Aufführungsbesprechung München, Königliches Hof- und Nationaltheater: Konzert von Charlotte Häser am 3. August 1812 mit Heinrich Joseph Baermann als Solist

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München, den 3. August. Großes Vokal- und Instrumental-Concert der Demoiselle Charlotte Häser, im kön. Hof- und Nationaltheater. Seit dem Conzert des Hn. Carl Maria v. Weber, an den auch an diesem Abende glänzend erinnert wurde, und dem des Hn. Polledro, war es nicht mehr der Fall, daß ein Konzert mit so vieler Auswahl der Künstler und der Kunststücke gegeben wurde, als diesen Abend. Die berühmte deutsche Sängerin, Demois. Häser, die in Italien wegen ihres meisterhaften Gesanges angebetet wurde, hat uns diesen Abend zu nicht geringern Ausbrüchen der glühendsten Bewunderung hingerissen. Auch wir müssen gestehen, auf unserer Bühne noch keine Künstlerin gehört zu haben, deren Gesang einer so vollkommenen Ausbildung gleichgekommen wäre. Es ist Alles, möchte Referent hinzusetzen, was der Gesang zu leisten vermag. Ausdruck im Vortrag mit der natürlichsten Einfachheit verbunden, Reinheit und Stärke des Organs, Leichtigkeit in der Modulirung der wohlklingendsten Stimme, Zartheit, Kraft und Rundung der Töne, und ein gewisser Zauber im Ganzen, der gleichsam aus einem unnennbaren Etwas als dem höchsten Punkte jeder Kunstbildung hervorgeht, hatten ihren Gesang unübertrefflich gemacht. Die herrliche Ouvertüre des Hn. Carl Maria von Weber eröffnete das Conzert auf eine würdige Weise. – Demois. Häser zeigte sich darauf vor dem Publikum, das sie mit rauschendem Händeklatschen bewillkommte, und sang eine himmlische Aria von Cimarosa. Dieses melodische Steigen und Fallen, dieses Anfangs leise, dann immer stärker anwachsende, herzdurchbebende Innehalten der Töne, diese höchste Vergeistigung ¦ der Worte, welche sie sang, wiegten das Herz aus einer Ekstase in die andere, und jenes aus der Tiefe der Seele geholte Bravo der Zuhörer und das heftigste Beyfallklatschen zeigte der Künstlerin am Schluße, welche Empfindung ihr Gesang in uns erweckte.

Nun folgte ein von Hn. Carl Maria von Weber vortrefflich komponirtes Klarinet-Concert, welches Hr. Bärmann mit einer Zartheit, Kraft und Fertigkeit vortrug, dergleichen auf diesem Instrumente nur allein von ihm gehört werden kann. Vorzüglich im Adagio erreichten die Töne einen Ausdruck von Innigkeit und anhaltender Stärke, daß sie das Mark der Nerven durchdrangen. Hr. Bärmann ist schon lange ein Lieblingskünstler des Publikums, aber an keinem Abende kann er mit mehr Theilnahme gehört worden seyn, als eben heute, denn Alles vereinigte sich, den Beyfall, der ihm gebührte, recht rauschend zu machen.

Die zweyte Abtheilung begann mit einer Arie von Zingarelli, gesungen von Demois. Häser. Wozu das Leiden noch schmerzhaft nennen, wenn Engel es uns so überirdisch verklären, hätte man ausrufen mögen, als die himmlische Sängerin den schmerzhaften Abschied einer Mutter von ihren Kindern uns sang. Dieser Uebergang aus der tiefsten Trauerklage in das beseligende: Accorrette &c., worin sich das gepreßte Mutterherz aller Wehmuth entladet, wirkte auf die Empfindungen wie mit süßem magischen Zauber. Auch diese Arie wurde mit einem Beyfall gekrönt, der fast gränzenlos war.

Hr. Musik-Direktor Fränzl spielte nun ein von ihm selbst meisterhaft komponirtes Conzert, daß er mit jenem Feuer, mit jener Stärke des Striches vortrug, die man nur an den berühmtesten Meistern auf diesem Instrumente bewundert. Die Reinheit, wie er die Doppeltöne, die Pünktlichkeit, womit er die schwierigsten Arpeggios ausdrückte, erweckten allgemeine Bewunderung, und der Beyfall der Zuhörer wurde auch ihm in einem so hohen Grade ertheilt, als es nur immer möglich ist, um ihn glänzend zu machen.

Demois. Häser und Brizzi sangen jetzt ein Duett von Farinelli. Hier standen sich zwey Künstler, die sich einander ganz gewachsen waren, gegenüber. Lieblicheres vermag das Ohr nicht mehr zu hören, als dieses zarte, seelenvolle Ineinanderschmelzen der reitzendsten Töne. Alles athmete Gefühl und Leben an ihnen; die Liebe schien sich in ihrer ganzen Unendlichkeit zu ergießen, und eine Seele in die andere überzugehen; das Saitenspiel der himmlischen Lyra selbst kann nicht entzückender seyn.

Der Beyfall der Hände kann sich erschöpfen, aber das Gefühl der Beseligung, das uns diesen Abend geworden, können Jahre nicht auslöschen. Die zum Schluße gegebene Ouverture von Cherubini sprach am besten den Zustand aller ergriffenen Zuhörer aus.

Ihre Majestäten, der König und die Königin und der Prinz Carl schenkten Ihre Allerhöchste Gegenwart diesem Conzerte, und nicht leicht kann sich Eines einer so würdigen, so ermunternden Auszeichnung rühmen.

Guttwill Rechtens.

Editorial

Summary

u. a. Besprechung des “Konzert für Klarinette” (WeV N.11?) von Carl Maria von Weber

Creation

Responsibilities

Übertragung
Fukerider, Andreas

Tradition

  • Text Source: Gesellschaftsblatt für gebildete Stände, Jg. 2, Nr. 63 (5. August 1812), col. 503–504

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