Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Die beiden Blinden zu Toledo” von Méhul am 5. Mai 1818

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Am 5. Mai. Zum Erstenmale: Die beiden Blinden zu Toledo. Komische Oper in 1 Akt, nach dem Französischen, Musik von Mehul. Obgleich seit mehrern Jahren schon in Deutschland wie in Frankreich allgemein bekannt, erschien uns dies kleine Singspiel, von dem wir (wenigstens der größte Theil des Publikums) bisher noch nichts als die beliebte, oft und überall gehörte Ouvertüre kannten, doch als eine Neuigkeit. Die Intrigue (die wir hier nicht zu exponiren brauchen, da sie hinlänglich bekannt ist) zeichnet sich nun zwar freilich nicht durch besondern Witz oder Neuheit der Erfindung aus, kann aber, durch Mehuls niedliche Musik belebt, und durch eine rasche, gewandte Darstellung, wohl ein Stündchen angenehm unterhalten. Sehr lieblich ist das Duett von Flora und Mendoza, treffend und mannigfaltig die Scene des Mendoza, wo er die verschiednen Gesangstücke des Brusco vorträgt, und ganz vorzüglich ist das so kunstvoll und meisterhaft ausgeführte, (für die Sänger aber, in Hinsicht des Zusammentreffens, auch äußerst schwierige) letzte Quintett, wo Mendoza zugleich den Alcade repräsentirt. Die Darstellung war im Ganzen lobenswerth, und besonders gereicht das Ineinandergreifen in den, in dieser Hinsicht sehr schwierigen, Ensemblestücken, (vorzüglich in dem obengenannten Quintett) dem Herrn Kapellmeister von Weber und dem ganzen Personale zur größten Ehre. Diese kleine Oper enthält mitunter größere Schwierigkeit als manche große Oper, die ihren abgemessnen Alltagsschritt geht, was gewiß dem Kenner nicht entgeht, wenn auch der Laie es nicht bemerkt. Dem. J. Zucker war als Flora recht angenehm. Noch ist sie nicht Sängerin, im strengen Sinne des Worts, aber sie hat die besten Anlagen es zu werden, und berechtigt (auch als Schauspielerin) zu den besten Erwartungen, um so mehr, da, wie Refer. nicht unrichtig bemerkt zu haben glaubt, aus ihrem individuellen Wesen eine gewisse bescheidne, natürliche Anspruchlosigkeit hervorleuchtet, die allein die treueste und sicherste Führerin auf dem Wege zur Vervollkommnung ist. Herr Wilhelmi gab den Mendoza mit viel Laune und Gewandtheit, besonders in der obenbemerkten Scene, wo er die schlechte französische Singart sehr treffend und ächt komisch parodirte, und in dem, schon mehrmals an¦geführten, sehr anstrengenden Quintett. Herr Geiling gab ebenfalls den tückischen, menschenfeindlichen Brusco sehr gut, und mit eignem Interesse und besonderer Aufmerksamkeit; nur schien der würdige Künstler bei dem Taumeln nach dem Proscenio hin (bei der Arie des Nugnez) auf einen Augenblick seine Blindheit einigermaßen außer Acht zu lassen. Auch Herr Metzner als Nugnez und Dem. E. Zucker trugen wacker das Ihrige zu der nicht leichten und gewiß gelungnen Darstellung bei, die durch die treffliche Execution von Seiten des Orchesters, belebt durch den Geist seines Meisters, noch gewann. Bei alle dem schien die Oper in beiden Darstellungen das Publikum nicht besonders anzusprechen. Was kann davon wohl der Grund seyn, da doch schon manche andre Darstellung von mindererm Werthe mit mehr Wärme aufgenommen wurde? – Eine kleine Bemerkung nur sey uns noch vergönnt. – Das Stück selbst spielt in Toledo, also in Spanien. Nur in Spanien, weder in Frankreich noch in Deutschland giebt es Alcaden. Aus welchen Gründen verwarf man daher das (auf allen andern Bühnen Deutschlands und Frankreichs in dieser Pieçe übliche) spanische Costüm, und wählte dagegen, ohne besondre Veranlassung, ein Gemisch altfranzösischer und deutscher Tracht? und warum zog man das Ganze, besonders aber Flora und Mendoza, fast gewaltsam in das Gebiet der Burlesken und der Carricatur? – Beabsichtigte man damit eine Verstärkung des komischen Effectes, so hat man dadurch, wie Referent (jedoch ohne sich deshalb eine untrügliche Competenz anmaßen zu wollen) glaubt, den beabsichtigten Zweck wohl nicht erreicht, ja wohl eher dem vollkommnen Effect geschadet, da weder Dichter noch Componist in der Zeichnung ihrer Charactere auch nur den mindesten Zug von Carricatur bemerken lassen, und folglich das Zufällige mit dem Wesentlichen im Mißverhältniß steht. Aus dem Contrast entwickelt sich das Komische, aber der Contrast besteht nicht im Mißverhältniß. Das in sich rein Komische erreicht eben seine größte Wirkung durch den Contrast mit dem Ernst, mit dem es dargestellt wird, und jede Einmischung des Burlesken, Carrikirten, kann hier die Wirkung durchaus nur eher schwächen als erhöhen.

Hierauf: Der Shawl. Lustspiel in 1 Akt, von Kotzebue.

F.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: “Die beiden Blinden zu Toledo” von Méhul

Creation

Responsibilities

Übertragung
Albrecht, Christoph; Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 2, Nr. 123 (25. Mai 1818), f 2v

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