Über die neukomponierten Eremitenszenen zu Webers Freischütz von O. Möricke
Neue und neueinstudirte Opern.
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*–* Das Vorspiel zu Weber’s Oper "Der Freischütz". Bekanntlich hat Weber die beiden ersten Auftritte, einen Monolog des Eremiten und ein Duett zwischen diesem und Agathe, der Fried. Kind’schen Dichtung weggelassen und wie jetzt feststeht, überhaupt nie in Musik gesetzt. Obgleich Kind nicht mit Unrecht seine Ansicht hartnäckig vertrat, daß diese zwei Scenen in dichterischer Hinsicht nicht wegfallen dürften, hörte Weber auf den Vorschlag seiner bühnenkundigen Braut Caroline Brandt, welche rieth, die Oper mit der Volksscene zu beginnen; die Scene sollte also gleich in mediam rem ohne Exposition einschlagen. Die ausgelassenen Anfangsscenen haben für das Ganze allerdings eine gewisse Bedeutung; erstens kommt durch sie die Person des Eremiten zu höherer Bedeutung; zweitens wird die Herkunft und die Bedeutung der weißen Rosen, aus denen Agathe schließlich die Brautkrone winden zu lassen gezwungen ist, durch das oben erwähnte Duett in das rechte Licht gerückt. Ob Weber nur deshalb bei seinem Entschlusse beharrte, weil er fürchtete, die Aufführung durch die Beschaffung zweier ersten Bässe zu erschweren und ob dieser Grund Kind einleuchtete und zur Nachgiebigkeit veranlaßte, wer kann das ergründen? Diese ausgelassenen Scenen hat man später versucht nachzucomponiren. C. F. Wittmann, der Herausgeber des vollständigen Textbuches zum "Freischütz", berichtet, eine solche Partitur in Händen zu haben. Neuerdings hat der herzogl. Musikdirektor Herr Oscar Möricke in Berlin mit entschiedenem Glücke die beiden Scenen musikalisch ergänzt. Bei diesem Arrangement handelt es sich also in erster Linie um Hervorhebung der Person des Eremiten; dies konnte selbstverständlich nur mit Hilfe der musikalischen Eremiten-Motive, als auch durch die auf den Text des Vorspiels bezüglichen andern Situationen geschehen. Die Lösung dieser Aufgabe ist eine gewissenhafte, zielbewußte und bis in’s Einzelne wohldurchdachte und streng im Geiste Weber’s nur mit dessen Motiven durchgeführt, so daß Theaterdirektionen, denen daran liegt, den Freischütztext in seiner ursprünglichen Gestalt, ungekürzt zur Aufführung zu bringen, dieses Arrangement zur Benutzung empfohlen werden kann. Die Orchesterbegleitung kann ent|weder direkt von dem Componisten bezogen werden, oder, falls zur Zeit eine genügende Anzahl Bestellungen vorhanden sein sollte, vom Druckereibesitzer Herrn Paris, Berlin. Theatercapellmeister können als "Kenner der Oper" sich leicht aus der Partitur die Begleitung selbst anfertigen, unter Berücksichtigung der Weber’schen Originalinstrumentation.
Editorial
Summary
Werbung für die neukomponierten Eremitenszenen von Oskar Möricke
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Schreiter, Solveig
Tradition
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Text Source: Neue Zeitschrift für Musik, vol. 94, Jg. 65, Nr. 42 (19. Oktober 1898), pp. 433–434