Helmina von Chézy an Bernhard Wolff in Jena
München, Sonntag, 22. März 1840

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Längst schon habe ich Ihnen, Hochgeschätzter! melden wollen, daß die dienstfertige Seele, welche mir versichert hatte, mein Name finde sich nicht in Ihrer Sammlung nun, da ich ihm Vorwürfe machte, mich so falsch berichtet zu haben, sagte: Es wäre ein Irrthum, und mein Sohn Wilhelm, sey gemeint, sie selbst habe denjenigen falsch verstanden, der ihr zuerst davon sprach. Vielleicht sind Ihnen meines Sohnes zerstreut umherfliegende Dichtungen, so wenig wie Petrarka ud Camoëns zu Händen gekommen?* Als er dichtete war er auf einer hohen Stufe, von der ihn Spindler durch Heruntermachen aller Versmacherei wie er es nennt, herabgerissen. Ich wünschte sehr Sie von jener schönern Zeit seines Blühens in Kenntniß zu sehn.

Nun muß ich mit einer Bitte kommen: Wo hat das Romänzchen gestanden, das in Ihrer Sammlung für meine Arbeit gilt? das Nixchen?* Ich habe das Unglück, das mein Name mehrfach gemißbraucht worden, ud wünschte ähnliche Irrthümer für die Zukunft zu verhüthen, doch konnt mir nicht leicht einer so schmerzlich fallen, als der Ihrige, weil ich Ihre Sammlung zu schätzen weiß. Nicht minder | giebt es Lieder, die gleichfalls schwach sind, ud die ich nie gedichtet: Saft, Kern u Seele – wo ich die nicht sähe, würde ich zerreißen, was ich schrieb. Das Nixchen ist jämmerlich schwach u süßlich, u es ist just die erzählende Dichtung-Art in der ich mich ernstlich bestrebte. Ich gestatte mir Sie, mein Geehrter! dringend zu ersuchen, meine Sammlung Herzenstöne auf Pilgerwegen /: ich habe sie nicht, sonst schickt ich sie gern:/ bei Seidel in Sulzbach* sich geben zu lassen, Sie werden dort sehen, ob ich solch ein Nixchen hinsüßeln konnte! Auch ersuche ich Sie im Volksschatz selbst den Irrthum zu berichtigen, nur ganz kurz, daß Sie durch den Namen der darunter stand, getäuscht worden. Ich habe seither so viel zu schreiben gehabt, daß ich zu dieser Bitte noch nicht gelangen konnte, mich spornte Mehreres an, Ihnen zu schreiben. Eins, eine Anfrage wegen Al. Pulasky – wie geht es ihm? Zwei Ich freue mich daß es der vortreffllichen Henriette Ottenheimer* bey Ihnen so wohl geworden – Drei: Wenn Sie die Euryanthe in Ihre Sammlung nehmen, so will ich Ihnen die ächte Version schicken, in den Textbüchern | u selbst bey Wallishauser steht sie falsch abgedruckt – – – – 4) Ich wünschte die Faseleyen Marmiers zu durchhecheln, und zwar in einem französischen Blatt, es geschähe mir ein […] wenn ich Ihre Erläuterungen in den Sie betreffenden Punkten bald empfienge. Ohne diesen Anstoß ud Anlaß hätte ich vielleicht noch nicht geschrieben.      Haben Sie die für Ihre biographische Unternehmung mir freundlich versprochnen Berichtigungen gemacht? Ich habe fast keine Gelegenheit in München wo Sommer und Winter in gleichem Grad friedselig sind, mich vom Neuen zu unterrichten, die Bücher werden mir nicht eingeschikt, weil ich keine Käuferin bin, u die k. Bith. ist weit von mir entlegen.      In den Pilgerwegen ist auch ein kleines Drama: Emma u Eginhard, auf | welches ich etwas halte Sie finden diese durch seltsame Unfälle oder durch Ungeschicklichkeit Seidels unvorbereitet gebliebene Sammlung, die ich in einem sehr strengen Sinn der Auswahl geordnet doch wohl in Jena?      Ich muß jetzt auf einige Monath audelà du Rhin, ud vielleicht bis nach Paris. Ihre Antwort trifft mich noch, wenn sie so gütig sind, recht bald zu schreiben, adressiren Sie Arcis-straße No 15.

Hochachtungsvoll
Ew Wolgeboren
Ergebenste
HvChézy
bis 12t Aprill trifft mich noch eine
Antwort.

Diese Lobhudeley von Guido Goerres in Marmier! – Geben Sie vielleicht etwas gegen die Ultra mont. Umtriebe heraus? kennen Sie die famosen Predigten Eberhards, u die gediegenen Schriften dagegen von Pfarrer Langenmeyer, von Fr. Mayer, der das Vaterländische Magazin giebt ud vom Deputirten Harless? Auch ich beabsichtige eine kl. Schrift gegen den rohplumpen Gesellen u will sie in Norddeutschl. h[er]ausgeben. Die schlagendste Gegenschrift von einem kath. Geistlichen ist nur eben erschienen, unübertrefflich!!! bitte um Besorgung d. Inlage d. d. Post.

Noch Eins! Wenn von Ihren Nachrichten Wetzel noch nicht erwähnt seyn sollte, u hinein gehört, (ich bin ganz heraus aus dieser Sache, weil ich Ihr Werk so lange nicht gesehn) so nehmen Sie gefälligst Rüksprache mit mir Wetzels Biographie ist voller bedeutender Unrichtigkeiten, u ich habe authentische Data.

Editorial

Summary

Bezugnahme auf die Ausgabe Poetischer Hausschatz des deutschen Volkes, hg. von O. L. B. Wolff, London 1839, in der mehrere Gedichte Helmina von Chézys abgedruckt sind, u.a. auf S. 467 “Das Nixchen”, das nicht von ihr sei und dass ihr oft falsche Texte untergeschoben würden; fragt an, ob er die Euryanthe in seine Sammlung nehmen wolle, da nur sie die “echte” Textversion habe; u.a.

Incipit

Längst schon habe ich Ihnen, Hochgeschätzter! melden wollen

Responsibilities

Übertragung
Joachim Veit; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. V (Mappe XIX), Abt. 5B, Nr. 65c

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “der ihr zuerst davon sprach”added above
  • illegible
  • “… u ich habe authentische Data”letzter Absatz am linken Seitenrand Bl. 2v notiert

Commentary

  • “Petrarka ud Camoëns zu Händen gekommen?”Wilhelm von Chézy, Petrarca, Künstler-Drama in 5 Akten, Bayreuth 1832 sowie ders., Camoens, Trauerspiel in 5 Akten, Bayreuth 1832.
  • “das Nixchen ?”Das Gedicht Das Nixchen (sowie ein weiteres: Königsschein) hatte Theodor Hell im Taschenbuch Penelope (Jg. 12 auf das Jahr 1823, erschienen Herbst 1822) mit der Autorenzuweisung an die Chézy abgedruckt; in einer Richtigstellung in der Abend-Zeitung, Jg. 6, Nr. 271 (12. November 1822), S. 1084 nannte er als wirklichen Autor Johann (Peter Balthasar) Kreuser (1795–1870).
  • “Sammlung Herzenstöne auf … Seidel in Sulzbach”Die Sammlung war 1833 in dem von Johann Esaias von Seidel (1758–1827) begründeten Verlag erschienen.
  • “… es der vortreffllichen Henriette Ottenheimer”Die Schriftstellerin Henriette Ottenheimer (1807–1883).
  • k. Bith.abbreviation of “königliche Bibliothek”.

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