Felix Mendelssohn Bartholdy to Karl Theodor Winkler in Dresden
Leipzig, Saturday, December 8, 1838

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Herrn

Herrn Hofrath Karl Winkler

Wohlgeboren

in

Dresden

frei.

E. Wohlgeboren,

geehrtes Schreiben hat mir eine große Freude gemacht und ich weiß nicht wofür ich Ihnen mehr Dank schuldig bin, für die Bereitwilligkeit mit der Sie unsern Wünschen entgegenkommen, oder für die Güte und Freundlichkeit mit der Sie meinen Brief aufgenommen und beantwortet haben. Sein Sie versichert, daß ich beide wohl zu würdigen weiß, und mich herzlich über die Gelegenheit freue mit Ihnen eine schriftliche Bekanntschaft anzuknüpfen, da mir eine persönliche zu machen, bis jetzt leider versagt ist. Ich theilte Ihr Schreiben sogleich den Herren in deren Auftrag ich schrieb ud von denen die Idee eigentlich ausgegangen ist, mit und auch sie bitten ihren besten Dank für Ihre wohlwollende Gefälligkeit anzunehmen. Da Sie mir erlauben, Ihnen meine Gedanken über den Gegenstand selbst zu sagen, so will ichs unverholen thun. Sie mögen sie nun brauchen können oder nicht. In allen Puncten die Sie berühren scheint mirs daß Sie die Sache ganz durchschauen und ich freue mich deshalb schon im Voraus auf das Gedicht, das nicht anders als vortrefflich werden kann. Gewiß wäre ein Lob der Tonkunst gar nicht am Orte; gewiß wäre jeder geschichtliche Stoff zu einengend; aber sollte irgend ein Stoff sich dazu überhaupt passender finden lassen, als Preciosa selbst? Cervantes liebliche Zigeunerinn hat den Stoff zu so mancher Bearbeitung, dann zu Webers Musik gegeben, sollte sie sich nicht auch zu einem Gedicht eignen und Ihnen zusagen können? Es liegt so viel poetisches, reizendes darin. Nur kommt dazu, daß ohne Zigeunerwesen die Musik nie ihre rechte, gehörige Wirkung thun könnte: Der Chor „im Wald“, der Chor „die Sonne lacht in ihrer Pracht“ der immer wiederkehrende Marsch – dies müssen Zigeuner sein, denn das gilt – und im Wald muß die Scene spielen, sonst kann ich mir nicht denken, daß Weber damit zufrieden sein würde. Und noch ein nicht unwichtiger Grund scheint mir, daß eben als Preciosamusik diese Musik jetzt ins Volk gegangen ist, dort lebt, und daß jeder Hörer diesen Gegenstand gegen einen andern zu vertauschen sich sträuben wird – er will einmal die Waldnacht, ud. die nette Zigeunerinn sich bei all den schönen Tönen denken. Ein Gedicht welches den Kern der Cervantesschen Preciosa gäbe, welches uns in dies lustige zierliche Leben unter freier Luft, nach Spanien vor allen Dingen, zu den Improvisationen, zur Guitare und der Flöte ud den Hörnern des Liedes der Preciosa versetzte, – das uns ihr Wesen und Treiben anschaulich machte und alles dies besänge – damit dachte ich mir würde die Webersche Musik am innigsten sich verbinden können. Wie das zu machen ist, weiß ich freilich nun wohl nicht, aber wozu brauchte ich es auch, Ihnen gegenüber? Sie werden meine Idee trotz meines schlechten Ausdrucks gleich herausfinden ud wenn sie zu brauchen ist, sie besser brauchen als ichs mir träumen lasse.

Auch darin, daß den Chören andrer Text unterlegt werde, stimme ich natürlich mit Ihnen ganz überein; nur bei den zwei oben erwähnten „im Wald“ ud. „die Sonne lacht“ schiene es mir nicht thunlich, eben aus dem Grunde weil sie zu sehr mit den Noten verwebt, ud. zu sehr mit ihnen ins Volk übergegangen sind. Aber daß die Worte „Heil Preciosen“ &c. &c. in den andern Chören verändert werden müßten scheint mir unwiedersprechlich.

Noch soll ich Sie fragen (wenn Sie wie ich nun um so fester hoffe die Dichtung übernehmen wollen) ob Sie in diesem ud. dem nächsten Monat so viel freie Zeit finden würden, daß wir das Concert, worin es zur Aufführung kommen soll, zu Ende Januar bestimmen könnten? Es ist das Concert für den Musikerfonds wofür wir es wünschen, da wir dasselbe immer so brillant als möglich zu machen suchen. Auch soll ich fragen, welch ein Honorar Sie bestimmen, um uns das Gedicht für die beiden ersten Aufführungen desselben zu überlassen.

Die Hauptsache bleibt endlich was Sie über das Ganze denken und über meine unzusammenhängenden Begriffe davon. Könnten Sie mir recht bald hierüber Antwort geben so würde ich Ihnen sehr verbunden sein, wie ich es schon jetzt für Ihren liebenswürdigen ersten Brief bin; haben Sie meinen besten Dank nochmals ud genehmigen Sie die vollkommene Hochachtung

Ihres ergebensten
Felix Mendelssohn Bartholdy.

Editorial

Summary

M. hat mit Winkler besprochen, ein neues Gedicht (als verbindenden Text) zu Webers Preciosa zu schaffen (für eine Konzertaufführung; vgl. den Brief vom 3. Dezember 1838); über notwendige neue Textunterlegungen

Incipit

E. Wohlgeboren geehrtes Schreiben hat mir eine grose Freude

Responsibilities

Übertragung
Veit, Joachim

Tradition

  • Text Source: London (GB), The British Library (GB-Lbl)
    Shelf mark: Add. 33.965, fol. 259–260

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)

Text Constitution

  • “freilich”uncertain transcription
  • “nochmals”uncertain transcription

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