Ernst Rudorff an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Lauenstein b. Elze, Samstag, 3. Dezember 1864

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Sehr verehrter Herr Musikdirector! —

Wäre ich selbst in Hamburg gewesen, und nicht hier fern vom Ziele, so hätten Sie verschiedene Wochen früher Bescheid und Dank für Ihre freundlichen Zeilen gehabt. — Ich schäme mich geradezu, daß die Sache so lange gedauert hat, und bin doch nur sehr theilweise schuldig. — Ende October nämlich traf ich mit Stockhausen in Braunschweig zusammen zu einem Concert, und hatte ihm dahin Ihren Brief mitgenommen, weil ich keine geeignetere Persönlichkeit wußte, um die Sache in Hamburg durchzusetzen, als ihn. — Außerdem ist er Sänger und konnte deshalb vielleicht selbst von den Liedern Auskunft geben. —

Das war nun zwar, wie sich bei meiner Mittheilung an ihn ergab, nicht der Fall; ich gab ihm aber, damit Alles genau bewahrt würde, Ihren Brief mit, und er versprach, so schleunig als möglich die gewünschte Auskunft zu geben. — Auf diese habe ich bis gestern gewartet, trotz verschiedener Mahnungen, und nun ist sie leider gänzlich unbefriedigend: Böhme hat die genausten Nachforschungen gehalten, und sie waren gänzlich erfolglos*. — Ich habe auch in Wienrode bei meiner Tante Marie Hoffmeister in ihren Weberliedern geblättert, aber nichts von dem gefunden, was Sie wünschten.

Beßer steht es glücklicherweise mit der Euryanthe. Ich habe schon eine recht hübsche Zahl von Subscribenten, und sowohl Joachim als Stockhausen werben eifrigst mit. Besonders Joachim ist ein begeisterter Verehrer der Oper, aber Stockhausen kaum minder; Sie sehen also, daß es noch nicht überall so arg ist, als in unserem freilich etwas blasirtem Berlin. Wie könnte auch etwas so Großes anders, als auf kurze Übergangsperioden, wirklich überfluthet werden. — Ich zweifle garnicht mehr an dem Gelingen der Unternehmung, denn Theilnahme findet sich zur Genüge, und wenn die Verleger auch unter einander noch nicht ganz einig sind, so ist das von geringerer Bedeutung. — Reißen alle Stricke, so wenden wir uns an Rieter-Biedermann in Leipzig, der gewiß eine vorzügliche Ausgabe herstellt*. —

Es thut mir gar zu leid, daß ich Ihnen in Beziehung auf die Lieder keinen beßeren Bescheid geben kann, aber ich fürchte fast, es wird nun aus damit sein, und Sie werden gezwungen sein, das Suchen einzustellen. — Für Ihre Notiz in Beziehung auf die Kürzungen in der Euryanthe vielen Dank! — Das ist ja ein ganz wesentlicher Punkt, und er darf keinesfalls vergeßen werden. — Wenn ich jetzt zum Fest auf kurze Zeit in Berlin bin, hoffe ich sehr, Sie besuchen zu können, und dabei mir zeigen zu laßen von Ihnen, wo gekürzt ist, und so weiter.— Zum Stich ist es am Ende möglich, die Originalpartitur zu bekommen, und geht das nicht, so reise ich vielleicht zum Schluß nach Dresden auf ein paar Tage, und mache dort die Revision nach dem Original. —

Haben Sie nochmals herzlichen Dank für Ihren lieben ausführlichen Brief, und seien Sie weder über die Verzögerung noch darüber mir böse, daß ich so unglücklich in der Ausrichtung Ihrer Aufträge gewesen bin! —

Mit der Bitte, um herzliche Empfehlung an die verehrten Ihrigen bin ich Ihr aufrichtig ergebener
Ernst Rudorff

Editorial

Summary

hat für die Suche nach den Weber-Liedern Julius Stockhausen um Hilfe gebeten, er war bei Böhme in Hamburg, aber ohne Ergebnis; Joachim und Stockhausen wollen sich auch für Euryanthe-Subskribenten einsetzen, dankt für Mitteilung von Kürzungen in der Euryanthe, hofft ihn in Berlin zu sehen

Incipit

Wäre ich selbst in Hamburg gewesen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. X, Nr. 540

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “mir”added above

Commentary

  • “… und sie waren gänzlich erfolglos”Weber erwähnt in seinem chronologischen Werkverzeichnis mehrere 1802 bei Böhme erschienene Lieder, gedruckt worden war allerdings nur eines; vgl. Weberiana 23, S. 49. Die Ermittlungen galten offenbar diesem Widerspruch.
  • “… gewiß eine vorzügliche Ausgabe herstellt”Die Partiturausgabe erschien (nach dem Verkauf des Verlages an Robert Lienau 1864) 1866 doch bei Schlesinger/Lienau in Berlin (PN: S. 4791).

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