Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 11. März 1817
Am 11. März: Er mengt sich in alles, Lustpiel in 5 Aufzügen von Jünger. Die heutige Vorstellung war gleichsam nur der Rahmen zu der musikalischen Kunstausstellung, die uns Madame Neumann, geb. Sessi, vormals in Wien, jetzt für das große Conzert in Leipzig und künftig – wie man vernimmt – für die Opernbühne daselbst engagirt, an diesem Abend hab, und die weiter unten von einem Kunstkenner beurtheilt werden soll. Dieser Rahmen ist nun zwar nicht ganz modern, aber doch aus recht gutem Stoffe gearbeitet, der vielleicht blos hie und da einer neumodigen Veränderung des Schnitzwerks bedürfte, um noch recht sehr anzusprechen. Die Figur des Plumpers ist ächt komisch, und es ist Schade, daß nach damaliger Theatersitte sein unbesonnenes Hineinmischen in Alles nur ein Paar Verwickelungen in einem Liebes-Abentheuerchen hervorbringt, die jedesmal eben so leicht wieder entwickelt werden, statt in höherer und mannigfach sich verschlingender Potenz zu wirken. Gäb’s doch in einem solchen Einmischer in Verhältnissen der Verwaltung des Staats, wie der Ausübungen und Urtheile über die Kunst, einen ächt zeitgemäßen Charakter, der dem feinern Lustspiele trefflich sich aneignen könnte.
Die Darstellung geschah in den Hauptparthieen mit Leben, besonders ergötzte der alte Herrmann, un ¦ ser Veteran Bösenberg, dem nun einmal eine Menge kleiner Bewegungen zu Gebote stehen, die unwillkührlich Lachen erregen müssen, Plumper, Herr Geyer, der nicht über die Gränzlinien ging, welche der Aufenthalt desselben in einer großen Stadt vorschreibt, und Eveline, welche von Mad. Hartwig mit feiner Laune und einer Fülle von Lebendigkeit gegeben ward.
Zwischen dem zweiten und dritten Akte sang Mad. Neumann-Sessi die Cavatina: da questo amore u. s. w. von Simon Mayer, und nach dem Schlusse der Vorstellung, die Scene und Arie von Nicolini: grazia vi rendo u. s. w.
Neumann=Sessi kann durchaus zu den vorzüglichern Sängerinnen gezählt werden. Biegsamkeit, vollkommen reine und sichere Intonation, leichtes Ansprechen, Tragen, Verbinden und Halten der Töne bezeichnen die Stimmbildung, welche nur eine gute, mit Fleiß benutzte Schule geben kann. Der Ton hat etwas Schärfe; die ausgezeichnete Höhe ist ihre schönste Region und am klangvollsten. Ihr Vortrag ist einfach und gefühlvoll, ihre Aussprache sehr deutlich und gut. In der Cavatina von Mayer entfaltete sie hauptsächlich diese letztern Vorzüge und in der Arie von Nicolini sang sie mit großer Leichtigkeit und Richtigkeit bis ins hohe Es, und bewährte in mehreren schöngebundenen Figuren und Staccato’s ihre Meisterschaft.
Editorial
Summary
Aufführungsbericht Dresden: “Er mengt sich in alles” von J. F. Jünger am 11. März 1817 / Auftritt der Sessi-Neumann im Zwischenakt
Creation
vor 19. März 1817
Tradition
-
Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 67 (19. März 1817), f 2v