Aufführungsbesprechung Wien, Theater an der Wien: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber am 5. Juli 1823
Wien. Musikalisches Tagebuch vom Monat July. […]
[…]Am 5ten: Ein fruchtbarer Tag, an welchem drey Blumen erblühten; nämlich:
Im Theater an der Wien: Preciosa, worin Dem. Schröder, eine Schwester der gegenwärtig beym Dresdner Hof-Theater angestellten Sängerin, in der Titelrolle mit Beyfall aufgenommen ward, obschon des Kenners Scharfblick wahres Gefühl, inneres Leben vermissen und dagegen nur eingelernte Kunst wahrnehmen wollte. Freymüthig herausgesagt: der Mutter Geist scheint sie nicht zu umschweben. Mit dem Singen hinkte es anfangs gar gewaltig: in der ersten Strophe der vom pizzikirenden Quartett begleiteten Romanze verschlang die Furcht beynahe jeden Ton; als aber später Flöte und Hörner hülfreich unterstützend eintraten, wuchs auch der Muth, und das Ende war so ziemlich erträglich. In der Musik erwartete man wenigstens einen zweyten Freyschütz zu hören, zu welchem Trugschluss nicht sowohl des Verfassers gefeyerter Name, als vielmehr die pomphafte Ankündigung: „mit Chören, Gesängen, Tänzen, Märschen etc. etc.“ gewissermaassen berechtigte; in dieser Hinsicht musste sich also wohl derjenige getäuscht finden, welcher den Unterschied zwischen Oper und Schauspiel mit Gesang nicht erwogen hatte; die übrigen hingegen, welche nicht mehr forderten, als die Natur der Sache zu fordern | berechtigte, fanden auch in diesem deutschen Tonsatz unsers Webers den genialen Componisten wieder, der der Wahrheit nie untreu wird, und dessen höchstes Streben Charackteristik ist. Beynahe alle Musikstücke wurden beklatscht, die etwas lange Ouverture sogar wiederholt.
[…]Apparat
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Amiryan-Stein, Aida
Überlieferung
-
Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 25, Nr. 38 (17. September 1823), Sp. 618–619