Die Problematik der sogenannten Baermann-Ausgaben

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Baermanns Anteil an kompositorischen Details der Werke dürfte angesichts des engen Kontakts der beiden Musiker außer Frage stehen. Aber erst um 1870 (also lange nach seinem Tode) hat sein Sohn Carl Baermann (1811–1885) die Klarinettenwerke Webers neu herausgegeben und dabei den Anspruch erhoben, sie so vorzulegen, wie sie von seinem „Vater mit Weber gespielt“ wurden. Dieser Behauptung wird bis heute Glauben geschenkt und daher waren die sogenannten „Baermann-Ausgaben“ entscheidend für die gesamte weitere Rezeption der Werke.

Bei der Arbeit an den Bänden stellte sich jedoch bald heraus, daß diese Tradition mit einer authentischen Interpretation der Werke wenig zu tun hat. Carl Baermanns Ausgaben sind vielmehr im Sinne der Interpretationsausgaben des späteren 19. Jahrhunderts übersät mit dynamischen und artikulatorischen Hinweisen, die den Notentext bis in kleinste Details festlegen, teils auch frei mit ihm umgehen und bisweilen sogar ganz offenkundig gegen die Intentionen der überlieferten Quellen verstoßen. Carl Baermann wurde erst in dem Jahr geboren, als Weber die Mehrzahl seiner Werke für dessen Vater schrieb; 1815, zur Zeit der letzten intensiven direkten Kontakte Webers mit Baermann, war er nicht einmal 4 Jahre alt. Die Ausgaben entstanden zudem mehr als 20 Jahre nach dem Tod seines Vaters. Zweifel an einer unverfälscht überlieferten Interpretationstradition sind auch deshalb angebracht, weil Baermann selbst über die Kadenzen seines Vaters zu Webers Klarinetten-Concertino einmal (an den Weber-Forscher F.W. Jähns) schrieb: „ Die Cadenz im Concertino ist von meines Vaters Hand hineingeschrieben, doch würde ich Sie bitten keinen Werth hierauf zu legen, da erstens mein Vater die Cadenzen sehr nach seinen Launen componirte und heute eine spielte welche er morgen wieder verwarf, und zweitens gerade die in die Partitur eingeschriebene mir offen gesagt als gänzlich unpaßend für dieses kleine liebenswürdige Stück erscheint, da dieselbe viel zu groß und prätentiös auftritt, und so das Stück aus seinem Rahmen wirft.

Joachim Veit, Montag, 12. Dezember 2005

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