Bericht über Erscheinung und Aufführung Friedrich Kinds „Weinberg an der Elbe“, mit Musik von Carl Maria von Weber, 1818

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Korrespondenz und Notizen.

Aus Dresden, im Februar.

Abermals sah Referent Moreto’s Diana auf der hiesigen Bühne aufführen, und glaubt sich genöthigt, trotz der wider seine Meinung in der No. 251. d. J. 1817. der Zeit. f. d. eleg. Welt gerichteten Aeußerung, bei seiner früher aufgestellten Beurtheilung stehen zu bleiben.

Neuigkeit auf unserer Bühne war: Das Nachtlager in Granada, Schauspiel in zwei Akten von Friedrich Kind.Gabriele, die naive Tochter eines rauhen Gebirgshirten, hat ein zartes Einverständniß mit dem jungen Gomez, den sie dem lasterhaften Vasco in ihres Vaters Diensten vorzieht. Sie klagt mit gleicher idyllischen Zärtlichkeit um ihre hoffnungslose Liebe, und um den Verlust eines geliebten Täubchens. Der entschlossenere Gomez eilt alle Mittel zum Erwerbe seines Liebchens anzuwenden. Mittlerweile naht sich ein in der rauhen Feksgegend verirrter Jäger mit dem verlorenen Täubchen. Die Rückgabe des geliebten Vogels und die erzählte Geschichee der wunderähnlichen Rettung desselben nähert ihn der Hirtentochter, die ihn dafür labt und mit ihrer Liebe zu Gomez bekannt macht. Der Jäger, dessen hohes Wesen einen vornehmen Stand ahnen läßt, heischt ein Nachtlager, das ihm von der heitern Dirne zugestanden, von dem zurückkehrenden Hirten aber erst nach roher unfreundlicher Verweigerung eingeräumt wird. Des Jägers reiches Ansehen reitzt die Hirten zu einem Mordanschlage, der während des Zwischenaktes zur Reife gediehen, im zweiten Aufzuge ausgeführt werden soll. In einem halbverfallenen Saale des in Ruinen liegenden Schlosses, woran die niedere Hirtenwohnung stößt, übergibt sich der ermattete Jäger den Armen des Schlafes. Ein feines Liedchen, worin die kunstgewandte Hirtin es selbst an dem schwereren Triller nicht ermangeln läßt, warnet den Jäger, der hierauf mörderisch von den Hirten überfallen, sich vergebens als den Landesherrn (Kaiser Maximilian) zu erkennen gibt, sodann aber mit besserem Erfolge mit dem ihm einzig von seinen Waffen zurückgebliebenen Schwerte tapfer vertheidigt, und die Mörder theils verwundet, thels tödtet. Der herzugerufene Alkalde nimmt, streng seine Pflicht befolgend, dem Fürsten das Schwert ab, der durch Hornesruf Zeugen seiner souverainen Würde um sich versammelt. Auf Windesflügeln nämlich eilen seine Jagdgefährten aus dem umliegenden Forste herbei, und langen, fast ehe noch des Hornes Ton verklungen, glücklich an. Der Fürst wird nun von den herbeigeeilten Hofleuten und dem Landvolke erkannt. Auch Gomez ist dabei thätig gewesen, und hofft von des Fürsten Gnade die Bestätigung seiner Ehe mit Gabriele. Dieser schwankt, von dem Wunsche getrieben, das herrliche Landmädchen selbst zu besitzen; allein ein ihm, wie unseren meisten jetzigen Theater-Helden, als warnender Engel am Scheidewege beigegebener deutscher Ritter bringt ihn zur Erkenntniß zurück, und mit reichem Segen wird das Bündniß der beiden Liebenden geknüpft. – – Mit Bedauern mußte man wahrnehmen, wie der Dichter hier abermals durch Theilung des Interesses der dramatischen Wirkung entgegengearbeitet habe. Das gelungenste, was bisher seiner Feder entquollen ist, gehört der erzählenden Dichtung an, und fast möchten wir bezweifeln, ob ihm das Dramatische überhaupt gelingen werde, da ihm jene Einheit und Tiefe des Auffassens, das Hauptbedingniß in der, nicht bildlichen, sondern plastischen Darstellung menschlicher Verhältnisse und Handlungen, abzugehen scheint. Der Styl der Dichtung ist hier, wie gewöhnlich, fließend, nur vielleicht durch gedrängtes Wiederkehren des Reimes etwas gehärtet. – Mad. Schirmer spielte die heitere Gabriele mit bestechender Naivetät, von welcher nichts zu wünschen war, als daß sie mit etwas weniger eckigen Bewegungen, unter andern auch mit etwas wenigerer Vorbeugung des Untertheils ihres Körpers (ein Fehler, in den Mad. Sch. oft verfällt) hätte gepaart seyn mö¦gen. Die Verse sprach sie fast noch härter als gewöhnlich: hingegen sprechen wir sie von dem Vorwurfe des vorhin, als aus der Kehle einer jungen Hirtin befremdend, gerügten Trillers völlig frei, da sie mit der Sängerin jener von ihr ausgehen sollenden Strophen doch nur theatralisch identisch war. – Hrn[.] Hellwig, der Jäger, dessen Studium für das Kostüme wiederholt gelobt werden muß, hätte man wohl mit Recht von seinem Gedächtnisse etwas besser unterstützt wünschen dürfen, da seine Rede zuweilen durchaus nur das verstärkte Echo der aus des Souffleurs Lungen herauftönenden Worte schien. – – Die Dekorationen waren mit Fleiß und Geschmack gefertigt, nur möchte wohl das, einen der entfernt stehenden Felsen bis an den Fuß beleuchtende Abenroth übel berechnet gewesen seyn. Das Innere der Schloßruinen im zweiten Aufzuge war malerisch, und nur das oberhalb angebrachte Gebälk zu tadeln, welches an einem verfallenen Gebäude kaum als erhalten gedacht werden kann. Bei etwas mehr Ueberlegung würde man endlich wohl auch die sich vor dem Monde vorüberziehende Wolke nicht über den auf den Vorhang des Hintergrundes gemalten Schloßpfeiler haben weggehen lassen.

[…]

K.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Jakob, Charlene

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für die elegante Welt, Jg. 18 (1818), Nr. 46, Sp. 367–368

    Einzelstellenerläuterung

    • Feksgegendrecte „Felsgegend“.
    • Geschicheerecte „Geschichte“.
    • thelsrecte „theils“.

      XML

      Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
      so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.