Rezension: „Volkslieder, mit neuen Weisen und dem Fräulein Louise Reichardt in Hamburg zugeeignet von Carl Maria von Weber“, Op. 64, Verlag A. M. Schlesinger

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Musikalische Recension.

Volkslieder, mit neuen Weisen versehen, und dem Fräulein Loise Reichardt in Hamburg zugeeignet von Carl Maria von Weber. Op. 64. 14tes Liederheft. Berlin, bei Adolph Martin Schlesinger.

„Der Tondichter muß wünschen, daß seine Melodieen zu Volksliedern werden. Wie es einem Autor, selbst wenn er sein eigner Verleger wäre, doch kitzelt, wenn er nachgedruckt wird, so freut es gewiß jeden Compositeur, wenn seine Lieder ¦ Mägde und Handwerksbürsche singen, wenn er von den musikalischen Handmühlen, den Drehorgeln, gemahlen wird, oder wenn ihn gar kunstreiches Federvieh, wie Amsel und Schwatzkopf, pfeift.“ – hat jemals ein Componist dieses Vergnügen in vollem Maaße genossen, so ist es geniale Carl Maria von Weber, dessen echt volksthümliche Melodieen, besonders seit der Erscheinung des „Freischütz“, so allgemein verbreitet sind, und von Jung und Alt auf allen Straßen gesungen und gefeiert werden. Kein Tondichter außer ihm hat seit J. A. P. Schulz und Hiller den Geist des eigentlichen Deutschen Volksliedes, wie es wohl sein und werden könnte, wenn die Deutschen nur mehr singen wollten und mehr innere Anregung dazu fühlten, so in seinen Tiefen ergründet, und lieblichen südlichen Melodieenfluß mit Deutscher Kraft und Gründlichkeit so trefflich zu paaren verstanden. Die vor uns liegenden Lieder bestätigen dies noch mehr, und beweisen aufs Neue, auf welcher sichern Bahn der erfahrne Künstler wandelt, und wie unabhängig er das Ziel der Vollendung auch in dieser Musikgattung zu erreichen beflissen ist. Das erste Stück der Sammlung: „Mein Schätzel ist hübsch“, halten wir für das gelungenste derselben, und wir hatten es schon damals lieb gewonnen, als es im vorigen Jahre zuerst als Beilage zu diesen Blättern erschien. Die bekannte höchst sing- und tanzbare Melodie ist – wenn wir so sagen dürfen – wie aus dem Munde des Volkes heraus gestohlen. – Nr. 2 „Mailied“, für zwei Soprane. Die Stimmen sind kunstlos und natürlich in einander gefügt, und die zweite do eingerichtet wie sie selbst ein der Musik ganz Unkundiger erfinden würde. Nr. 3 „Heimlicher Liebe Pein“, hat uns am wenigsten gefallen. Das Lied trägt zu sehr den Charakter des deklamatorischen Recitativs, und steht, obschon die Composition des fühlenden Meisters würdig ist, zu gelehrt und gezwungen aus; auch scheint der viel zu sentimentale Text sich nicht zum Volksliede zu eignen. – Nr. 4. „Gelahrtheit“, ist angenehm und leicht aufgefaßt, obschon es uns vorkommt, als wenn die häufigen Intervalsprünge in den ersten beiden Versen der Popularität der Melodie Eintrag thäten. – Nr. 5. „Abendsegen“, und Nr. 6. „Liebesgruß aus der Ferne“, singen sich gut, und entsprechen ganz der Bestimmung des Volksliedes. – Nr. 7. ein Terzett für drei Männerstimmen, muß sich besonders, im Freien gesungen, sehr schön ausnehmen. – An Nr. 8. „Herzchen, mein Schätzchen“, wollen uns die häufigen Veränderungen für die übrigen Strophen nicht behagen. Sie verrathen zu viel Kunst, von der bekanntlich der Volksgesang keine Spur tragen muß. Oft klingt auch solche falsche, den Regeln der Accentuation entgegentreibende, Deklamation im Munde des Vokls sehr naiv und natürlich, und wir würden, an des Componisten Stelle, lieber den Text nicht componirt haben, wenn er sich in den verschiedenen Strophen gar zu unähnlich war und der Abänderungen zu viel nothwendig machte. |

Die Pianoforte-Begleitung ist einfach und zweckmäßig; indeß hatten wir die Schluß-Ritornelle, welche mehrere Lieder haben, beim „Volksliede“, wo an ein accompagnirendes Instrument bekanntlich nicht gedacht werden kann, für überflüßig, so angenehm und lieblich sie auch an und für sich mitunter klingen mögen.

Die Fortsetzung dieser Sammlung wird den Freunden des Volksgesanges und den Verehrern der Muse C. M. v. Webers gewiß eine sehr wilkommene Erscheinung sein, und wir sehen derselben mit größer Ungeduld entgegen.

Apparat

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Amiryan-Stein, Aida

Überlieferung

  • Textzeuge: Zeitung für Theater, Musik und bildende Künste zur Unterhaltung gebildeter, unbefangener Leser. Eine Begleiterin des Freimüthigen, Bd. 3, Nr. 15 (12. April 1823), S. 59–60

        XML

        Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
        so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.