Franz Anton von Weber an Friedrich August, Fürstbischof von Lübeck in Eutin
Eutin, Dienstag, 19. Februar 1782

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Unterthanigste Vorstellung und Bitte
Mein
Des CapellMeisters Franz Anton vWeber
ut intus
Anlage Litt A. |
Copia

Es ist Euer Hochfürstl Durchl gnädigst gefällig gewesen, mir in dem abgewichnen Jahre den Verlust der Hälfte meines bisher genoßenen Gehalts androhen zu laßen, und ich erfahre mit wehemuths vollem Herzen, das dies Höchste Drohung nun mehr würklich gegen mich in Erfüllung gehet, und so öfnet sich mir dann eine Zukunft, die jede glückliche aussicht, unter welcher ich in die Dienste des Besten Fürsten trat, in die schrecklichsten Bilder der Schwermuth verwandelt.

Mögten die Klagen, die vor E: Hochfürstl Durchl ich jetzt auszuschütten, mich unterthänigst erdreiste, mögte die gewißenhafte Darstellung meiner Traurigen Lage vermögendt seyn, meinem Schicksale eine günstigere Wendung zu geben!      Gewisenhaft ohne alle übertreibung will ich es wagen, mein ganzes Mißgeschick in seinem Anfange und Fortgange unterthänigst zu schildern, den Vater der Bekümmerten kan eine umständliche Erzählung nicht beleidigen, oder ermüden.

Bekanntlich Gnädigster Herr! war ich bey dem Theater zu Lübeck als MusickDirector angestellt.      Hier wurde mir eine jährliche Besoldung ausgeworfen, wovon ich mit den Meinigen um so bequemer leben konnte, als ich Gelegenheit hatte, nebenher durch einen gut bezahlten unterricht in Vocal und Instrumental Musick Manchen Thaler zu erwerben. Die wenigen Verbindungen, worinn ich, meinen Umständen nach, stunde oder stehen durfte, machten mir die Fühung einer eigenen Haushaltung, mithin einen grosen Theil der jenigen Ausgaben unnöthig, die dermalen meine Einnahme erhöhten.      Der MusickDirector einer ReichsStädtschen Schaubühne | durfte in allen andern Arten des Aufwandes, die durch Beziehung oder Gewohnheit an Höfen Nothwendig werden, sparsam seyn, ohne den Vorwurf einer beleidigten Anständigkeit zu befürchten.      Dabey, und bey der vollständigen Kenntnüs desjenigen, was zu einer Direction erfordert wird, konnte ich sicher erwarten, auf den zwar unvermutheten, aber doch nicht unmöglichen Fall, das entweder die Zufriedenheit der Lübecker gegen mich wandelbar, oder gar das Schauspiel aufgehoben würde, bey jedem Theater für mich und Meine Kinder Brodt zu finden.      So, Durchlauchtigster Fürst und Herr! stunden die Sachen, als mich mein Schicksal zuerst hirher führte, und in mir den brennenden Wunsch entstehen ließ, das Theaterleben, das, wenn es gleich nährt, dennoch mit vielfältigen Unannehmlichkeiten, Reibereyen, und üblen Nachreden vergesellschaftet ist, gegen die ruhigern, ehrenvollern, und von jedermann glücklich gepriesenen Dienste E: H. D: vertauschen zu dürfen. Höchstdieselben nahmen meinen Wunsch nicht ungnädig auf, sondern entschloßen sich Huldreichst, mir in der Bedienung Höchst Dero Capellmeisters ein Engagement beyzulegen, welches ich nicht anders als daurendt halten konnte, da daßelbe vermöge der mir ertheilten gnädigsten Bestallung auf keine gewiße Zeit, noch auch auf gewiße Bedingungen eingeschränkt war, mithin die vollkomnen Eigenschaften eines solchen muneriss perpetui hatte, wie sich deßen alle mit mir auf gleiche Weise engagirte Herrschaftliche Bediente, hisiger Verfaßung nach, zu erfreuen haben.      Die Rührungen der unterthänigsten Ehrfurcht, des grenzenlosen Dankes, mit welchen ich dies Engagement annahm, sind viel zu gros, als das Worte ihre Dollmetscher werden könnten. |

Nun gieng mein ganzes Bestreben dahin, mich so einzurichten, das ich mit Anstandt in dem Posten erscheinen mögte, der von Euer Hochfurstl Durchl mir Gnädigst anbetraut war. Ich muste deßfalls mich, meine Frau und meine Kinder in schickliche Kleydung sezen, muste, da ich nun eine eigne Haushaltung führen sollte, Betten, und Leinenzeug, Schränke, Tische, Stühle, und alles andere Geräthe nothdürftig anschaffen, und solchergestallt, wie leichtlich zu ermeßen steht, mir eine nicht geringe Schuldenlast auf den Hals ziehen. Sie, dise Schuldenlast, würde mir fürchterlich geworden seyn, wenn mich nicht der Gedancke beruhigt hätte, das ich in dem sichern Genuße meines Dienstes Jahre genug verleben würde, diselbe nach und nach gänzlich von mir abwälzen zu können. Eben dieser Gedancke leitete mich, als ich in der Folge die Pflichten eines zärtlichen Vaters und Ehemannes erfüllte, indem ich zwey von meinen Kindern mit schweren Kosten zu LudwigsLust unterrichten, darnächst auch meiner Frau in der hiesigen Wittwen Caße eine Pension von 100 rh. versichern lies*.      Wie gros, wie schmerzlich war daher meine Bestürzung, als mir nach der kurzen DienstZeit von zweyen Jahren die Bedeutung geschah, das meine Besoldung bis auf die Hälfte eingezogen werden sollte! Alle Umständte, besonders in der Verbindung, wie ich sie vorhin unterthänigst detaillirt habe, rechtfertigen dise Bestürzung, und werden noch jezt, wie ich tief nidrigst glauben mag, bey Euer Hochfürstl Durchl für mich das Wort reden.      In der gegründeten Hoffnung eines daurenden Engagements habe ich mich in Schulden vertieft, die ich bey einer Pension | von 200 rh. so wenig abzutragen vermag, das ich vilmehr genöthiget wäre, sie Jährlich zu vermehren, da der Beytrag zur WittwenCaße, HausMiethe und Feurung allein schon den grösten Theil diser Pension absorbiren.

Das die hiesige Capelle eingehen müßen, hieng freylich von Euer Hochfürstl Durchl gnädigstem Wohlgefallen ab. Es kan aber Höchst Dero Absicht nicht seyn, das ich hierunter leyden solle, da meine Bestallung auf disen unerwarteten Fall nicht gerichtet, sondern mir ohne Vorbehalt irgend einiger Bedingung huldreichst zugefertiget ist. Auch giebt mir mein Gewißen Zeugnüs, wie gerne ich durch würckliche Arbeiten meinen Lohn verdienen mögte.

Die Verminderung der Salarij die einem zum beständigen Officio engagirten Bedienten wiederfährt, ist, ihrer eigentlichen Absicht nach, eine Strafe. sezet nun Strafe Verbrechen zum voraus, so müste ich ein solches Verbrechen mir haben zu Schulden kommen laßen, welches, nach geschehener Untersuchung groß genug wäre, mit dem Verluste meiner halben Besoldung geahndet zu werden. Ich bin ein Mensch, Gnädigster Herr! villeicht mehr Mensch, als ein anderer. Ich kan aus Unwüßenheit, Unachtsamkeit, Sorglosigkeit, Übereilung Fehler begehen. Vorsezlich aber habe ich mich keines einzigen gegen Euer Hochfürstl Durchl schuldig gemacht, und der Vorsaz ist es ja nur, der bey Fehlern bestraft wird. Wollten E: H: D: mir Höchst Ihro Hülfe und Gnade entziehn, so wäre mein und der Meinigen Unglück ent|schieden, denn ich weis mir auf keine Weise zu rathen. Sollte ich wieder zum Theater gehen? EinesTheils hält das jetzt, da ich außer Connexion gekommen bin, äußerst schwehr, andernTheils würden meine Creditores, wenn ich nur Miene machte, zu weichen, mich von allen Seiten packen, und Hand auf das Meinige legen, drittens aber und Haubtsächlich will es mir verkleinerlich scheinen, das ein Mann, dem ehemals das Glück widerfuhr, als CapellMstr eines glänzenden Hofes die Musik zu dirigieren, sich nun von einem Comödianten zu eben der Absicht dingen laßen solle; oder sollte ich bey einem andern Hofe Dienste suchen? Nichts, Gnädigster Herr! ist zu disem Endzwecke von mir unversucht geblieben. Ich habe mich nach LudwigsLust, Caßel, Coppenhagen, und andere Orte mehr gewandt, habe alle meine Freunde aufgebohten, mir eine Versorgung auszumachen. Umsonst! Nirgendts war ein Pläzchen für mich offen.

Euer Hochfürstl Durchlaucht werfe ich mich demnach mit den Gefährden meines Kummers, Meinem Weibe, und meinen Kindern, unterthänigst zu Füßen, flehe um Gnade, flehe, das auch ich zu den Erwartungen anderer Hochfürstl Bedienten berechtigt seyn dürfe, flehe um die Beybehaltung Meiner mir huldreichst ehedem zugesicherten und verschriebenen Besoldung.      Mit den bittersten Thränen sehe ich auf einen Theil meiner verfloßenen frühern Tage zurück, die durch die außerordentlichsten und empfindlichsten Schickungen bezeichnet worden. Mögte doch der künftige Theil | Meines Lebens reichhaltiger an glücklichen Erfahrungen, und unter diesen Erfahrungen diejenige die erste seyn, das Euer Hochfürstl Durchlaucht mich nicht ungetröstet von sich laßen!

In der tiefsten Unterthänigkeit ersterbe ich
Euer HochFürstℓn Durchlaucht pp.
unterthanigster
FAvWeber

Editorial

Summary

Klage wegen der Halbierung seines Gehalts; schildert ausführlich seine Situation mit Vorgeschichte; hat sich in Hoffnung auf dauerhaftes Engagement verschuldet; auch seine Bemühungen um anderweitige Stelle waren ergebnislos

Incipit

Es ist Euer Hochfürstl Durchl gnädigst gefällig

General Remark

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler

Tradition

  • Text Source: Copy by the author: Oldenburg (D), Niedersächsisches Landesarchiv – Standort Oldenburg (D-OLns)
    Shelf mark: 30/5-46-1, fol. 8–11

    Physical Description

    • 2 DBl. (7 b. S.)
    • entgegen der Bezeichnung “Copia” vollständig von der Hand Franz Anton von Webers

    Corresponding sources

    • Schwab, Heinrich W.: Zur Musikkultur des Adels in Schleswig-Holstein gegen Ende des 18. Jahrhunderts, in: Staatsdient und Menschlichkeit. Studien zur Adelskultur des späten 18. Jahrhunderts in Schleswig-Holstein und Dänemark (Kieler Studien zur deutschen Literaturgeschichte, Bd. 14), Neumünster 1980, S. 207–209
    • Viertel, Matthias: Die Musik am Eutiner Hof. Von der Reformation zur Revolution, Eutin 1991, S. 117–119 (mit Teilfaks. S. 116, Bl. 1r)

    Commentary

    • “… von 100 rh. versichern lies”Vgl. Ludwig Kohli, Handbuch einer historisch-statistisch-geographischen Beschreibung des Herzogthums Oldenburg sammt der Erbherrschaft Jever, und der beiden Fürstenthümer Lübeck und Birkenfeld, Bd. 1, Bremen 1824, S. 330: „Die seit dem J. 1779 bestehende Wittwen- und Waisen-Kasse, womit nachher (1782) eine Leibrenten-Kasse verbunden wurde, ist nicht nur für das Herzogthum Oldenburg, sondern auch für das Fürstenthum Lübeck bestimmt, so daß alle beweibten Staatsbeamten, nach Verhältniß ihrer Dienst-Einkünfte, in dieselbe für ihre Frauen einsetzen müssen, und zwar entweder auf Kapital-Fuß oder auf Contributions-Fuß.“

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