Aufführungsrückblick, Berlin: Juli/August 1812 (darunter “Silvana” von Carl Maria von Weber)

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Korrespondenz-Nachrichten.

Berlin.

Es erscheint hier seit ein Paar Wochen ein musikalisches Wochenblatt, welches Kompositionen aller Art und von verschiedenen Musikern enthält. Bis jetzt haben sich als Mitarbeiter dargethan: Maria v. Weber, F. L. Seidel, Westenholz, Rungenhagen, Hellwig u.s.w. Der Preis in 4 Gr. für einen ganzen vielenthaltenden Bogen.

Hr. Eßlair hat sich noch in zwey Rollen gezeigt, als Wallenstein und Kaufmann Fersen im Fremden*. Bey der ersten Darstellung war es sichtlich, daß er den verstorbenen Fleck nachbildete, mag Hr. Eßlair diesen Künstler nun selbst beachtet haben, oder von Andern darüber unterrichtet seyn. Alles Aeußere war natürlich hinreichend, nur nahm eine zu große Regsamkeit zuweilen die nothwendige einfache Würde hinweg, und Manches wurde minder der Dichtung nachgestrebt, als einer bloßen Theater-Wirkung. So trennte der Künstler, ganz gegen Schillers Anordnung, Max und Thekla, indem er sein Schwert zwischen sie hinstrekte; dies ist eine unnütze Härte, die dem ohnehin grausamen Schicksale angefügt wird. Unrichtig war auch der letzte Moment, in welchem Wallenstein spricht:

Ich denke einen langen Schlaf zu thun.– – – – – – –Sorgt, daß sie nicht zu zeitig mich erwecken.

Die letzte Zeile beweist schin, daß hier vom physischen Schlaf die Rede ist; die Verwerkung der Träume der Terzky, die Zurückweisung des warnenden Gordon und Seni, die Nichtachtung der Gefühle des Kammerdieners lassen aber auch nicht den geringsten Zweifel darüber, daß Schiller zeigen wollte, wie ungeahnt alles das Ahnungs- und Sternen-Wesen dem Helden Wallenstein zum Nichts wird; dennoch sprach Hr. E. die erwähnten Worte abgewandt von der Versammlung und mit dem innersten Schauder der Vorbedeutung. In der Stelle:

Sie sollen meine Stimme hören!

überbot er seine Sprachkraft, was kaum begreiflich ist, wenn man weiß, wie hoch diese steht. das Gesagte abgerechnet, war er verdienstlich, und hatte sehr vorzügliche Momente. – Für das Lustspiel ist Hr. Eßlair wenig geeignet; dies zeigte er uns als Fersen ziemlich deutlich in Haltung und Sprache. Seiner Heftigkeit fehlte Innigkeit, sie polterte nur hinaus; auch hielt er, was er gab, nicht fest, denn zuletzt war nur gutmüthige Schwäche das herrschende Gefühl, was diesen Karakter, der zuletzt lächerlich wird, gar jämmerlich machte. Als Karl Moor und Theseus hat der Künstler uns am vollendetsten geschienen*.

Hr. Duport und Dlle. Neumann haben zuerst getanzt in einem unterhaltend erfundenen, und von Duport vortrefflich angeordneten, Ballet: Zephyr, oder die Wiederkehr des Frühlings*. Er beurkundet seine Meisterschaft in dieser untergeordneten Kunst mit dem vollsten Glanze, weiß die kühnsten Sätze schnell mit der Anmuth zu verweben, hat die besten Muster genutzt bey den Stellungen, so, daß in manchen die Antiken erkannt werden, nach welchen sie gebildet sind, und jede Geschicklichkeit sich angeeignet. Demois. Neumann tantz mit vielem Reiz und großer Uebung; doch kommt sie dem Lehrer nicht gleich. Auch in unsrer Stadt wird Hr. Duport einen Enthusiasmus erregen, wie dies schon bey seinem ersten Auftreten sich zeigte. Dies und die Erfahrung überhaupt, daß von allen Künsten die Tanzkunst jetzt am meisten verehrt wird, beweist, wie sehr wir der äußern Sinnlichkeit fröhnen.

Als Neuigkeit hatten wir auf der Bühne: Die Rosen des Herrn von Malesherbes, ländliches Gemählde, ¦ von Kotzebue*. Der Stoff ist aus den Contes à ma fille, von Bouilly, und als Erzählung oft übersetzt. Kotzebue hat ihn hier äußerst wirksam bearbeitet, auch die Karaktere, soviel es eine Kleinigkeit zulässt, recht hübsch geschieden und mit Liebe gezeichnet. Besonders gelang ihm die Susette. Hätten nicht einige Plattheiten Gnade gefunden und wären einige gar wunderliche Reime heraus, dies Werkchen wäre frey von der geringsten Rüge. Gespielt wurde Susette, (Dlle. Maas), ausgezeichnet; Peter, (Hr. Rebenstein), ziemlich lobenswerth; Malesherbes, (Hr. Beschort) sehr vorzüglich.

Der treffliche Komponist, Maria von Weber, ist von hier nach Leipzig gereist*, und wird sich von dort nach Prag und Wien wenden. Er hat das Vergnügen gehabt, seine Musik zur Oper Silvana, die früher ein hiesiger Dirigent für unausführbar und untauglich hielt, so daß er ihr die Aufführung versagte, von Kennern und Liebhabern anerkannt zu sehen*. Auch eine andere Oper von ihm, Abu Hassan, wird einstudirt*.

[…]

Editorial

Summary

Aufführungsrückblick, Berlin: Juli/August 1812 (u.a. mit “Silvana” von Carl Maria von Weber)

Creation

Responsibilities

Übertragung
Dubke, Esther

Tradition

  • Text Source: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 6, Nr. 232 (26. September 1812), pp. 928

    Commentary

    • “… und Kaufmann Fersen im Fremden”Aufführungen von Wallensteins Tod am 11. August und vom Fremden am 12. August 1812.
    • “… Künstler uns am vollendetsten geschienen”Aufführung der Räuber am 4. August, von Phädra am 9. August 1812.
    • “… oder die Wiederkehr des Frühlings”Aufführung am 17. August 1812 im Anschluss an die Braut von Messina; ausführliche Besprechung u. a. in Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 100 (20. August 1812).
    • “… , ländliches Gemählde, von Kotzebue”Premiere am 14. August 1812; Besprechung u. a. in Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, Nr. 99 (18. August 1812).
    • “… von hier nach Leipzig gereist”Abreise von Berlin am 31. August 1812.
    • “… und Liebhabern anerkannt zu sehen”Aufführungen am 10., 14. und 20. Juli 1812.
    • “… Abu Hassan , wird einstudirt”Die Berliner Erstaufführung der Oper fand am 28. Juli 1813 statt; vgl. die Presseberichte.

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