Gedicht auf Carl Maria von Weber und Bericht über seine letzten Tage in London
Karl Maria Freiherr von Weber.
Es war am 16. Februar d. J., als Karl Maria von Weber Dresden verließ, um seinen für das Coventgarden-Theater in London componirten Oberon dort selbst aufzuführen, ein Conzert zu geben, und rückkehrend über die von Paris an ihn schon früher gelangten Anträge wegen Composition einer Oper für die dortige Bühne sich daselbst näher zu verständigen. Unsre innigsten Wünsche begleiteten ihn, denn wenn wir den allgemein gefeierten Meister bewunderten gleich andern, liebten wir ihn nur um so inniger, je mehr alle ihm Näherstehenden seine herzliche Freundschaft, seine heitre Bescheidenheit, | seine unermüdliche Berufstreue erkannten. Aus den Armen seiner heisgeliebten Gattin riß er sich, nicht um dem Ruhme nachzueilen, denn dessen bedurfte er nicht, sondern um bei den ihm versprochenen und in der Aussicht gezeigten wichtigen Vortheilen einer solchen Reise, für seine theure Frau, seine ihm so überaus lieben Kinder ein kleines Vermögen zu erwerben, das hinreiche zur Vollendung der Erziehung der letztern. Denn er fühlte wohl schon seit einiger Zeit eine Abnahme seiner Kräfte, und mancher Krankheitsanfall hatte bereits die bangen Besorgnisse seiner Freunde geweckt. Neue Stärke schien aber jener Gedanke, jene heitere Aussicht ihm zu geben, und die letzte Zeit vor seiner Reise war er, obgleich viel beschäftigt in jeder Art, doch schmerzenloser und rüstiger als je. So gaben wir uns denn den angenehmsten Hoffnungen der Erfüllung seiner Wünsche und einer glücklichen, doppeltfrohen Rückkehr hin, auch beruhigte es uns nicht wenig, daß er im Geleite eines Freundes, des durch seine Virtuosität auf der Flöte bekannten Camm. Musik. Fürstenau reisete, der für ihn mit liebendem Herzen zu sorgen versprach, und es gehalten hat – ach! bis zu der letzten traurigen Katastrophe.
Alle Berichte lauteten freundlich, die Reise schien in jeder Hinsicht günstig auf ihn einzuwirken, und die ausgezeichnete Aufnahme, die er gleich beim Betreten des englischen Bodens und dann vielfach in London vorfand, wirkte geistig und körperlich wohlthätig auf ihn. Groß waren freilich sogliech die Anstrengungen, deren er sich bis zur Aufführung seines Oberon unterziehen mußte, da noch überdieß die Ouvertüre und ein Theil des dritten Akts in London selbst ausgearbeitet wurden, und sie konnten nicht anders als nachtheilig auf einen Körper wirken, der offenbar schon lange dem Auffluge eines Geistes erlag, welcher dessen Fesseln weder achten konnte noch wollte. Besonders war sein Nervensystem außerordentlich angegriffen, und der Husten, der ihn schon seit längerer Zeit geplagt, auf der Reise aber in etwas sich verloren hatte, nahm wieder überhand, und es gesellte sich eine beängstigende Engbrüstigkeit dazu.
Welche glänzende Aufnahme sein Oberon gefunden habe, ist bekannt, auch diese Blätter haben Nachricht darüber gegeben. Aber die erwarteten Vortheile davon realisirten sich keinesweges so, daß sie den Anstrengungen des Meisters entsprochen hätten, der seine letzte Lebenskraft daran wendete, in¦deß andere sich dieselben aneigneten. Eine besondre Hoffnung zur Entschädigung dafür setzte er daher auf sein am 26. Mai zu gebendes Conzert. Aber leider erfüllte auch dieses nicht im mindesten die Erwartungen, die er sich davon gemacht hatte, so daß diese für ihn so schmerzliche Täuschung bei der Reizbarkeit seines Gemüths und Körpers ohnstreitig bedeutenden Einfluß auf das schnellere Hinwelken hatte. Er fühlte sich nach dem Conzerte auf’s höchste ermattet, und äußerte zu einem deutschen, dort als Kaufmann etablirten Freunde, dessen Nähe ihm immer sehr tröstend und angenehm war: „Was sagen Sie zu dem leeren Saale? So ist Weber in London!“ Seit diesem Tage nahm seine Krankheit einen sehr bedenklichen Karakter an, besonders durch Anschwellung der Füße und eine sehr heftige Diarrhoe, wodurch die wenigen Kräfte, welche er noch besaß, gänzlich erschöpft wurden.
Doch ich lasse nun seinen treuen Begleiter Fürstenau selbst einfach und innig von den letzten Tagen des Verewigten erzählen, deren Zeuge er war.
„Am 30. May fuhr ich Abends mit ihm in Miß Patons Benefizkonzert, wo er seine Freischütz-Ouvertüre gab. An diesem Abende war er sehr krank, und konnte kaum 2 Schritte gehn, ohne sich auf mich zu stützen. Er war ganz athemlos, und versprach mir auch, als wir mit Mühe nach Hause gekommen waren, Aehnliches für jetzt nicht wieder zu unternehmen. Der folgende Tag war jedoch viel besser. Er speis’te auswärts, und versicherte mich am 1. Juny, daß er einen heitern Mittag gehabt habe. Jetzt machte ich ihm den Vorschlag, nicht über Paris, sondern direkt über Brüssel wieder zurückzukehren, und so die Reise in die Heimath möglichst abzukürzen. Diesen Vorschlag nahm er mit Freuden an, und ward dadurch recht heiter gestimmt. Doch war er an diesem Abende, wo Herr Göschen und sein Arzt Dr. Kind, beide aus Leipzig, welche er sehr schätzte und achtete, bei ihm sich befanden, noch sehr krank und angegriffen, und in einem steten Fieberzustande. Mein dringendes Bitten, mir zu erlauben, die Nacht bei ihm zuzubringen, genehmigte er nicht, auch nicht, daß irgend jemand anderes bei ihm wachen solle, obgleich der Chev. Smart, in dessen Hause er wohnte, durchaus seinen Bedienten im Nebenzimmer schlafen lassen wollte, und verbat sich ernstlich dergleichen Anerbieten, unter der Aeußerung, er sey nicht so krank, als wir ihn machten. |
„Am 2. Juny war er wieder etwas besser und nun beschloß er, sein für den 6. Juny bestimmtes Benefiz, wo er den Freischütz dirigiren sollte, aufzugeben, und bereits am 7. d. abzureisen. Sonnabends am 3. fühlte er sich wieder kränker – ein Beweis des fieberhaften Zustandes – und ich, sein Arzt und Göschen blieben während des ganzen Tages bei ihm, dagegen ging es Sonntag am 4ten wieder besser, er speis’te in Gesellschaft Smart’s mit ziemlichem Appetite und trank ein Paar‡ Gläser Wein. Des Abends waren die eben gedachten Freunde wieder bei ihm, er übertrug ihnen und mir noch mehrere Commissionen zum Einkauf einiger Andenken für seine Freunde und sprach mit außerordentlicher Lebendigkeit von der Reise. Jedoch machten wir ihm, besonders aber sein Arzt, dagegen dringende Einwendungen, die er aber auf alle Art abzulehnen suchte, und nur dann wieder recht froh ward und gleichsam neu aufzuathmen schien, wenn er unsre Gründe besiegt zu haben glaubte. Von der Herbeirufung eines zweiten Arzts, um über die Reise sich dessen Rath zu erbitten, wollte er gar nichts hören, bis endlich Dr. Kind auf’s innigste in ihn drang und er es auf vieles Bitten, jedoch mit der Aeußerung bewilligte, Mittwoch müsse aber doch die Reise vor sich gehn. Als wir nachher allein waren, verlangte er meinen Handschlag und das Versprechen, der Reise nichts in den Weg zu legen, sondern sie möglichst zu befördern. Wie ich vor diesem Unternehmen aber bangte und zitterte, vermögen Worte nicht zu beschreiben. – Doch es war im Buch des Schicksals anders niedergeschrieben! – Göschen und Kind gingen um 10 Uhr fort und ich blieb noch bis um halb 12 Uhr bei Weber, theils um zu sehen, wie es mit ihm gehe, theils um ihm, da er ein spanisches Fliegenpflaster auf der Brust hatte, und von niemand ähnliche Dienstleistungen, als von mir mit liebevoller freundschaftlicher Dankbarkeit annahm, beim Auskleiden behülflich zu seyn. Endlich trieb er mich fort und sagte recht heiter, daß er nun schlafen wolle. Ich ging, und, wie ich auf die Straße – great Portland Street – kam, sah ich noch zu seinen Fenstern – Haus-Nr. 91 – hinauf und bemerkte, daß er bereits sein Licht ausgelöscht habe.
„So ging ich denn mit Beruhigung nach Hause, da mir Weber noch beim Fortgehn sein innigstes Dankgefühl für meinen Beistand, mit der ¦ ihm so ganz eigenthümlichen Lieblichkeit und Herzlichkeit ausgedrückt hatte, und trotz nochmaligem Anerbietens mein Beiihmbleiben durchaus nicht genehmigen wollte.
„Montags am 5. Juny früh um halb 7 Uhr aber schickte Chev. Smart bereits zu mir, und ließ mir melden, daß Weber sein Zimmer nicht öffne. Nun schlief er stets, sowohl auf der Reise als daheim, bei verschlossenen Thüren, und sonach hatt er sich auch an dem letzten Abende nach meinem Fortgehen eingeschlossen. Das Schrecklichste ahnend eile ich in Smart’s Haus. Wir öffnen die Thüre, da nach heftigem Pochen kein Lebenszeichen sich innerhalb vernehmen läßt, mit Gewalt, – und finden den Geliebten im Bette liegend, den Kopf in die Hand gelegt, wie süß schlummernd – ohne Leben!! – Daß sein Ende schmerzlos und sehr sanft gewesen seyn mußte, zeigten die milden und gleichsam heiter verklärten Züge seines Gesichts. Wir sandten sogleich nach ärztlicher Hülfe, doch zu spät! Er war nicht mehr in’s Leben zurückzurufen. Die Meinung der Aerzte ging dahin: er scheine etwa um 2 Uhr in der Nacht verschieden zu seyn. Also wenige Stunden, nachdem er mir und ich ihm gute Nacht gewünscht hatte!“
So weit der Bericht des wackern Freundes, welcher der letzte war, dem er die Hand drückte, ehe er hinüberging in das Reich des ewigen Lichts und Wohllauts.
Noch an demselben Tage gegen Abend ward von Webers Aerzten, Kind und Jenken, so wie Dr. Forber und Wundarzte Robinson sein Körper geöffnet, und es fand sich ein Geschwür an der linken Seite des Kehlkopfs vor, die Lungen befanden sich fast ganz in krankhaftem, knotigen Zustande, auch zwei bedeutende Geschwüre, von denen das eine die Größe eines Hühnereyes hatte; ausreichende Ursachen seines unabwendbaren Todes.
Und so übereilte ihn denn dieser in der Blüthe seiner männlichen Jahre. Denn noch hatte er das 39ste nicht vollendet! Was hatte er schon geleistet, und was wäre noch von ihm zu erwarten gewesen! Aber fast immer eilen die höhern Geister wieder früh zu der Heimath zurück, welcher sie entstammten, und wie eine englische Zeitschrift sehr wahr bemerkt, „ward er, ohnstreitig einer der größten Tonsetzer, die seit Mozart existirten, gleich ihm, der Kunst, deren Zierde er war, entrissen, ehe | man sagen konnte, daß sein Genius uns alles das überliefert habe, was in seiner Schöpferkraft ruhte.“
Seine letzte Tonschöpfung war ohnstreitig eine Arie für Miß Stephens, und sonderbar sind die Umstände, welche dabei vorwalteten. Wir führen hier die Worte des Morning Chronikle darüber an. „Am 25.‡ May gab Weber sein Conzert in Argill-rooms, welches er selbst dirigirte und darin mehrere neue Compositionen von ausgezeichnetem Verdienste aufführte. Eine der merkwürdigsten war ein Lied aus Lala Roogkh von Moore, das er ausdrücklich für Miß Stephens componirt hatte, und selbst auf dem Pianoforte begleitete!“ Ich versuche eine deutsche Uebersetzung des englischen Texts.
Giebt es eine treffendere Charakterisirung seiner Tonschöpfungen, seiner Meisterschaft über die Herzen durch die Gewalt wie durch die Milde seiner Töne, als die unterstrichenen Zeilen aus seinem letzten Werke? Doch weiter in der Anzeige.
„Weber hatte nur die Noten für den Gesang niedergeschrieben, bei der Aufführung accompagnirte er blos aus der Erinnerung an die dabei gehabte Idee die Sängerin auf dem Pianoforte. Er hatte sich wegen der Kürze der Zeit nicht das Geringste davon notiren können, war es nachher zu thun nicht im Stande, und es dürfte nun wohl eine Aufgabe für die ersten Tonsetzer unserer Zeit seyn, wer am Besten im Stande seyn möchte, das, was er sonach unvollendet ließ, auszufüllen. Seine bewundernswerthe Sorgfältigkeit bei allem, was er unternahm, zeigte sich auch hier. Ehe er sich nämlich dahin bewegen ließ, die Composition jenes Liedes zu versprechen, bestand er darauf, das ganze Gedicht erst zu lesen, da er es bisher noch nicht kannte. Er las es und ward von der innigsten Achtung für den Dichter durchdrungen, so daß er sehr wünschte, dessen Bekanntschaft zu machen.“
Wie oben gedacht, sollte am 6. Juny, – dem Tag nach seinem Tode – sein Benefiz seyn, das er schon früher wegen Unpäßlichkeit abgelehnt hatte, nach eingelaufenen Nachrichten jedoch wird es nunmehr zum Besten seiner Nachgelassenen noch gegeben werden, und mit Vergnügen bemerkt man, daß das erwähnte englische Tageblatt darüber schreibt:
„Seine Familie wird den daraus zu gewartenden Vortheil nicht verlieren, sondern gewiß durch die gesteigerte öffentliche Theilnahme an ihrem großen Verluste bei erster Gelegenheit, welche die Di¦rektoren von Cov. Garden nur finden können, ihn mehr als verdoppelt sehen.“
Bedeutsame Worte, die in Deutschland, in des Verewigten Vaterlande, bei weitem lauter und voller noch wiedertönen müssen. Denn nothwendig fragt sich jetzt jeder, den je Webers Schöpfungen erhoben und erfreuten – und wo wäre ein Gemüth, das nicht diese Empfindung ihm verdankte? Was wird Deutschland für Webers Hinterlassenen zum ehrenden Andenken desselben thun?
Hier aber treten gewiß zuerst sämmtliche Bühnenleitungen kräftig wirkend ein.
Aus den Zeitschriften ist das Anschreiben bekannt, welches Weber, ehe er nach London reiste, an dieselben in Bezug auf den Ankauf seines Oberon für die Darstellung erließ. Von 55 darin genannten Bühnen ist von 21 Antwort an denselben, mit Anerkennung und Zusage, oder mindestens mit Versicherungen der Berücksichtigung eingegangen. Mit Vergnügen und Dank nennen wir hier die Namen derselben. Augsburg, Berlin, Braunschweig, Bremen, Breslau, Cölln, Darmstadt, Hamburg, Lemberg, Lübeck, Magdeburg, München, Neu-Strelitz, Nürnberg, Pesth, Presburg, Regensburg, Salzburg, Stuttgart, Weimar, Wien. Mit einigen Direktionen, z. B. Leipzig und Frankfurt hat Weber auf seiner Reise nach London deshalb mündlich sich besprochen. Von Altenburg, Bamberg, Riga und Petersburg sind die Briefe uneröffnet zurückgekommen. Die übrigen haben nicht geantwortet.
In den nächsten Wochen erwarte ich, in dessen Hände die durch den so schmerzlichen Verlust tief ergriffene Wittwe Webers die ganze Angelegenheit gegeben hat, die Ankunft der Partitur desjenigen Theils der Oper Oberon, welche der Tonsetzer in London schrieb, und da er bis auf diese Ergänzungen eine Anzahl bereits von ihm revidirter Copieen derselben hier zurückließ, so können die Direktionen, welche sich deshalb direkt an mich wenden, alsdann sogleich mit Exemplaren versehen werden. Dabei bitte ich jedoch dieselben zugleich, die Bestimmung ihrer Honorare gefälligst mit anzumerken. Aber auch diejenigen, welche auf Webers Anschreiben durch Nichtbeantwortung desselben bisher keine Rücksicht genommen haben, werden nunmehr gewiß sich beeilen, in diesem so ausgezeichneten als traurigen Falle ihre Bereitwilligkeit zu Beförderung des letzten Unternehmens zu erkennen zu geben, worauf sich nun die Hoffnungen seiner Nachgelassenen gründen.
Aber unsre Bühnenleitungen werden noch mehr thun. Sie werden für einen vaterländischen Tonsetzer, für den Componist des Freischütz, den sie mit so stetem Erfolge seit wenigen Jahren so wiederholt gegeben haben, und der gleichsam eine neue Aera in ihren Opern-Annalen wieder begründete, doch mindestens eben das thun, was wie vorgedacht das englische Theater thut, nämlich die Veranstaltung einer Benefiz-Vorstellung zum Besten der Weberschen Hinterlassenen. Ja, ich glaube nicht erst diesen Gedanken, diesen Vorsatz durch eine Aufforderung anregen zu dürfen; in jeder fühlenden Brust, in jedem dankbaren Herzen, in jedem anerkennenden Geiste ist er schon längst entstanden, und er wird zur Ausführung gedeihen, überall und allgemein und segensreiche Früchte tragen, und ein Beweis mehr seyn, wie auch Deutschland seine gefeierten Meister noch im Tode ehre, und nicht blos der unfruchtbare Lorbeer wird Webers Grab decken, sondern seine hoffnungsvollen beiden Söhne, wenn sie einst heraufgeblüht sind, zum Gefühl dessen, was Deutschland für ihren Vater that und dadurch für sie, werden dankbar gerührt es anerkennen und würdig zu werden suchen solcher Gesinnungen. Th. Hell.
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Tradition
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Text Source: Einheimisches, Beilage zur Abend-Zeitung, Jg. 10, Nr. 11 (15. Juni 1826), pp. 41–44