Philipp Spitta to Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Sondershausen, Friday, October 4, 1872
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- 1871-12-31: to Jähns
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- 1876-05-11: to Jähns
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- 1876-05-11: to Jähns
Hochgeehrter Herr!
Endlich, nach Verlauf von nicht weniger als einem Jahre, erhalten Sie die mir gütigst geliehenen Manuscripte mit bestem Danke zurück! Ich habe mich der Versäumniß wegen recht sehr bei Ihnen zu entschuldigen. Es ging, wie so oft, wenn man viel beschäftigt ist: zuerst verschiebt man eine Pflicht von Tage zu Tage, nachher wird der Gedanke daran in den Hintergrund gedrängt, schließlich vergißt man zeitweilig ganz. Ich hoffe auf Ihre gütige Nachsicht.
Specificirt ist es folgendes, was Sie hiermit zurückerhalten:
- Vier Blätter Copie einer Bachschen Cantate*
- Ein von Ihnen angefertigtes Arrangement einer Bachschen Arie.
- Eine Cantate von Römhild*.
- Ihre Abhandlung über die Echtheit des älteren Autographs von „Peter Schmoll“
Die Bachsche Copie habe ich mir wieder copirt. Ich fürchte, Petter hat mit den autographen Blättern einen unverantwortlichen Handel getrieben. Von dem ersten derselben gelangte die obere (abgeschnittene!) Hälfte in den Besitz von Al. Fuchs, von dort weiter nach Zürich, wo sie sich noch jetzt befindet; ich habe sie gesehen. Wo das übrige geblieben ist, weiß ich nicht.
Zu einer Herausgabe der von Ihnen completirten Bachschen Arie würde ich doch nicht rathen. Wie das Accompagnement über einem Bachschen Continuo auszuführen sei, ist grade jetzt eine brennende Frage u. ich glaube, man thut daher gut, erst abzuwarten, bis sich die Gemüther beruhigt u die Ansichten geklärt haben.
Die Römhildsche Cantate hat in den Schriftzügen allerdings manche Ähnlichkeit mit Bachs Hand. Das Manuscript diesem zuzuschreiben, möchte ich aber doch Bedenken tragen. Die Buchstabenschrift ist wenigstens ganz abweichend, die Noten sind für Bachs Hand zu steif, und die Kreuze u. Quadrate auch theilweise die Schlüßel nicht mit seinen Gewohnheiten übereinstimmend. Auch das Papier ist ein anderes, als es Bach zu benutzen pflegt, ein Umstand, der bei einem fast immer an‡ 27 Jahre an demselben Orte wohnhaften Mann wohl ins Gewicht fällt.
Mit großem Intereße habe ich Ihre gründliche Abhandlung über die Webersche Partitur gelesen* und glaube, daß sie dasselbe Intereße auch bei andern erwecken würde, die sich mit solchen Untersuchungen abgegeben haben. Es wäre deshalb eine Veröffentlichung erwünscht; der einzige Ort dafür ist, da Chrysanders Jahrbücher ihren Fortgang eingestellt zu haben scheinen, die Allgem. musik. Zeitung. Der zeitweilige Redacteur derselben, zugleich Secretär der Hochschule für Musik, Herr Joseph Müller lebt in Berlin (Carlstraße 17III). Wenn ich wieder nach Berlin komme, will ich denselben‡ falls Sie ihn nicht kennen sollten mit Vergnügen auf Ihre Arbeit aufmerksam machen, die sich vielleicht noch etwas zusammendrängen ließe. Allerdings wäre es beßer, wenn das Objekt der Untersuchung von allgemeiner Bedeutung wäre, besonders da noch eine zweite unzweifelhaft echte Originalpartitur existirt. Es muß eben ein günstiger Augenblick für die Veröffentlichung abgewartet werden.
Nun empfangen Sie nochmals meinen herzlichen Dank und zugleich die Versicherung
besonderer Werthschätzung, mit der ich verbleibe
Ihr sehr ergebner
Dr. Spitta
Profeßor
Sondershausen 4/10. 72.
Editorial
Summary
bittet um Entschuldigung, dass er die von J. entliehenen Materialien so lange behalten habe, er schickt sie nun zurück: 4 Bl. Copie einer Bachschen Cantate; ein J’sches Arrangement einer Bachschen Arie; eine Cantate von Römhild und die Abhandlung über die Echtheit des älteren Autographs von Peter Schmoll, die er zum Druck empfiehlt und sich erbietet, mit Joseph Müller dem Redakteur der Allgemeinen musikalischen Zeitung in Berlin darüber zu sprechen, wenn er wieder in Berlin sein wird und J. ihn nicht kennen sollte; zu den andern Stücken gibt er Kommentare
Incipit
“Endlich, nach Verlauf von nicht weniger als einem, Jahre”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
Text Constitution
-
“fast immer an”crossed out
-
“denselben”added above
Commentary
-
“… Blätter Copie einer Bachschen Cantate”Ich habe meine Zuversicht, BWV 188.
-
“… Eine Cantate von Römhild”Johann Theodor Romhildt (1684–1756).
-
“… über die Webersche Partitur gelesen”Offenbar eine ausführlichere Behandlung der beiden authentischen Partituren des Peter Schmoll als die im Werkverzeichnis (S. 42f.) pubizierte.