Aufführungsbesprechung Halle: „Preciosa“ von Carl Maria von Weber im Frühjahr 1823

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Halle. […] Die hier anwesende Herzoglich Anhalt-Cöthen’sche-Hof-Schauspieler-Gesellschaft hat die üblichen Sommer-Vorstellungen mit „Preciosa“ eröffnet*; diese allerdings gelungene Darstellung ist aber zur Zeit (1sten Juni) die Einzige geblieben, welche einer Erwähnung werth sein dürfte. – Ueber das Stück selbst bezieht Referent sich auf das im „literarischen Conversations-Blatte“ No. 118, vom 23sten Mai d. J. ausgesprochene Urtheil, daß nämlich ohne Musik, Tanz und Dekorationen dieses Schauspiel (denn das und nur das ist es, im eigentlichen Sinne des Worts) sich wohl schwerlich lange auf der Bühne würde erhalten können, da die Charakteristik des Ganzen ziemlich oberflächlich ist. Frau Gerstel hat die Hauptrolle gut aufgefaßt, und wenn auch Gesang und Tanz derselben, wie der Franzose sagt: terre-à-terre sind, so bleibt sie doch immer eine liebliche „Preciosa.“ Schade, daß das Sprach-Organ dieser übrigens recht lebendigen Schauspielerin etwas Unangenehmes hat; es liegt ein gellender Ton darin, den Frau G. durch einige Sorgfalt, wenn sie es sich nämlich angelegen seyn läßt, ihre Sprachtöne etwas gemäßigter und tiefer zu fassen, vielleicht noch beseitigen könnte. – Ein willkommner Gast war den hiesigen Theater-Freunden der Baden’sche Hof-Schauspieler Herr Walther aus Carlsruhe, welcher das lachlustige Publikum weidlich ergötzte, in den Stücken, welche er auch an andern Orten auf die Bühne brachte. – Nicht so glücklich war derselbe in der Auswahl des zu seiner Benefiz-Vorstellung bestimmten Stückes. Referent entsinnt sich nicht, jemals ein flacheres, gehaltloseres Machwerk gesehen zu haben, das weder Lustspiel noch Posse genannt werden, und in der Dichterkrone seines Verfassers wahrlich nicht als Edelstein gelten kann. Wir rathen ihm daher, sich nicht als Vater dieses trivialen geist- und witzlosen Produktes zu bekennen. – Referent bemerkt nun erst, daß er das Stück noch nicht genannt hat; vielleicht aus Schonung für seinen Verfasser nicht hat nennen wollen. Darum sey es genug, zu wissen, daß es den Titel einer Dichtung führt, von einem unsterblichen Sänger, dem es wohl schwerlich jemals geträumt hat, daß man so edlen Stoff so unedel würde benutzen wollen. Ueber die bisherigen, auf „Preciosa“ erfolgten Darstellungen der Anhalt-Cöthen’schen-Hof-Schauspieler-Gesellschaft, läßt sich zur Zeit nichts Bemerkenswerthes sagen. Unter dem zahlreichen Personale befinden sich einige Mitglieder, die nicht talentlos sind. Allein durch einen kaum erklärbaren Mißgriff der kammerherrlichen Direktion* wurde die Gesellschaft auf eine ganz zweckwidrige Weise getheilt; die bessern, vom hiesigen Publikum gern gesehenen Mitglieder wurden entfernt, zuerst, aber ohne Erfolg, nach Naumburg, dann ins Bad Helmstädt detaschirt, anstatt, wie das vor Allem | hätte geschehen sollen, den Hauptort gehörig zu versorgen, um die billigen Anforderungen des hiesigen Theatr-Publikums einigermaßen Genüge leisten zu können. Was nun erfolgen mußte, kam: das Schauspiel-Haus blieb leer, mithin auch die Theater-Kasse! Der gerechte Unwille aller Theater-Freunde über die Inconsequenz der Direktion ward laut; Sänger, die man gar nicht hätte produciren sollen, da sie keine Stimme haben, vernahmen ein fatales Akkompagnement und – zogen wieder ab u.s.w. – Man erwartet nun, daß die Direktion, soll das Theater ferner bestehen – ihren begangenen Fehler ¦ wieder gut machen, die vorzüglichen Mitglieder der Hof-Schauspieler-Gesellschaft forthin in Halle lassen, und nicht nur, wie es bisher der Fall gewesen, kleine und besser gesehene Stückchen (der „Maria Stuart“, und „der Räuber“ nicht zu erwähnen !!!) sondern größere, gut besetzte Stücke und Opern zur Aufführung bringen werde. Es ist der Vortheil einer sachverständigen Direktion, nicht nach eigenen, oft ganz verkehrten Ansichten, oder mit Wilkühr zu Werke zu gehen, sondern dem Willen und den Wünschen des Theater-Publikums möglichst zu entsprechen.

– n –

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Der Gesellschafter, Jg. 7, Nr. 10 (23. Juni 1823), S. 478–479

Textkonstitution

  • „Theatr“sic!

Einzelstellenerläuterung

  • „… üblichen Sommer-Vorstellungen mit Preciosa eröffnet“Erstaufführung in Halle am 25. April 1823.
  • „… erklärbaren Mißgriff der kammerherrlichen Direktion“Intendant der Hoftheatergesellschaft war Kammerherr Baron von Heyden-Linden.

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