Aufführungsbesprechung Mainz: „Oberon“ von Carl Maria von Weber am 17. Dezember 1829

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Mainzer Theater.

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Am 17. Dez. Oberon, König der Elfen, romantische Feen-Oper, in 3 Akten nach dem englischen Originale von J. R. Planché, deutsch bearbeitet von Th. Hell, Musik von C. M. von Weber. Dieser Schwanengesang des auf fremdem Boden der Kunst zu früh entrissenen genialen Tonsetzers, ist ein Spiegel des Körper- und Seelenzustandes des Verfassers bei der Conception dieses Werkes: große Ideenmassen, Lichtfunken von Genialität durchschimmern die ganze colossale Anlage desselben; sie entfalten sich in einzelnen Nummern auf das glänzendste; andere werden aber paralysirt durch manches Unausgearbeitete oder in einer verschiedenen Stimmung hervorgebracht, wobei man die theoretische Tiefe wohl bewundert, aber Zusammenhang, Fluß und ansprechende Melodie vermißt; ein geistiges Ringen mit körperlicher Gebrechlichkeit ist sichtbar. Vieles hat der englische Dichter verschuldet; vieles ist auf eine fremde Nation berechnet; wohl fühlte Weber dieses selbst, und hatte die Absicht, eine eigene Bearbeitung des Oberon für deutsche Bühnen zu machen*. Der Jüngling mit der umgestürzten Fackel führte ihn vor Ausführung dieses Planes in eine bessere Welt. Außerdem erfordert die Darstellung dieses Kunstwerks außerordentlich viel äußern Glanz, Dekorationen und Maschinerie, so wie auch die Musik desselben durchaus schwierig und nicht so leicht gehalten ist, wie man bei gewöhnlichen Feenopern, die für Volks- und Gassenstücke gelten, gewohnt ist, so daß zum gänzlichen Gelingen dieses Werkes, außer dem Gesangten, ein Ballet und ganz besonders vorzügliche Sänger, Sängerinnen, gute Chöre und ein großes kunstreiches Orchester gehört. Diese Forderungen bei unserer Bühne zu machen, kann wohl Niemand einfallen; ¦ aber unbillig wäre es, selbst unter den gegebenen Verhältnissen, das geleistete Gute nicht dankbar anzuerkennen; man that daher wohl, den Krönungszug, das Ballet und so manche überflüssige Maschinerie (worunter wir aber doch nicht eine in diesem Kunstwerk zur Illusionsbeförderung nöthige Flugmaschine für den Elfenkönig verstehen, damit dieser nicht wie ein gewöhnlicher Erdenmensch zu erscheinen und abzugehen brauchte) wegzulassen, um desto mehr Fleiß und Achtsamkeit auf das Wesenlichere des Kunstwerks selbst verwenden zu können. Dieß geschah denn auch auf eine sehr löbliche Weise; zwar nicht sowohl in der obligaten Besetzung der einzelnen Rollen, (denn diese betreffend, so ist, mit lebhafter Anerkennung des Fleißes und Strebens der betreffenden Personen, diese hohe, schwierige Kunstaufgabe ihnen allen fast nicht angemessen) als in Rücksicht auf die Chöre und das Orchester und diese Erscheinung freute uns mehr, als das Daseyn eines einzelnen guten Sängers oder Sängerin: denn, will man die Oper von Grund aus verbessern, so errichte man das Fundament aus einem guten Orchester und tüchtigen Chören. Die heutige Vorstellung gibt uns Hoffnung zu dieser Absicht der Direction, wofür wir ihr und uns Glück wünschen. Die Ouvertüre war eine angenehm überraschende Gesammt-Leistung unsers Orchesters; Schatten und Licht, Kraft und Zärte verbreitete sich lieblich dem Gehör, – aus dem rieselnden Bach wurde, in naturgemäßem Crescendo, ein brausender Strom, der in seinem donnernden Getöse, eines harmonischen und melodiösen Effektes nicht entblößt war, – ein neuer Geist schien die Seele des Ganzen und die jedes einzelnen Gliedes zu beherrschen. Dieses Tonstück, obgleich nicht den Begriffen von Schönheit der großen Masse zugänglich und zusagend, wurde in seiner Aufführung doch so beifällig aufgenommen, daß es im Grunde das Einzige ist, was einen allgemeinen Applaus erhielt. Auch bei Begleitung der einzelnen Gesangstücke zeigte das Orchester eine seltene Zärte und schattirende Präzision, so wie man bei den, freilich noch aus sehr heterogenen Elementen bestehenden Chören, den Anfang einer wesentlichen Verbesserung durch Streben nach reiner Intonation und nach Ausdruck bemerkte.

Wenn wir daher, ohngeachtet des erwähnten Vortheilhalten, doch nicht glauben, daß diese Oper hier allgemeines Glück mache, d. h. daß sie ein Cassenstück werde, so ist es jedenfalls eine sehr dankenswerthe Gabe, die wenn erst die Opernfächer vollständig besetzt seyn werden, auch noch mehr gefallen wird.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Schreiter, Solveig

Überlieferung

  • Textzeuge: Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publizität, Jg. 7, Nr. 364 (30. Dezember 1829)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… für deutsche Bühnen zu machen“Für diese Annahme gibt es keine eindeutigen Hinweise in Webers Briefen oder Schriften. Sie wurde vielmehr später durch seine Nachfahren verbreitet; vgl. Oberon-Textbuch-Edition, München 2018, S. 302f.

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