Friedrich Wilhelm Jähns an Peter Joseph Simrock in Bonn (Entwurf)
Berlin, Donnerstag, 2. November 1865

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Herrn Dr. Simrock, Chef der Handlung gleiches Namens

zu Bonn.

Wohlgeboren.

Euer Wohlgeboren

hatten im vorigen Jahre die große Güte, mir Betreffs meiner umfassenden Arbeit über C. M. v. Weber durch Übersendung der in Ihrem Besitze befindlichen Original-Manuskripte Weber’s einen großen Dienst zu leisten, deßen ich jederzeit in hohem Grade dankbar eingedenk bin.

In Rücksicht auf das Autograph des „Ersten Tons“ habe ich mitzutheilen, daß der Schlußchor der Ihnen an Ihrem Autograph fehlt, im Besitze von Herrn Henri Vieuxtemps ist und im Augenblick sich in meinen Händen zur Bearbeitung in Bezug auf mein Buch befindet. — Meine Notizen, die ich mir damals über Ihr Autograph machte lauten an der betreffenden Stelle: „Mit pag 2 (der 4ten Seite) beginnt das Manuscript, welches zum Schluß der pag. 40 (der 44. Seite) plötzlich abbricht“. Das Manuscript was mir jetzt Vieuxtemps gebracht, ist nun grade das fehlende Stück, indem es mit pag 41 anfängt und, 12 Seiten einnehmend (die ganze Schlußfuge), mit pag 52 abschließt, oder vielmehr wieder abbricht, denn noch 7 Tacte bis zum gänzlichen Schluß des opus fehlen. – Meine Frage ist jetzt: Befinden sich diese 7 Tacte noch in Ihrem Autograph? – Ich glaube es nicht, denn das hätte ich mir wohl bei meiner übrigen Genauigkeit notirt. – Eine ausdrückliche Versicherung Ihrerseits würde mich jedoch erst vollständig beruhigen.–

Durch Auffindung dieses Manuscript-Stückes ist nun in der That etwas Ungedrucktes aufgefunden, denn es enthält eben jene auf Abt Vogler’s Rath verworfene Fuge, statt deren Weber dann die schrieb, die sich nun gedruckt im Clavier-Auszug u. den einzelnen Stimmen vorfindet. Jedoch auch von dieser letzteren besitzen Sie das Original-Manuscript nicht, sonst hätten Sie es mir ja schon damals mitgesendet. Nur den Clavierauszug ohne die Stimmen besitzen Sie im Autograph, so wie dies meine Notizen ausweisen.

Gern hätte ich mir den ganzen „Ersten Ton“ in eine Partitur zusammen schreiben lassen, namentlich besonders die Schlußfuge, um dieselbe für immer zum Vergleich mit der ersten verworfenen zu haben. Ich darf wohl nicht nochmals Ihre Güte in Anspruch nehmen, das Autogr. des erst. Tones mir nochmals hieher zu senden um jene Copie [zu] nehmen, wobei sich zugleich obige Anfrage wegen jener 7 Schlußtacte für mich miterledigte? Ich fühle daß ich Ihnen […]richtigem Grund gebe mich unbescheiden zu nennen, und kan bitte jedenfalls um gütige Verzeihung. Im Fall es nicht anginge, mir das Autogr. nochmals zu Ansicht hieher zu gewähren, so würde ich um geneigte Beantw. der obigen Fragen wegen der Schlußtacte bitten und ferner: um freundliche Zusendung der einzelnen gedruckten Orchesterstimmen, aus denen ich mir dann eine Partitur zusammenschreiben lassen würde. – Außerdem würde ich dann noch bitten beizulegen das bei Ihnen erschienene Clavierstück betitelt: Fantaisie sur l’air fav. de C. M. de Weber: „Herz, mein Herz“ Es ist angezeigt pag. 30 Ihres Catalogs anno 1851*. Das Autogr. der 6 Sonaten op 10 hat sich so wie anderes Autographisches von Weber hat sich im Laufe dieser Zeit nicht nachträgl. bei Ihnen vorgefunden? Wie sehr würde ich auch darum bitten!

Würden Sie wohl die große Güte haben, mir ein Exemplar sämtlicher Orchesterstimmen hieher zu erlauben? Ich würde mir danach die Partitur zusammen schreiben lassen und Ihnen in besonderem Grade verbunden sein. – Diesen Stimmen

Nun noch eine schließliche Erkundigung über einen eigenthümlichen Sachverhalt.

Sie haben originaliter verlegt: 6 Sonates progressives pour Pfte. et Violin par C. M. v. Weber. op. 10. — Es finden sich in den sehr speziell geführten Tagebüchern Weber’s über diese Sonaten allerlei Notizen ebenso in seinen Briefen an seinen damaligen intimen Freund Gottfried Weber u. Joh,. Gänsbacher, abgedruckt in der Caecilie. die ich nicht unerwähnt lassen kann. Das Wesentlichste dieser C . M. v. Weberschen Tagebuchs- u. Brief-Notizen ist, daß er diese Sonaten zuerst an André verkauft hat. Bezüglich darauf schreibt C. M. v. Weber an seinen Freund Gänsbacher: „7. Dez 1810. Mannheim. – – – – ich verlangte mein Honorar von André, worauf er mir nur die Hälfte davon gab.“

24. Juni 1811 München (Tagebuch:) „Von Falter die von Simrock angewiesene Summe für die 6 Sonaten mit = 44 fl erhalten“ Nach diesen Notizen hat Weber

Hienach haben beide Verleger das Werk erworben, denn nach jener ersten Notiz im Brief an Gänsbacher erhielt er das Honorar wenn auch nur zur Hälfte von der Andréschen Handlung. Nach der TagebuchsNotiz vom 24. Juni 1811 erhielt er das Honorar von der Ihrigen. – Wie mag das zusammenhangen? Sie wissen, hochgeehrter Herr nichts darüber? Ich fürchte es!

Daß das Werk unbestritten Ihr Verlag ist, das unterliegt nicht dem leisesten Zweifel. Wie sich diese Angelegenheit jedoch damals gewendet haben mag, wäre aus mehrfachen Gründen mir sehr interessant. Ist doch ein gleiches Verhältniß bei den Canzonetten op 29. Ihres Verlags gewesen, welche auch zuerst Haas in Prag erworben, worauf sie Weber zurückkaufte und dieselbe dann Ihrer Handlung übergab*.—

Verzeihen Sie mir, sehr geehrter Herr daß ich so weitläufig geworden und Sie mit Erkundigungen zu plagen mich unterfange, über welche ich doch keine bestimmte Auskunft, fürchte ich, erlangen kann.

Jedenfalls gestatten Ew. mir, mich mit ganz gehorsamsten Danke schon im Voraus und dem Ausdrucke wahrhaftester Hochschätzung mich zu nennen Euer Wohlgeboren
sehr ergebenster F. W. Jähns, Königl. Mus. Director
Berlin: Krausen-Straße No 62.

Die Orchester Stimmen und die Fantasie würde ich vielleicht durch Ihre hiesige Firma Ihnen wieder zurücksenden dürfen (?)

Editorial

Summary

erbittet nochmals das im Verlag befindliche Autograph vom Ersten Ton, in dem der Schlußchor fehlt , das J. jetzt vom Besitzer Henri Vieuxtemps leihweise bekam; erbittet Aufschluß über die Honorierung der 6 Violinsonaten Webers, für die er ja auch vom Verlag André ein Teilhonorar empfing

Incipit

Euer Wohlgeboren hatten im vorigen Jahre die große Güte

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Draft: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. X, Nr. 1093

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “Ihrerseits”added above
  • “dann”added above
  • “ich”added above
  • “Ich darf wohl … auch darum bitten!”added in the margin
  • “wohl”added above
  • “nochmals”crossed out
  • “nochmals”added above
  • illegible text (approx. 1 word)
  • “kan”crossed out
  • “n”crossed out
  • “hat sich”crossed out
  • “u. Joh,. Gänsbacheradded above
  • “ die ich nicht unerwähnt lassen kann.”added above
  • “C. M. v.”added above
  • “von Andréadded above
  • Münchenadded above
  • “das Honorar”added above
  • “von der Andréschen Handlung.”added above
  • op 29.”added above
  • “Sie mit Erkundigungen zu plagen mich unterfange, über welche ich doch keine bestimmte Auskunft”crossed out
  • “fürchte ich, erlangen kann”crossed out
  • “Jedenfalls gestatten”crossed out
  • “Die Orchester Stimmen … zurücksenden dürfen (?)”added in the margin

Commentary

  • “… Berlin den 2. Nov. 65”Korrigiert aus: 23. oct.
  • “… 30 Ihres Catalogs anno 1851”Das Weber fälschlich zugeschriebene Lied Schweizerheimweh „Herz! mein Herz! Warum so traurig“ (Komponist: Franz Glück) hatte Friedrich Burgmüller der Fantaisie Nr. 3 aus seiner Sammlung Mon Séjour à Naples. 12 Mélodies variées pour le Pianoforte op. 43 zugrundegelegt. Die Simrock-Ausgabe von 1839 (VN: 3537) befindet sich in der Weberiana-Sammlung von Jähns (in D-B) unter Cl. IV B [Mappe XVII], Nr. 1316.
  • “… dieselbe dann Ihrer Handlung übergab”Tatsächlich schrieb Weber laut Tagebuch am 13. Mai 1814 an Haas wegen Rückgabe der Canzonetten, der rechtmäßige Erstdruck erschien trotzdem in dem Prager Verlagshaus. Verhandlungen Webers mit Simrock sind in diesem Falle nicht bekannt, bei der Simrock-Ausgabe dürfte es sich demnach um einen reinen Nachdruck ohne Zustimmung des Komponisten gehandelt haben. Anders verhält es sich mit den zeitgleich an Haas verkauften Duetten op. 30 (bzw. später op. 31), die Weber nach den Verhandlungen mit Haas ebenfalls zurückzog und dann an Schlesinger gab. Nach Erscheinen des Schlesinger-Erstdrucks (als op. 30, in späteren Ausgaben geändert zu op. 31) im Dezember 1814 beharrte Haas auf seinem Eigentumsrecht und brachte im März 1815 eine Konkurrenz-Ausgabe (als op. 30) heraus, so dass von dieser Sammlung zwei autorisierte Publikationen nach Originalvorlagen Webers existieren.

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