Friedrich August Schulze to August Apel
Dresden, Saturday, December 21, 1811

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Nun, endlich doch einmal ein Brief, mein liebster Apel. Ohngeachtet ich nicht grade wüßte, was ich besonderes zu schreiben hätte, so raffe ich doch das erste Viertelstündchen, das ich etwa auf der Kanzlei dazu einbringen kann zusammen um Sie wieder zu begrüssen.

Die zwölf Nächte! ja, ja, das müßte warlich eine herrliche Gespenstergeschichte geben! Wenigstens könnten wohl auch diese Nächte zu dieser Art von Dichtungen begeistern. Ich selbst würde versuchen ihnen etwas Geist dazu abzuringen, wenn ich nicht schon mit meinen Beiträgen zum 4n Bande so ziemlich zu Stande wäre. Diesmal sind es lauter ganz kleine geworden, 4, die gedruckt kaum 8 Bogen geben werden. Ich schickte sie Ihnen sämtlich | mit, wenn mein Abschreiber mich mehr förderte. Doch erhalten Sie die schwachen Dingerchen immer Zeit genug, wenn ich aber nur bald, recht bald etwas von Ihren Beiträgen herbekäme. Bitte, bitte! Thun Sie dazu, machen und schicken Sie! —

Was G. anlangt so kann er schon seinem bekannten rechtlichen Character nach den Ignoranten nicht ewig spielen. —

Aber kommen Sie denn mit Mad. Hindenburg so wenig zusammen, daß Sie nicht wissen, daß sie längst an mich geschrieben hat, daß ich auch alles bereits mit ihr abgeschlossen habe und für nächste Ostermesse schon ihr Miethmann geworden bin? Es wäre mir sehr verdrüßlich, wenn künftig einmal, irgend eines Herrn | Professors wegen die Sache sich wieder abändern müßte. —

Apropos beim Professor fällt mir unser Göde ein. Das werden Sie wohl wissen, daß er große Hofnung hat in Leipzig eine ordentliche Professur zu bekommen, aber das vielleicht nicht daß der Arme auf der Herreise von Wien sterbenskrank geworden ist und iezt zwar wieder ausser Gefahr jedoch noch immer nicht im Stande ist die Reise sogleich fortzusezen.

Kleists Tod hat mich geärgert, die Annonce seines sogenannten Executors des Testaments hat mich geärgert* und die albernen Reden im Pbl: und den Zeitblättern darüber haben mich ebenfalls geärgert. —

Von der Sp. habe ich keine Briefe | wüßte auch gar nicht was sie an mich schreiben wollte. Ob eine Stelle als Erzieherin für sie gemacht seyn möchte, weiß ich nicht zu beurtheilen.

Br—hs kann am Ende noch in’s Teufels Küche kommen. Seine Handzeichnungen* sowohl als die bei ihm herausgekommene Reise eines Norddeutschen* sind hier weggenommen und bei 20 rh verboten. Es scheint mir auch alles dergleichen zweideutiges Treiben und Thun in jeziger Zeit doppelt unvorsichtig.

Haben Sie [sich] den Erholungen in Thüringen etwas zugewandt?* Ich noch nicht. Es hat mich verdrossen mir so ganz unbewust, zum Mitherausgeber, erkoren und gestempelt worden zu seyn. Im Morgenbl. habe ich lezthin unter dem Titel Die lange Nase eine unbedeutende Erzählung gehabt*.

Von Hartmann tausend Grüsse. Ich bin von Herzender Ihrige
Schulze

Editorial

Summary

Apel hatte offensichtlich angeregt, die anstehenden “12 Nächte” zum Sujet von einer Erzählung zu machen; Schulz bestätigt, dass es ein gutes Thema für eine Gespenstergeschichte wäre, jedoch sei er mit seinen Beiträgen zum 4. Teil schon so gut wie fertig; persönliche Mitteilungen und Neuigkeiten über Prof. Göde und andere Personen ihres Umfeldes. Der Tod von Kleist (Selbstmord am 21. November 1811) und die Presseverlautbarungen darüber haben ihn geärgert; er führt aber nicht aus, warum

Incipit

Nun, endlich doch einmal ein Brief, mein liebster Apel

Tradition

  • Text Source: Ermlitz (D), Apelsche Kulturstiftung

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S.)

    Provenance

    • bis zur Rückübereignung 2003 in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle, Ms 600 (702)
    • Ermlitz, Apelscher Familienbesitz (1945/46 im Rahmen der Bodenreform enteignet)

Text Constitution

  • s“ß” overwritten with “s

Commentary

  • “… des Testaments hat mich geärgert”Freundliche Mitteilung vom 19. April 2023 per Mail von Dr. Barbara Gribnitz (Kleist-Museum, Frankfurt/Oder): „Bei der im Brief erwähnten ‚Annonce‘ handelt es sich um die Anzeige, die Ernst Friedrich Peguilhen (1769–1845), preußischer Kriegsrat und Freund der Familie Vogel, am 26. und 28. November 1811 in der Vossischen [Königlich privilegirte Berlinische Zeitung von Staats- und gelehrten Sachen] und Spenerschen Zeitung [Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen] einsetzen ließ; er kündigte damit eine Art Rechtfertigung der beiden Freitode an, ob auf Wunsch Henriette Vogels – wie es in einer späteren Zeitungsmeldung hieß – ist ungewiß. Aus Zensurgründen ist diese Schrift nie erschienen, es hat sich auch kein Entwurf erhalten. Kleist und Vogel hatten Peguilhen per Brief noch am 21. November an den Wannsee gebeten und ihn damit zu ihrem ‚Testamentsvollstrecker ernannt.‘“ Die Anzeige lautet: „Adolphine Vogel geborne Kleber und Heinrich v. Kleist haben am 21. November gemeinschaftlich diese Welt verlassen, aus reinem Verlangen nach einer bessern. Beide hinterlassen Freunde und Freundinnen und dazu gehören nicht bloß diejenigen, welche so glücklich waren, mit ihnen zu leben, sondern die verwandten Geister aller Jahrhunderte; der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Diesen halte ich für Pflicht, nach dem Wunsche und mit dem Beistande meines Freundes, des tiefbetrübten Gatten der Verewigten, einige Bruchstücke über die Katastrophe vorzulegen, welche ihrem Leben ein Ende machte, und das soll hoffentlich noch in diesem Jahr geschehen. Das Publikum bitte ich, sein Urteil bis dahin aufzuschieben, und nicht zwei Wesen lieblos zu verdammen, welche die Liebe und Reinheit selbst waren. Es ist von einer Tat die Rede, wie sie nicht alle Jahrhunderte gesehen haben, und von zwei Menschen, die nicht mit einem gewöhnlichen Maßstabe gemessen werden können. Ob es mir aber gelingen wird, der bloßen Neugierde derer zu genügen, die gleich dem Chemiker – nur ohne seinen Beruf – nicht eher ruhen, als bis der Diamant in gemeine Kohle und Gas verwandelt daliegt, daran zweifle ich selbst. Diesen rate ich sehr, die angekündigte, nur für Freunde und Freundinnen in obigtem Sinne bestimmte Schrift nicht zu lesen, wenn sie sich dieselbe auch zum Besten der wohltätigen Anstalt, für welche der Ertrag bestimmt ist, kaufen sollten Peguilhen, als Vollstrecker des letzten Willens der beiden Verewigten.“ (Wiedergabe nach: Heinrich von Kleists Lebensspuren. Dokumente und Berichte der Zeitgenossen, neu hg. von Helmut Sembdner, München 1996, S. 481).
  • Pbl:abbreviation of “Publikum”.
  • “… Teufels Küche kommen. Seine Handzeichnungen”Gemeint: [Georg Friedrich von Cölln,] Handzeichnungen aus dem Kreise des höhern politischen und gesellschaftlichen Lebens. Zur Charakteristik der letzten Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts, Bd. 1 (mehr nicht erschienen), Köln: Peter Hammer [d. i. Altenburg: Brockhaus], 1811. Brockhaus wurde aufgrund dieser Publikation verklagt.
  • “… ihm herausgekommene Reise eines Norddeutschen”Gemeint: [Johann Friedrich Reichardt,] Briefe eines reisenden Nordländers. Geschrieben in den Jahren 1807 bis 1809, Köln: Peter Hammer [d. i. Altenburg: Brockhaus], 1812.
  • “… Erholungen in Thüringen etwas zugewandt?”Erholungen: ein thüringisches Unterhaltungsblatt für Gebildete, Jg. 1 (1812).
  • “… Nase eine unbedeutende Erzählung gehabt”Die lange Nase. Fragment aus einer Selbstbiographie, in: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 5, Nr. 278 (20. November 1811), S. 1109–1111, Nr. 279 (21. November 1811), S. 1114–1116, Nr. 280 (22. November 1811), S. 1117–1119; mit Autorenangabe: Prof. Durach.

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