Aufführungsbesprechung London, Sommertheater der englischen Oper: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber, 22. Juli 1824

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Korrespondenz-Nachrichten.

London, den 23. Juli.

Endlich ist doch der Freyschütz, nachdem solcher seit drey Jahren die Bewunderung und das Vergnügen von Deutschland gewesen, auch hier auf die Bühne gebracht worden; aber nicht, wie man hätte erwarten sollen, in einem der großen Nationaltheater, Coventgarden oder Drurylane, sondern in dem Sommertheater der englischen Oper. Die Musik war schon seit einiger Zeit vor dem Publikum, und genoß des allgemeinen Beyfalls, dessen sie so sehr verdient; aber Kabalen gewisser kleiner und kleinlicher Komponisten, Vorurtheile und andere Ursachen, ließen die Eigenthümer der genannten Schauspielhäuser so lange mit der Aufführung der Oper zögern, bis Herr Arnold, der verständige Vorsteher dieses Theaters, ihnen zuvorkam, und sich das Verdienst erwarb, eines der herrlichsten Erzeugnisse deutscher Kunst auch in England volksthümlich zu machen; und eine gute Einnahme für viele Abende wird hoffentlich sein Lohn seyn. Freylich sind das Orchester und Personal, so wie das Maschinenwerk dieses verhältnismäßig kleinen Hauses zu beschränkt, um dieser Oper volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, obgleich alle Anstrengung gemacht wurde, solches zu bewirken. — Braham (als Max, hier Rodolph genannt) sang, wie immer, gut, (obgleich ich ihn bey vielen Gelegenheiten vorzüglicher fand,) spielte aber auch, wie immer, schlecht. Die Prima Donna (Agathe, hier Agnes), eine Miß Noel, ist ein junges Frauenzimmer von Talent, aber zu schwach für eine so wichtige Rolle. Miß Povey singt zwar sehr hübsch, ist aber für Aennchen in ihrem Wesen zu schwerfällig. Tayleure war in Kilian vortrefflich, und T. P. Cooke spielte den Teufel zum Entzücken. Leider aber wußte man für Kasparn Niemand zu finden, der ein gutes Spiel mit gutem Gesang vereinigen konnte, | und man verfiel daher auf den Gedanken, die Person zu trennen, und Herrn Bennett, einem recht gewandten Schauspieler, der dem Kaspar alle mögliche Gerechtigkeit widerfahren ließ, einen Gesellen, Namens Rollo (Herr Phillips), zuzugeben, der es auf eine geschickte Art anzufangen wußte, das Jammerthal und die Bravoure für ihn zu singen, jedoch hätte man wünschen können, für diese Rolle einen geübteren Sänger zu haben. — Es läßt sich denken, daß Veränderungen mit dem Stück vorgenommen wurden, und, so wie es fiel, theils zum Vortheil, theils zum Nachtheil; z. B. eine Scene gleich vor dem Schießen, zwischen Kaspar und Rollo, welche die Lage des erstern und seine Absichten auf Rodolph in einem kurzen Gespräch erklärt; Kilian, statt selbst eine Tänzerin aufzugreifen, spielt, munter umherspringend, den Tänzern auf einer Hirtenpfeife vor; im Trinklied ist der dritte Vers ausgelassen; dagegen ist im zweyten Akt ein Duett zwischen Rodolph und Aennchen, nach irgend einer deutschen Komposition, deren Namen ich mich aber eben nicht entsinne, eingeschaltet, so wie ein Abschiedslied vom erstern, das bekannte: „Nun gut Nacht!“ und ein Jägerlied von demselben im Anfange des dritten Akts. Die Gemäldescene ist übergangen, und für den Gesang sind Worte untergelegt, die auf Rodolphs Rückkehr Bezug haben; so ist auch für der Tante weißen Nase etwas Anderes gegeben, aber leider in beyden haben die Worte keinen Bezug auf die Musik; dagegen ist aber für den Jungfernkranz etwas weit Sinnigeres gegeben; aber der ganze Auftritt, da Vieles ausgefallen ist, eilend und unverständlich. Noch eilender und unverständlicher ist der Schluß, wo Agnes frisch und gesund hereingelaufen kommt, und nichts eine Erklärung herbeyzuführen scheint. — Ich habe bisher mit Fleiß nichts von der Beschwörungsscene erwähnt, weil diese im ganzen Charakter der Vorstellung eine Ausnahme macht, denn man muß bekennen, daß sie gänzlich fehlgeschlagen. Der Eule brannte das Feuer über dem Kopf, statt in den Augen; die Räder blieben brennend und verbrennend auf der Bühne stehen, und mußten endlich hoffnungslos wieder zurückgezogen werden; der Geist der Mutter war zu deutlich, der Schatten Agnesens zu körperhaft, und überhaupt der ganze Höllenspuk plump und übel angeordnet[.] Das Uhni der Geister klang pöbel- aber nicht geistermäßig. Indessen muß man dergleichen für einen ersten Versuch verzeihen. Das Haus war gedrängt voll, und das Stück wurde sehr gut aufgenommen und mit Beyfall zur Wiederholung verkündigt. Aber es waren auch eine große Menge Deutsche da, weßwegen man über dessen Aufnahme beym hiesigen Publikum noch nicht mit Gewißheit sprechen kann. Die Zeitungen sprechen inzwischen sehr vortheilhaft davon.

[…]

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung der Freischützaufführung am 22. Juli 1824 im Sommertheater der englischen Oper in London

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 18, Nr. 184 (2. August 1824), pp. 735–736

    Commentary

    • Uhnirecte “Uhui”.

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