Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: „Das Haus Barcellona“ von Rudolph vom Berge, 10. Dezember 1815 (Teil 1 von 3)
Theater.
Prag. – Den 10. Dec.: Das Haus Barcellona, Trauerspiel in 5 Aufzügen von Rudolph am Berge. Eine höchst erfreuliche Erscheinung am tragischen Horizonte, und so gediegen und in sich vollendet, daß man mit Recht behaupten kann, ¦ es sey seit Schiller das erste classische Trauerspiel und selbst der Schuld, trotz ihrer wunderschönen Form, weit vorzuziehen. Der Inhalt ist folgender: Graf Julian von Barcellona hatte zwey Söhne, Garcias und Alfons. Von dem ältern weissagte ihm ein sternkundiger Araber, daß durch ihn seinem Stamme und dem Lande Schreckliches bevorstehe; er werde die Grafschaft fremder Herr|schaft unterwerfen, dem Bruder Schmach und Untergang bereiten und am Ende in Raserey das eigene Blut verderben. Diese Prophezeihung raubte Garcias des Vaters Herz, und zitternd sah das Volk auf seinen künftigen Herrn. So wurde Garcias zwar tapfer und kräftig, aber finster und in sich verschlossen, und sein Volk lernte seinen hohen Geist nie schätzen, erkannte nicht die Verdienste, die er sich durch seine Siege über die Ungläubigen erwarb, so daß ihm Garcias Rache schwur, wenn er einst zur Herrschaft gelangen werde. Er vermählte sich gegen den Willen seines Vaters mit Rosamunden, der Tochter seines Freundes, des armen Ritter Alvaro, und als Julian sein Ende nahen fühlte, versammelte er die Ältesten von Barcellona an seinem Lager, und erklärte feyerlich, daß er den jüngern Sohn zum Nachfolger wählte. Mit lautem Jubel nahm das Volk diese Nachricht auf; doch Garcias war auf diesen Fall schon vorbereitet, bemächtigte sich der Burg und nahm darin die Brüder und die Ältesten des Landes gefangen, dann betrat er die Zinnen des Schlosses und zwang die Stadt zum Huldigungseid. Blut floß seinem langgenährten Groll zur Rache, und Tausende entflohen; unter ihnen war auch Alfons, der sich nun an die Spitze seines Volkes stellte und gerüstet gegen seinen Bruder zog; doch ward er vom Garcias besiegt, bis man ihm endlich zur List rieth. Mörder schlichen sich in die Stadt, während man zum Schein einen Vergleich zu schließen versuchte, und alle Freunde Garcias zu einem Nachtmahl eingeladen wurden. Der Wein ward mit schlafmachenden Mitteln verfälscht, und als sie taumelnd zu Boden sanken, drang eine vermummte Schar in den Saal und ermordete alle. Ein anderer Haufe‡ überfiel das gräfliche Schloß, wo Garcias mit Alvaro an dem Bette seiner eben erst genesenen Gemahlinn saß, und seine Kinder spielten um ihn her. Wildes Getöse erfüllte alsbald das Vorgemach, die Männer griffen zu den Schwertern, doch zu spät; sie mußten der Übermacht weichen, und Garcias floh mit einem Knaben, sein Weib und die übrigen Kleinen dem Schwiegervater empfehlend. Zwey Knaden‡ wurden getödtet und die kleine Tochter hinweggetragen. Alvaro fand Gelegenheit, mit Rosamunden zu entfliehen, und trug sie auf seinen Armen ins Gebirge, wo eine Felsenhöhle sie aufnahm. Am andern Morgen ging er verkleidet in die Stadt und sah Alfons als Herrscher und einen verstümmelten Leichnam, den das Volk für Garcias hielt und sein blutendes Haupt mit dem Ruf: Fluch über Garcias und sein Geschlecht! auf einer Stange herumtrug. Rosamunde konnte diese Nachricht nicht überleben und verschied in den Armen ihres Vaters, der ihr ein Grab grub, und sich vornahm, in dieser Felsenhöhle sein Leben zu beschließen.
Mittlerweile war Garcias mit seinem Sohne durch einen Sprung aus dem fenster glücklich entkommen und fand auf seiner Flucht den einzigen Sohn seines Bruders mit seiner Amme am Ufer des Meeres; er raubte das Kind und stieß das Weib in’s Meer, und als die Wellen ihren Leichnam auswarfen, glaubte man allgemein, das Kind habe ebenfalls da den Tod gefunden. Garcias Sohn starb auf der Reise und der Rachevolle beschloß, den Sohn seines Bruders zum Werkzeug der Vergeltung zu erziehen. Er lebte mit ihm als Einsiedler in den Pyrenäen, erzog ihn hart und streng, lehrte ihn früh die Waffen kennen und sich immerfort der Jagd widmen, um seine Kräfte auszubilden. Dagegen erzog der kinderlose Alfons, welcher herzlich bereute, seinen Bruder in den Tod gejagt zu haben, dessen einzige Tochter, damit sie dereinst jenseits die Blutschuld sühnen und ihm die Verzeihung des getödteten Bruders erwerben möge. Emanuel war in den Wäldern der Pyrenäen zum kräftigen Jüngling, Clara an dem Hofe ihres Vaters zur schönen, blühenden Jungfrau erwachsen, als Garcias beschloß, seiner ¦ Rache Ausführung zu verleihen und zugleich König Roderich von Arragon erfuhr, Clara sey nicht die Tochter des Grafen von Barcellona. Er machte Anspruch auf die Grafschaft und fällt mit seinem Heere darin ein; schon nahte er siegreich der Hauptstadt, als die schöne Clara, um ihren vermeinten Vater zu retten, sich in das Gewühl der Schlacht stürzt. Ein Blick auf sie war hinreichend, um sein Herz zu rühren, und er erbittet von Alfons ihre Hand als Preis der Versöhnung, und erhält Claras Versprechen. Bey Anfang des Stückes ist dieser Friede bereits abgeschlossen. Clara hat sich zum Opfer für ihr Vaterland geweiht, fühlt aber zu sehr, wie unmöglich sie mit diesem Manne glücklich werden kann, daß sie nur in wilder Jagdluft einige Zerstreuung findet. Garcias und Emanuel, als Pilger gekleidet, kommen zu der Felsenhöhle, welche Alvaro bewohnt, als plötzlich Angstgeschrey an ihre Ohren schlägt. Emanuel eilt der Stimme nach und errettet Clara, die von einem angeschossenen Eber verfolgt wurde; er bringt das ohnmächtige Mädchen auf die Bühne, und während er zu einer nahen Quelle eilt, um Wasser zu ihrer Labung zu hohlen, erkennt Garcias das Bild seines Bruders, das Clara an einer goldenen Kette trägt. Emanuel, der von Clara’s Liebreitz hingerissen, kommt zurück, wird aber vom Garcias mit Gewalt fortgeführt. In Todesangst kommt Alfons, sucht und findet das gerettete Mädchen, und gibt, als sie ihm ihre wunderbare Rettung erzählt, Befehl, den Jüngling überall aufzusuchen. Die Gesandten des Königs von Arragonien werden gemeldet und Alfons und Clara kehren nach Barcellona zurück, um sich zu erhohlen. Als sich alle fortbegeben, kommt Alvaro aus der Höhle; auch Garcias kommt mit Emanuel zurück, und beyde Freunde erkennen sich und theilen einander ihre Schicksale mit. Als Garcias Rosamundens Tod erfährt, geräth er in doppelte Wuth, ruft Emanuel und läßt ihn auf ihrem Grabe den Eid ablegen, sie zu rächen.
Zweyter Aufzug. Clara vertraut ihrer Freundinn Laura den Abscheu, den sie vor Roderich hat, doch will sie selben nicht dem Vater entdecken, damit nicht neuer Krieg die Grafschaft überschwemme. Alvaro, als Einsiedler, kommt und verräth ihr Emanuels Liebe; auch Clara verräth ihr Herz. Alvaro entfernt sich bey Alfonsens Ankunft, der, mit banger Ahnung von Clara Abschied zu nehmen und sie abzuhohlen kommt, um sie dem Könige als Braut zuzuführen. Clara entfernt sich, und Gonsalvo, der Vertraute des Grafen von Barcellona, meldet ihm, daß ein Gerücht sich verbreite, Garcias lebe noch und Alvaro sey in der Nähe gesehen worden. Alfons erinnert sich eines dreymahligen Traumgesichts, welches ihm Garcias, mit einem Dolche drohend, und seine Gemahlinn mit dem frühgeraubten Knaben gezeigt hatte. Düstere Ahnungen werden durch die Nachricht von Roderichs Ankunft unterbrochen. Nachdem sich Alfons entfernt, um den König von Arragon zu empfangen, kommt Garcias mit Emanuel und nach ihnen Alvaro. Des Jünglings Liebe zu Clara offenbart sich immer mehr, je schwärzere Racheplane‡ das Gemüth seines vermeinten Vaters brütet. Alvaro sucht ihn zu besänftigen, und macht endlich den Vorschlag, Emanuel soll sich dem Grafen von Barcellona als Neffen zu erkennen geben und um die schöne Base werben. Nach einigem Widerstreben überlegt Garcias, daß die Liebe Emanuels all seinen Planen‡ im Wege stehen werde, und ergibt sich scheinbar, weil er hofft, auf diese Art sich gewiß zu rächen. Die beyden Alten entfernen sich und Emanuel trifft mit Clara zusammen, deren zärtliches Gefühl ihm Alvaro schon verrathen hat. Er bestürmt die Geängstete und schwört, sie zu retten und Roderich zu entreissen.
(Die Fortsetzung folgt.)
Apparat
Zusammenfassung
Teil 1 von 3
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Überlieferung
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Textzeuge: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 21 (17. Februar 1816), S. 85f.