Freischütz als Volksbelustigung

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Bei den Recherchen rund um Weber zur Kommentierung der Briefe und Tagebücher sowie bezüglich der Rezeptionsgeschichte seiner Kompositionen finden sich immer wieder auch Kuriosa, so eine Notiz aus dem Kaiserl. Königl. Oesterreichischen Amts- und Intelligenz-Blatt von Salzburg (1825, Nr. 95 vom 28. November, Sp. 1676f.), die ein bezeichnendes Licht auf die Freischütz-Begeisterung der Zeitgenossen wirft:

„Eine Stunde von Speier liegt ein hübsches, romantisches Wäldchen, mit allerley artigen Anlagen, und mit mannigfaltigen Erfrischungshäusern versehen. Diese letzteren haben jedes seine Benennung aus dem Freyschütz, und das ganze Wäldchen heißt »der Freyschütz.« Das eine Wirthshaus darin nennt sich Samiel, das andere der Erbförster Kuno, das dritte Kilian, Kapar u. s. f. Samiel soll vorzüglich kochen, der Erbförster das beßte Wildpret haben, der Eremit vortreffliche Fastenspeise (Fisch, Eierkuchen &c.) zubereiten, und die Wolfsschlucht nebst dem Wasserfall den Durstigen mit Flüssigkeiten aller Art erquicken.“

Dass es sich bei dieser in der Rubrik „Allerley“ veröffentlichten Notiz nicht um eine Zeitungsente handelt, bezeugt eine Akte im Stadtarchiv Speyer (Bestand 003 = Archiv der Stadtverwaltung 1814 bis etwa 1880, Nr. 496), die im Archivportal der Deutschen Digitalen Bibliothek wie folgt beschrieben wird: „Einweihung der neuen Anlage zum Freischütz am Rhein; Theateraufführungen darin; Sammlung von Beiträgen zur Unterhaltung der Anlage.“ (Laufzeit: 1823/24)1. Friedrich Johann Hildenbrand hat diesem frühen Vergnügungspark vor fast einhundert Jahren sogar eine kleine Broschüre gewidmet: Die Neue Anlage zum Freischützen unweit Speyer am Rhein 18231832. Ein Stück aus der Biedermaierzeit der Pfalz (Kaiserslautern 1920). Hildenbrand erwähnt darin auch den Grund für die Benennung: Rittmeister Alois Spraul von dem in Speyer stationierten königlich bayerischen 1. Chevauxlegers-Regiment, der die Einrichtung des Parks maßgeblich vorantrieb, gehörte zu den begeisterten Besuchern der Freischütz-Aufführungen im nahegelegenen Mannheim (Erstaufführung am 5. Mai 1822) und entnahm dem Opernlibretto Ideen für die Einrichtung der Anlage: Die Blockhäuser mit Schankwirtschaften wurden nach Figuren, Örtlichkeiten u. a. aus dem Freischütz benannt. In der Sammlung „VI Ansichten aus der neuen Anlage, zum Freischütz genannt, ohnweit Speyer am Rhein“, erschienen beim örtlichen Lithographen F. C. Schwaab, sind beispielsweise das Waldschlösschen des Erbförsters Cuno und die Wirtschaften zum Jägerchor, zum Eremiten, zum Freischütz sowie zum Wasserfall abgebildet.

Selbstverständlich gibt auch das Speierer Wöchentliche Anzeige-Blatt von 1823 mehrere Hinweise auf die am 11. Mai d. J. eröffnete Einrichtung, so werden für den 29. Juni verschiedene „Belustigungen“ wie Hahnenschlag, Hammeltanz und Sacklaufen beworben, welche die „Wirthen zum Jägerchor, Wolfsschlucht und Freischütz“ besorgen würden (Nr. 26 vom 26. Juni, S. 203), der Wirt zum Jägerchor, J. Sitzenstuhl, warb für den 6. Juli mit einem „Baumklettern“ samt Preisen (Nr. 27 vom 3. Juli, S. 206), G. Seekatz, der Weinwirt zum Freischütz versprach „sowohl in Speisen als Getränke[n], die billigste und beste Bedienung“ und vermietete „mehrere möblirte Zimmer“ (Nr. 30 vom 24. Juli, S. 218; s. a. Nr. 49 vom 4. Dezember, S. 295). Für den 25. Mai kündigten die „Unteroffiziers der hier garnisonirenden 1ten Division des 1ten Chevauxlegers-Regiments“ sogar eine open-air-Aufführung von Schillers Räubern „(passend abgeändert)“ auf „einem von der Natur und Kunst gebildeten Theater“ und „zum Besten der Armen“ an (Nr. 21 vom 22. Mai, S. 82).

„Merchandising“-Artikel mit Freischütz-Bezug wie Kartenspiele, Schirme, Tabak u. ä. finden sich in den 1820er Jahren vielfach, auch Wirtshäuser mit dem Namen Wolfsschlucht gab es mehrfach, aber diese Anlage dürfte doch eine Ausnahme geblieben sein.

Einzelnachweise

  1. 1Vgl. https://www.archivportal-d.de/item/VZZZUTJPYMWFUISRFYU7O4XU5K53EBJ6 (Abfrage 21. Dezember 2018).

Frank Ziegler, Freitag, 21. Dezember 2018

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