Ernst Rudorff to Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Lauenstein b. Elze, Monday, June 20, 1864

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Lieber, sehr verehrter Herr Jähns! —

Sie werden mich wahrscheinlich für recht gewissenlos in der Erfüllung Ihres Auftrages halten, weil Sie noch keinerlei Bescheid über die Sache meinerseits erhalten haben; aber zum Glück kann ich Ihnen doch bekennen, daß ich mir Mühe gegeben habe, — und zwar sogleich nach Empfang Ihrer Zeilen, — Ihrem Wunsche nachzukommen. — Ich schrieb, da ich nicht mehr selbst in Hamburg anwesend bin, an einen Freund, der dort Verbindungen genug hat, und übertrug ihm die Besorgung der Annonce. Von ihm habe ich erst in der letzten Zeit Antwort erhalten, und er schreibt mir, daß die Ankündigung in einer der dortigen Zeitungen bereits erfolgt ist, und daß er Sorge tragen wird, sie auch noch durch Robert Heller* in die Hamburger Nachrichten einrücken zu laßen. Heller ist jetzt gerade verreist gewesen. —

Nun aber, nach dem Bericht über die äußere Angelegenheit, laßen Sie mich Ihnen vor Allem meinen herzlichen Dank für Ihren lieben Brief aussprechen, der mir durch den Ausdruck Ihrer freundlichen Gesinnungen für mich so große Freude bereitet hat. — Ich bin also der Weber-Angelegenheit recht dankbar, daß sie ihn mir verschafft hat. — Die Annonce selbst hat mich in Ihrer ihrer ausdrücklichen Faßung darauf aufmerksam gemacht, daß Sie auch Bruchstücke von Manuscripten zu sehen wünschen, und so will ich doch nicht verfehlen, Ihnen mitzutheilen, daß ich auch ein Blatt aus der Clarinettsonate besitze; — es liegt in einem Album, und meine Mutter kann es Ihnen zur Ansicht schicken, sobald Sie es zur Benutzung haben wollen*. Vielleicht ist es aber auch zu unbedeutend? —

Die Euryanthen-Angelegenheit indignirt mich sehr, und ich habe nun noch einen Versuch gemacht, den Sie hoffentlich auch billigen. Ich habe Cranz angeboten, die Summe die Schlesinger fordert, unter der Hand durch Sammlung aufzutreiben, und wenn die Verhandlungen zwischen den beiden nicht unwiderruflich abgebrochen sind, so führt das vielleicht noch zu einem Resultat. — Ganz gewiß darf die Partitur der Euryanthe nicht ungestochen bleiben, und es ist schlimm genug, daß eine solche Ehrensache nicht bereits längst erledigt ist — hat man keinerlei Waffen gegen einen solchen Mann wie Schlesinger, der mit den größten Meisterwerken so unverantwortlich verfährt, daß er den Freischütz in schimpflicher Ausstattung und Ausführung giebt, und die Euryanthe ganz vermodern läßt? —

Die Kunst scheint mir mit der Natur ein Schicksal zu haben, für die auch noch keine Sicherheitspolizei erfunden ist; — es verwundet mich jedes Mal, zu sehen, wie man z. B. im Harz das Allerherrlichste, Wildeste zur Bequemlichkeit des Reisepöbels jetzt immer mehr nivellirt, breite Wege und Gasthäuser anlegt, wo nimmermehr welche sein sollten, und so weiter. Das heißt dann, wenn es fertig ist, Verschönerung und verdiente einen andern Namen. —

Aber ich will Ihnen nicht von Dingen vorklagen, die nicht zu ändern sind, sondern Sie lieber bitten, mich Ihrer Frau Gemahlin und Ihrem Herrn Sohn herzlich zu empfehlen! Machen Sie jetzt nicht auch bald allerseits Ferien, und athmen irgendwo Landluft? — Hier ist es so herrlich, daß ich mich selbst darum beneide, in so prächtiger frischer Umgebung den Sommer genießen zu können . —

Möchten Sie sich recht von Ihrer gar zu rastlosen Thätigkeit in dieser Zeit erholen, und Ihr Wohlwollen fernerhin erhalten Ihrem Ihnen in aufrichtiger
Verehrung ergebenen
Ernst Rudorff

Editorial

Summary

hat auf Bitte von J. durch einen Bekannten in Hamburger Tageszeitungen eine Such-Annonce nach Weber-Manuskripten einrücken lassen und teilt ihm mit, dass er auch ein Blatt aus der Clarinettsonate besitze, das er ihm gern zur Einsicht zur Verfügung stelle; lässt sich über Schlesinger aus, der den Druck der Euryanthe-Partitur torpediert

Incipit

Sie werden mich wahrscheinlich

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. X, Nr. 538

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “Ihrer”crossed out

Commentary

  • “… auch noch durch Robert Heller”Robert Heller (1812–1871), seit 1851 in Hamburg, wo er als Redakteur der Hamburger Nachrichten tätig war.
  • “… es zur Benutzung haben wollen”Das Fragment aus dem I. Satz befindet sich heute in D-B, Mus. ms. autogr. C. M. v. Weber 4.

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