Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 18. bis 24. November 1817
Am 18. November. Die Ahnfrau. Trauerspiel in 5 Akten, von Grillparzer.
Am 19. November. Il barbiere di Siviglia,
Am 20. November. Phädra. Trauerspiel in drei Aufzügen aus dem französischen des Racine von Schiller. Wir freuten uns nach langer Pause dieses interessante Stück wieder auf unsre Bühne erscheinen zu sehen, welches schon dadurch, daß Schiller es verdeutschte, die fortdauernde Aufmerksamkeit aller Directionen verdient, ob schon die Fehler seiner Abkunft auch trotz dieses schönen Gewandes noch hie und da durchblicken. Mad. Vohs gab als Gast die Phädra, eine bei weitem schwierigere Aufgabe als Octavia, wir fanden jedoch, daß sie dieselbe fast in allen Punkten lößte. Weislich mäßigte sie die Ausbrüche der Verirrungen des verbrecherischliebenden Weibes, und gab um so tiefer erschütternd die Momente des Kampfes wie nachher der Reue. Schade, daß im ersten Akte manches durch einen Fehler Oenonens verloren ging. Ihr Spiel war wahrhaft tragisch und gehalten, nur scheint sie zu oft gleiche Gänge auf der Tonleiter der Stimme ohne Zwischensätze zu machen, wodurch manchmal eine Art Eintönigkeit entsteht. Würdig standen ihr Mad. Schirmer als Aricia und Herr Hellwig als Theseus zur Seite, dessen Anrufung an Neptun meisterhaft genannt werden muß. Auch Herr Kanow spielte als Hypolit mit Wärme und Kraft, nur hätten wir in einigen Stellen die Mäßigung der letztern mehr gewünscht, durch welche ihn eben andre recht vorzüglich gelangen. Die Erzählung Herrn Herrmanns als Theramen war lobenswerth.
Am 22. November. Zum erstenmale: Ser Marcantonio, von Pavesi. Mit allgemeinem Beifall wurde diese reizende, ächtkomische Oper aufgenommen, und zum guten Zeichen kann man es nehmen, daß gerade heute, zum Cecilienfest, die liebliche Carolina Benelli zum erstenmale in dem komischen Rollenfach auftrat. Sie ist geschaffen Thaliens Liebling zu werden, und gab diese Bettina mit so viel Grazie, so holder Schalkhaftigkeit, so feinem Muthwillen und ausdrucksvollem Mienenspiel, daß man in der Künstlerin die Anfängerin nicht mehr wiederfand. Sie hat im Spiel völlige Unbefangenheit gewonnen, nur ihre Stimme verrieth im Anfang sehr jugendliche Schüchternheit. Doch, ihre treffliche Methode siegte, und sie sang dann, sobald die Stimme sie wieder unterstützte, mit dem reizendsten Vortrag und ¦ mit ächter Kunst. Ihre langausgehaltnen Töne sind eben so schön, so schwellend weich und rund, wie ihre Passagen leicht und sicher. Ausgezeichnet ist ihr Piano und Mezzoforte, denn auch wenn es zum leisesten Hauch wird, bleibt alles deutlich und klar. Sie besiegt ohne alle scheinbare Anstrengung sehr große Schwierigkeiten, und man fühlt, daß ihre Musikkenntnisse gründlich sind. Dabei ist ihre Aussprache sehr deutlich. Ihr Kostume war geschmackvoll und völlig passend. Die Oper selbst ist ganz allerliebst, voll Feuer und Laune, und wurde köstlich ausgeführt. Signor Sassaroli gab den Marcantonio ausgezeichnet brav und sang seine große komische Arie trefflich, so wie auch die Signori Tibaldi und Benincasa ihre Rollen mit Geist und Liebe ausführten. Wir behalten es uns vor, nach einem zweiten Hören noch einige Worte über die einzelnen Musikstücke zu sagen, in denen allen südliche Fröhlichkeit und reges Leben athmet.
Am 23. November. Vandyks Landleben. Mit gewohntem Beifall wiederholt.
Am 24. November. Stille Wasser sind betrüglich. Wir haben uns mit den Hauptcharacteren der Baronin Holmbach und des Baron Wiburg, die von Mad. Vohs und Herrn Werdy nicht ohne Beifall gegeben wurden, nie recht versöhnen können, und darum hat uns auch noch keine Darstellung derselben Genüge geleistet. Unmöglich ists und bleibt es, daß eine so fein gebildete Frau, wie die Baronin, selbst im höchsten Trotz, solch einem Tölpel, wie der verstellte Baron ist, ihre Hand geben könne, denn die Weltfrau scheut am allermeisten das Lächerlichwerden, daher kann sie denn auch, besonders in den ersten Akten, ihren Charakter nie fest zeichnen, und in den letzten macht die Gebeugte und Beschämte ohnedem keine interessante Figur. Eben so ists mit dem Baron. Wie kann ein Offizier, ein verdienter Offizier, sich dazu hergeben, eine solche Rolle zu spielen, nicht bloß auf Augenblicke der Baronin gegenüber, sondern wenigstens eine Zeitlang öffentlich!! Und wie kann die feine Frau, wie sie es doch seyn soll, ihn nicht durchschauen? Und wollte er den Charakter in den ersten Akten mehr blos beschränkt, als geradezu einfältig anlegen, so widerspricht er den ausdrücklichen Worten die der Dichter ihn sagen läßt. Die höchste Spitze ist übrigens auch die, auf welcher er in den letzten Akten steht, unmännlich aber nicht grob, bestimmt aber nicht unartig zu werden. Wir haben schon manchen Schauspieler daran scheitern sehen.
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden: 18. bis 24. November 1817
Creation
vor 5. Dezember 1817
Tradition
-
Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 291 (5. Dezember 1817), f 2v