolle des Max wurde abwechslungsweise von den Herren Mittermayer und Löhle gegeben. Der letztere, dem man sie ursprünglich bestimmt hatte, sang wohl sehr gut, doch sein Spiel ließ Alles zu wünschen übrig. Bei Ankündigung der nächsten Wiederholung erkrankte dieser Sänger, und Herr Mittermayer soll die Rolle des Max in zwei Tagen einstudiert haben, was wirklich zu preisen ist, wenn wir bedenken, daß er sie in allen Theilen sehr gelungen durchführte. Als ganz vorzüglich muß die Arrangirung der grauenvollen Wolfschlucht mit allen ihren phantasmagorischen Erscheinungen genannt werden, wo wir mit Entsetzen das Walten wilder dämonischer Kräfte in den furchtbarsten Bildern sich vor uns entwickeln sahen. Das Publikum bewies der königl. Intendanz durch stürmischen Beifallruf seine hohe Zufriedenheit für diesen seltenen Genuß. Auch die Costüme waren zeitgemäß und schön, und machen dem Garderobemeister mehr Ehre, als ein so unangemessenes Lob, wie es ihm vor kurzem in der „Abendzeitung“ zu Theile ward […].

[Originale Fußnoten]

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Ran Mo

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens, Jg. 15, Nr. 72 (15. Juni 1822), S. 287f.

    Einzelstellenerläuterung

    • „… so viel als möglich verbessert“Nach der Münchner Erstaufführung der Oper (15. April 1822) und drei Wiederholungen (16., 28., 30. April) fand am 5. Mai bereits die fünfte Aufführung in diesem Theater statt.

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