Aus München, den 1. July 1825 “Preciosa” und “Freischütz” von Carl Maria von Weber

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Aus München, den 1. July 1825. Man sollte glauben Wien und München lägen in verschiedenen Welttheilen, ja, wären gänzlich Antipoden, so selten nimmt man in Ihrer schönen Kaiserstadt Notiz von uns Bewohnern des Isar-Strandes; und doch verbinden uns so manche schöne Bande, und doch rühmen wir uns Eines Stammes, Eines Volks zu seyn, und gleicher Geschmack, gleicher Charakter verbürgen uns diese historische Wahrheit. Sie haben also einen sehr saumseligen Correspondenten in unserer guten Stadt. Dem Uebel abzuhelfen biethe ich der verehrten Redaktion für künftig meine Dienste an, und gleich, als hätte ich schon Ihre Autorisation, fange ich meine Relationen an. An die Theaterzeitung sind sie gerichtet, und müssen sich daher vor Allem mit den Theatern beschäftigen. Wir haben deren zwey, respective drey, denn die italienische Oper wird nur ausnahmsweise in dem neuen Schauspielhause gegeben, und unseres Erachtens nach, wäre es sehr wohl gethan, auch künftig es so zu halten, und sie für gewöhnlich in dem alten, aber sehr prächtigen Operntheater an der Residenz zu geben, welches sich in aku|stischer Hinsicht und bey der komischen, (ich möchte sagen: Conversations-Oper) auch wegen des Raumes, besser zu ihren Vorstellungen eignet. Signora Lalande* ist die erste Zierde dieser Bühne. Von der Eröffnung des neuen Theaters erinnere ich mich nur eine kurze Anzeige in Ihrem Blatte gelesen zu haben, und doch ist es gewiß gegenwärtig ohne Vergleich das größte und prachtvollste in Deutschland, und findet wohl in ganz Europa nur wenige Rivalen. Der einzige Vorwurf, welchen man ihm machen könnte, wäre wohl: daß es beynahe zu groß, zu prachtvoll sey, und besonders in Conversations-Stücken, die Vorstellungen gleichsam erdrücke; der Rahmen ist zu reich für ein niedliches Genre-Gemählde. In Prachtvorstellungen hingegen gibt diese herrliche Bühne allerdings noch einen Relief, und es ist nicht leicht möglich etwas Imposanteres zu sehen, als "Wilhem Tell," "die Jungfrau von Orleans," "Präciosa," die Opern: "die Prinzessinn von Provence," und der "Freyschütz," die Balletts: "Aschenbrödel," und "Arsena," welche seit der Eröffnung mit außerordentlichem Aufwande an Decorationen, Costümes und Comparserie vorgeführt wurden. Rechnet man noch hinzu die artistischen Mittel, einen Eßlair, Vespermann, Urban, die Damen Carl, Birch (Pfeifer), Fries, und in der Oper eine Vespermann und Siegl, einen Mittermeyer, Löhle und Staudacher, so mag man leicht erachten, daß hier ganz Vorzügliches geleistet werden muß. Des Neuen wurde wenig geliefert, denn außer den erwähnten Balletts, und einigen Kleinigkeiten, haben wir nur der "Prinzessinn von Provence," einer ganz vorzüglichen Oper von Freyherrn von Poißl zu erwähnen, aber Referent glaubt, daß diese Sparsamkeit klug berechnet sey, um nicht, so lange noch der Reitz der Neuheit im Gebäude selbst, und seiner glänzenden Ausstattung an Decorationen &c. wirkt, das Publikum auch noch durch neue Werke zu überfüttern, wie denn überhaupt der Intendant, Freyherr von Poißl, (derselbe, welcher als Schriftsteller und Compositeur so rühmlich bekannt ist) mit einer Umsicht und Consequenz zu Werke geht, wie wir in diesem Fache vielleicht nie oder wenigstens seit lange nicht gesehen haben. In alle Details einzugehen, wäre für eine erste Relation zu weitläufig und ich gehe daher zu dem königl. Theater am Isarthore über. Nach dem, was ich, auch nur oberflächlich, von dem Glanze der ersten Bühne, und ihren überaus reichen Mitteln gesagt habe, muß es von selbst einleuchten, welchen äusserst schweren Stand eine zweyte, (und wenn man die italienische Oper rechnet, eine dritte) Bühne in einer Stadt mit etwa 70,000 Einwohnern hat. Hier ist nicht die großmüthige Unterstützung des Hofes (ob er gleich auch ein Bestimmtes zuschießt) nicht die freye Benutzung der herrlichen Hofkapelle, kurz dieser Anstalt bleibt nur ihre innere Regsamkeit, und die unendliche Thätigkeit ihres Direktors, Hrn. Karl. Wie weit aber diese geht, mag daraus erhellen, daß bey der bestimmt ausgeprochenen Absicht ein théatre des varietés, (im ausgedehntesten Sinne, und nicht etwa in dem beschränkten der Bühne dieses Rahmen in Paris) zu begründen, an Tragödien, Dramen, komischen Opern, Lustspielen und Possen, wenigstens vier bis fünf Neuigkeiten in jedem Monathe gegeben werden. […]

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ran Mo

Tradition

  • Text Source: Wiener allgemeine Theaterzeitung, Jg. 18, Nr. 83 (12. Juli 1825), pp. 343–344

    Commentary

    • “… ihren Vorstellungen eignet. Signora Lalande”Henriette (Clémentine) Méric-Lalande (1798/99–1867), seit 1822 verheiratet mit dem Hornisten Jules Méric.

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