Bemerkungen bey Gelegenheit einer Beurtheilung der Wunderquelle …

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Bemerkungen bey Gelegenheit einer Beurtheilung der Wunderquelle in einem hiesigen Blatt, und der Vertheidigung desselben Stückes in Nro. 20 des Archivs*.

[…] Ein Punct nun noch bleibt zwischen mir und Hrn. Weidmann zu erörtern, und daß ich es thue, beweist ihm, wie sehr ich ihn von nichtigen Aburtheilern unterscheide. Er hat manches, was sich von selbst darbiethet, nicht reiflich erwogen, indem er durch die Oper Euryanthe und das Drama Rosamunde zu der Ansicht gekommen, als hätte ich doch auch gar kein Talent für romantische Oper und Drama*. (!!) Was Erstere betrifft, so hat er es blos mit C. M. v. Weber auszumachen, der hundert Mahl erklärt hat, er ließe sich kein Jota vom Texte rauben, mit dem ich Sylbe für Sylbe, nach dessen Sinn und Wunsch, die Oper gedichtetT. Wenn mein eifriges Streben, Poesie und Effect mit den Ansichten und Wünschen des Tondichters zu vereinbaren wirklich mißlungen ist, (ich habe davon nicht die volle Überzeugung) so ersuche ich Jeden, der es vermag, auf gleicher Bahn ein Besseres zu leisten, nachdem er durch alle Grade der Selbstverläugnung hindurch gegangen. – […] Es ist keine Kleinigkeit, in einer Laufbahn, in welche weder Fürwitz noch unreifer Drang mich hineingezogen (drey und zwanzig Jahre habe ich gearbeitet, eh ich mich in das dramatische Fach wagte), sondern ehrenvolle und dringende Aufforderungen, keine Beachtung der Umstände, unter denen ein dramatisches Werk erscheint, zu finden. Hätte die Musik der Euryanthe dem großen Publicum zugesagt, so würde der Text weiter gar nicht in Betracht gekommen seyn; was in den Compositionen herrlich und groß, wird früher oder später seine Anerkennung finden, wie bereits dasjenige sie gefunden, was auf die Masse mehr wirket, als blos auf den Kenner. Z. B. der erste Chor, der zweyte Chor und vieles Andre. Die blinde Vergötterung der Lobschreyenden glaubte den Thron höher zu bauen, indem sie strebte, den Text zu zermalmen, den ich jedoch nur in so fern gerechtfertigt wissen will, da ich beweisen kann, daß er genau so ist, wie ihn der Componist verlangte. Man kann sich überhaupt nicht genug verwundern, wenn man sieht, wie Originaldichtungen für die Scene, jeder Art, sogleich angefallen werden, gleichsam um jedem Deutschen das Selbstschaffen zu verleiden, und zu dem Worte „nach dem Französischen“ wie zu einem Fallschirm zu greifen, da hingegen Alles zur Beförderung und Ermunterung der Übersetzer geschieht!! Sey dem, wie ihm sey, ein ernstes Streben, tüchtig und klar in sich selbst, verfolgt ruhig die angefangene Bahn, dankbarer für verdienten, und selbst für wohlgemeinten, wenn auch nicht verdienten Tadel, als für unwürdiges Lob.

Helmine v. Chezy.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Bandur, Markus

Tradition

  • Text Source: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst, Jg. 15, Nr. 32/33 (17. März 1824), pp. 193–194

    Commentary

    • “… Stückes in Nro. 20 des Archivs”

      Vgl. Franz Carl Weidmann, Übersicht der neuesten Erscheinungen im Gebiethe der dramatischen Literatur, in: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst, Jg. 15, Nr. 20/21 (18. Februar 1824), S. 107f. zur Erstaufführung von Helmina von Chézys „dramatischer Kleinigkeit“ Der neue Narziß (auch Der Wunderquell) am 15. Januar 1824 im Wiener Burgtheater.

    • “… für romantische Oper und Drama”

      Vgl. Franz Carl Weidmann, Übersicht der neuesten Erscheinungen im Gebiethe der dramatischen Literatur, in: Archiv für Geschichte, Statistik, Literatur und Kunst, Jg. 15, Nr. 8/9 (21. Januar 1824), S. 46–47; dort heißt es in Zusammenhang mit der Uraufführung des Schauspiels Rosamunde, Fürstin von Cypern am 20. Dezember 1823 im Theater an der Wien: „Das Gebieth der Dramatik scheint nun einmahl ein Feld zu seyn, welches Frau v. Chezy nicht mit Glück betritt. Ihre Euryanthe ist in vieler Hinsicht ein verunglücktes Werk zu nennen, und wir haben dieses mit Gründen belegte Urtheil, (über welches übrigens alle Blätter einig waren), freymüthig ausgesprochen. Noch weit tiefer als Euryanthe steht in jeder Beziehung dieses sogenannte romantische Schauspiel“ (S. 47).

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