Gotthold Leberecht Sachse an Benjamin Heinrich Gottlob Meyer in Dresden
Chemnitz, Samstag, 27. März 1824

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An

Hrn Benjamin Heinrich Gott-
lob Meyer
, Director des
Königl. Sächßℓ. Artillerie
Hautboisten Corps in Dresden
c.o.
md.

am 2n April 1824.
durch Schmidten zur Post be-
stellt
Tr Grötsch Obstdtsch*

Der Wunsch, unserer öffentlichen nach und nach leider sehr tief gesunkenen öffentlichen Chemnitzer Musik wieder aufzuhelfen, liegt uns sehr am Herzen, und wir sind fest entschloßen alles anzuwenden, was zu Erreichung dieses Zwekes mitwirken kann. Dem Urtheile aller Sachverständigen nach, ist es unumgänglich nothwendig, die zeither hier bestandene Einrichtung, nach welcher sechs Stadtpfeifer gehalten wurden, die den Ertrag ihrer Stellen gemein|schaftlich theilten, und die bey ungewöhnlichen Fällen erforderlichen Gehülfen auch gemeinschaftlich salarirten, – aufzuheben, einen des Faches kundigen Mann die Leitung der ganzen Musik zu übergeben, und ihm deren Besetzung durch seine eigenen Leute zu überlaßen.

Überzeugt von der Zweckmäsigkeit und Nutzbarkeit dieses Vorschlages, würden wir keinen Augenblick anstehen, solchen auszuführen, wenn nicht noch Fünf unter den obangegebenen Bedingungen engagirte Stadtpfeifer lebten, welche in die äuserste Verlegenheit und in die größte Noth versetzet werden würden, wenn man sie sofort ihres Dienstes entlaßen wollte. Nur nach und nach also, durch das Ableben dieser 5. Individuen läßt sich das gewünschte Ziel erreichen, allein deßen ohngeachtet muß schon jetzo dem Ganzen ein Director vorgesetzet wer|den, welcher an die Stelle des einen oder andern von den abgehenden wirklichen Stadtpfeifern einen Gesellen oder Gehülfen hält, und mit denen noch bleibenden Stadtpfeifern die Einnahme nach sechs Theilen theilet.

Wir würden Ihnen Ihrem beschehenem Ansuchen zu Folge, auf das so vortheilhafte Zeugniß des Herrn Capellmeister von Weber und nach dem was wir sonst von Ihnen in Erfahrung gebracht, die Stelle eines Musikdirectors in Chemnitz sofort übertragen, wenn Sie nicht in Ihren oberwehnten Ansuchungsschreiben solches nicht mit auf eine fixe Besoldung mit gerichtet hätten. Diese zu geben sind wir auser Stande, da eine solche Verwilligung ein zu bedeutendes Capital erfordert, deßen Ertrag gleichwohl und nicht auf unbestimmte Einnahme gegründet seyn kann und darf, wenn nicht der Geber | und Empfänger nur in große Verlegenheit kommen soll.

Jedoch auch ohne eine fixe Besoldung glauben wir, ein Director der hiesigen Musik so gestellet, daß er nicht nur sorgenfrey leben, sondern sich, besonders für die Zukunft, und wenn erst die Concurrenz mehrerer Stadtpfeifer aufhöret, einer nicht unbeträchtlichen Einnahme erfreuen kann.

Vor der Hand ist einer der letzteren verstorben, und der zweyte, der Thürmer Zöllner, hat unter der Bedingung, daß ihm eine von seinen Collegen verwilligte jährliche Pension von 40 rthlr. — — verabreichet wird, resigniert.

Der neue Musikdirector hätte daher, gegen Haltung eines Gesellen, oder Gehülfen schon zwey Sechstheile der Einnahme, vorausgesetzt daß der Stadtpfeifer, nächst den Emolumenten des Thürmerdienstes, welcher | auser freyer Wohnung und 6. Claftern jährlichen Deputatholz und 3. Schock Deputatreisig 52 rthlr. 20 gℓ. –. jährliche fixe Besoldung trägt, exclusive der Accidenzien, die wenigstens sich auf 20 bis 25 rthlr: — — belaufen, wird auf exclusive eines dem Thürmer zukommenden jährlichen Umgangs, mit dem aber weder eine Musik noch sonst eine Bemühung auser der des Einsammelns, verbunden ist, und welcher doch in hiesiger Stadt gewiß einen Ertrag von 50 bis 60 rthln — — gewehret, besonders wenn das Publicum erst wieder besere Musik hört, und Geschmack an selbiger gewinnt.

Unser zuletzt verstorbener Stadtpfeifer Stadtpfeifer Mäke, hat eine äuserst genaue Rechnung über seine Einnahmen während seiner Dienstzeit, vom 28. October 1799. an, bis zu seinem im December 1823. erfolgten | [Tod] geführet; aus dieser die wir ganz genau extrahiren laßen, ergiebt sich, daß er in diesen 25. Jahren im Durchschnitt jährlich als Stadtpfeifer      244 rthl. ,, — ,,       reine Einnahmen gehabt, allen Nebenverdienst für Unterricht, Notenschreiben und dergleichen abgerechnet.

Weil aber der Thürmer Zöllner nur bedingungsweise resigniret hat, und dem Musikdirector nicht wohl zuzumuthen ist, sich der Verrichtungen als Thürmer zu unterziehen, so wird der neuanzustellende Musikdirector noch zu berücksichtigen haben, daß er zu Zöllners Pension von 40 rh — jetzo jährlich noch Zwey Sechstheilen, und in Zukunft nach dem Verhältniße der Zahl der abgehenden Stadtpfeifer, bis zu Zöllners Ableben beyzutragen, auch dem Thürmergehülfen eine Entschädigung, welche jetzo in wöchentlich —, 12 gℓ —, und jährlich zwey Claftern Holz bestanden, zu gewehren hat. |

Einen großen Vortheil kann der neu anzustellende Musikdirector gewiß dadurch erlangen, daß er nicht genau so viel Gesellen zu halten braucht, als er zu Besezung eines guten Orchesters nöthig hat, indem es hier eine Menge Dilettanten giebt, welche zu jeder Zeit als Musiker, gegen Bezahlung Beystand leisten und nach Beendigung der Musiken ihren Hauptgeschäften nachgehen.

Wir glauben diese ausführliche Mittheilung uns, Ihnen und der guten Sache schuldig zu seyn, und gewärtigen uns Ihrer dießfallsigen baldigen Erklärung: ob Sie unter diesen Umständen Ihrem Antrage auf eine fixe Besoldung, auser der obangegebenen zu entsagen, und bey Besetzung der Stelle eines Musikdirectors in Chemnitz noch mit zu concurriren gemeynet seyn sollten.

Editorial

Summary

steht grundsätzlich seiner Bewerbung auf die Musikdirektorenstelle positiv gegenüber, kann ihm jedoch kein festes Gehalt zusichern und erläutert dessen mögliche Einkünfte im einzelnen und fragt, ob er unter diesen Umständen seine Bewerbung aufrechthalten möchte

Incipit

Der Wunsch, unserer öffentlichen nach und nach

Tradition

  • Text Source: Chemnitz (D), Stadtarchiv Chemnitz (D-CHr), Bestand Rat der Stadt bis 1928
    Shelf mark: II, III, 68b, vol. IV, Bl. 271v-274v

    Physical Description

    • Abschrift, adressiert “An Einen Edℓ. und Hochweisen Stadtrath Chemnitz.”
    • 7 b. S. = 1. Seite auf der Versoseite von Webers Brief, folgend 3 Bl. mit 6 b. S.

Text Constitution

  • “öffentlichen”sic!
  • “… alles anzuwenden, was zu Erreichung”Der Wortteil „reich“ wurde ursprünglich durch drübergeschriebenes „lang“ ersetzt, jedoch nicht gestrichen, vielmehr die ursprüngliche Form unterpunktet, unklar, was gemeint.
  • Fünf“Vier” overwritten with “Fünf
  • “in Chemnitzadded above
  • “solches”added above
  • “mit”added above
  • “mit”crossed out
  • “nur”uncertain transcription
  • “wir”added above
  • “52 rthlr.”added in the margin
  • “fixe”added above
  • “auf”crossed out
  • exclusiveadded above
  • “dem Verhältniße”added above
  • “in Chemnitzadded above

Commentary

  • “… be stellt Tr Grötsch Obstdtsch”Das sind Gottlob Wilhelm Schmidt, Diener bei der Ratsexpedition, und Traugott Leberecht Grötsch, Oberstadtschreiber.

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