Heinrich Clauren an Karl Theodor Winkler in Dresden
Berlin, Donnerstag, 5. Dezember 1822

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Herzens lieber Bruder.

Immer muß ich meine Briefe an Dich mit Danksagungen beginnen, denn immer erfreut mich deine unerschöpfliche Güte mit neuen Beweisen Deines schätzbaren Andenkens, u. Deiner mich beglückenden Liebe; u. so sage ich Dir für gütige Uebersendung Deines Festspiels* recht herzlichen Dank das, wenn Küstner deinen freilich etwas heftigen Dekorations-Ansprüchen in Vollem genügt hat sich in Darstellung gewiß vorzügl. gut gemacht haben muß. Wäre es hier für die Darstellung geschrieben gewesen, Brühl hätte 10,000 rh dazu verbraucht. — Unsere arme Stich liegt auf den Tod. Nach der Entbindung bekam sie ein heftiges Brustfieber, u dann eine Leberkrankheit, so daß man bis gestern an ihrem Durchkommen zweifelte; heute soll es etwas besser seyn. — der Major Decker hat einen Offizier in Koblenz, mit dem er Jahre lang, wegen einer Rezension in Fehde stand u. der ihm im Militair-Wochenblatte förmlich Abbitte u. Ehren-Erklärung gab in dem Duell, [das] des ersten ungeachtet kürzl. am Rhein vor sich gegangen, erschoßen; der Ermordete* ist Vater von 8 Kindern. —

Noch ist’s mir im Hause u. Herzen oed u. still*. Vor den Leuten habe ich schon Gewalt über mich; aber [wenn] ich allein bin, u. das bin ich jetzt am liebsten, da treibt mir Kummer u. Sehnsucht, das klare Wasser in die Augen, u. mir ist nur wohl, wenn ich mich ungesehen recht ausweinen kann. Sie haben mir mein halbes Leben hinausgetragen, u. Niemand, Niemand bringt es mir zurück. —

Leb wohl, mein Freund. meine drei Kinder, davon kleines Kind meine einzige Erholung ist, grüßen Dich mit mir herzlichDein
Heun

Mein Bräutigam aus Mexiko scheint in Leipzig nicht mißfallen zu haben*. Kannst Du vielleicht deßen Aufführung bei Euch in Anregung bringen?* Spielt die Schirmer Suschen, so fällt das Stück bestimmt nicht durch.

Editorial

Summary

dankt für die Übersendung des Festspiels, dessen Ausstattung sehr kostspielig ist; A. Stich ist todkrank; Hinweis auf Deckers Duell; trauert noch um seine unlängst verstorbene Frau

Incipit

Immer muß ich meine Briefe an Dich mit Danksagungen beginnen

Tradition

  • Text Source: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub), Winkler Collection

    Physical Description

    • 1 Bl. (1 b. S.)
    • am oberen Rad von fremder Hand: “H. Clauren, Geh. Hofrh. | Heun

Text Constitution

  • “dem”added above
  • “davon”uncertain transcription
  • “… ”am linken seitlichen Rand:

Commentary

  • “… für gütige Uebersendung Deines Festspiels”Kampf und Versöhnung oder Uiber alles Liebe!, dramatische Dichtung als Huldigung bei der Feier der Vermählung von Prinz Johann von Sachsen mit Prinzessin Amalie von Bayern, am Leipziger Theater aufgeführt am 29. November 1822.
  • “… sich gegangen, erschoßen; der Ermordete”Hauptmann Bachofen von Echt (auch Bachoff von Echt) aus der Garnison Düsseldorf wurde am 25. November 1822 im Duell erschossen; Decker wurde daraufhin zu einem Jahr Festungshaft in Spandau verurteilt.
  • “… u. Herzen oed u. still”Seine Frau Henriette, geb. Breitkopf, die er 1799 geheiratet hatte, war kürzlich verstorben.
  • “… Leipzig nicht mißfallen zu haben”Der Leipziger Erstaufführung am 19. November 1822 folgten im selben Jahr noch zwei weitere Vorstellungen (26. November, 11. Dezember). Insgesamt gab es am Leipziger Stadttheater bis 1828 23 Aufführungen.
  • “… bei Euch in Anregung bringen?”Dresdner Erstaufführung am 3. April 1823; vgl. Abend-Zeitung, Jg. 7, Nr. 98 (24. April 1823), S. 392. Insgesamt wurde das Stück in Dresden bis 1827 elfmal gegeben.

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