Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Elisabetta” von Rossini am 31. Januar 1818

Back

Show markers in text

Den 31. Januar. Elisabetta. Durch die Darstellung dieser Oper von Rossini ist den Freunden italienischer Musik ein besonderer Genuß gegeben worden. Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß, verglichen mit fast allen uns bekannten Werken neuer italienischer Tonsetzer, die in und für Italien geschrieben wurden, die Opern von Rossini vorzugsweise den Reiz einer frischen, jugendlichen Phantasie in ihrem ersten Aufschwunge empfinden lassen, von der, wie weit sie sich auch verirren mag, ein lebhafter Eindruck – ursprünglich eigenthümlicher Schönheit uns zurückbeleiben muß. Erwägen wir nun, wie tief in neuerer Zeit die Tonsetzkunst in dem Lande gesunken, das ihre Wiege war; wie sie dort fast ganz zum leeren, nichtssagenden Spiel herabgewürdigt worden, der Unterhaltung des äußern Sinnes dienend: so muß jede Erscheinung in dem Gebiete italienischer Oper doppelt willkommen seyn, die auf das Bedürfniß der Rückkehr in dieser völligen Entartung zur wesentlichen Schönheit der Kunst zu deuten scheint. Wir glauben so Rossini’s Werke ansehen zu müssen, die vor der in sich selbst versinkenden Weichlichkeit anderer italienischer Oper neuerer Zeit durch den lebhaften, reichbegabten Geist ihres Bildners gerettet werden. Sie versetzen uns zwar nur in eine reizende Wildniß, an der die Hand des gesetzlich ordnenden Geistes fast überall vermißt wird; doch läßt sich die schöne Natur auch in der Verwirrung noch erkennen, und den Theilnehmenden erfreut es, daß das wuchernde Unkraut den Blumenflor des üppigen Bodens nicht ganz zu ersticken vermochte.

Besonders auffallende Belege für die ungemein glückliche Naturanlage des Componisten bietet vorzüglich die Ouvertüre und der erste Akt der Oper dar. Lebhafte Versinnlichung der Situationen, wie z. B. im Chor der ersten Scene ersten Aktes, wo die Rückkunft eines vom Volk ersehnten Helden lebendig gemahlt ist, sprechender Ausdruck der Empfin¦dungen (wie in dem Duett zwischen Leicester und Mathilde, Akt 1. Sc. 4), und das Spiel reizender Melodien bedecken oft den Mangel höherer Einheit, der im Gegentheil die Einfälle einer herumschwärmenden Einbildungskraft, einzelne Pukenschläge, plötzliches unmotivirtes Eintreten der Blasinstrumente, und häufige Reminiscenzen, besonders auch aus den Werken Mozart’s, Beethovens’s und Spontini’s, fühlbar genug machen. -

Je schwieriger nun die Aufführung eines Ton-Werkes fallen muß, dessen Componist jede Selbstbeschränkung einer üppigen Phantasie verschmäht; zu so größerem Ruhme gereicht die Präcision, mit welcher Elisabeth hier unter der einsichtvollen und sorgsamen Leitung des Herrn C. M. v. Weber von dem Theater-Personale sowohl als Orchester dargestellt ward, beiden. -

Die schon ihrem äußern Umfange nach sehr angreifende Hauptparthie der Elisabeth wurde durch Frau von Biedenfeld so ausgeführt, daß wir den Fleiß und die gute Schule dieser hoch zu achtenden Künstlerin neuerdings mit wahrem Vergnügen wahrnehmen konnten. Sigr. Benelli gab mit achtungswerthem Eifer und feuriger Action die Rolle des des Leicester. Sgr. und Sigra. Miksch als Guglielmo und Mathilde, wiewohl erstere etwas zerstreut schien, und Sigr. Tibaldi als Norfolk, gaben im Ganzen gelungene Darstellungen; Sigr. Decavanti als Enrico befriedigte. Die durch viele feine Nüancen sehr schwierige Begleitung der Saiten-Instrumente, so wie die häufigen conzertirenden Sätze der Blas-Instrumente wurden mit bewundernswürdiger Reinheit ausgeführt.

Aus allen diesen erhellet, daß gewiß nur in sehr wenigen Städten von Europa diese Oper ein so allgemeines Vergnügen gewähren kann, als hier, wo die vorzügliche Aufführung die Mängel des Werkes selbst verdeckt. Das Publikum bezeigte daher auch mehrmals bei dieser dritten Darstellung der Elisabeth laut seine beifällige Theilnahme.

- r. -

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Elisabetta” von Rossini

General Remark

Autor des Beitrags könnte möglicherweise Justus Amadeus Lecerf sein; vgl. dessen Erklärung vom 21. Januar 1824 in der Abend-Zeitung vom selben Tag.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 36 (12. Februar 1818), f 2v

        XML

        If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.