Stellungnahme des Verlages Herder im Streit um das Eigentum am Klavierauszug der Euryanthe

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In der unterzeichneten Kunst- und Buchhandlung ist nun wirklich erschienen:

Euryanthe,

große romantische Oper in 3 Aufzügen, in Musik gesezt von Carl Maria von Weber. Vollständiger vom Componisten verfertigter und von Musik-Director Büttinger erleichterter Clavierauszug in Querfolio, 57 Musikbogen stark, und mit einem niedlichen Umschlag broschirt, im Subscriptions-Preis zu 6 fl. 48 kr.

Auf die früher von mir gemachte öffentliche Anzeige der Erscheinung dieses Clavierauszuges, hat es den Herren Steiner und Comp. in Wien gefallen, in mehreren Blättern eine Warnung gegen diesen erleichterten Auszug ergehen zu lassen, wodurch sie denselben im Werthe herunter zu setzen sich bemühen.

Allerdings mag die Erleichterung eines Clavier-Auszuges, wenn sie einem Unerfahrnen anvertraut wird, die in obiger Warnung angeführten Nachtheile mit sich führen. Dieser Gesichtspunkt schwindet jedoch, wenn ein solches Geschäft nach sorgfältiger Wahl einem Manne übergeben wird, der die Fähigkeit besizt, ein ganzes Tongemälde aufzufassen, und der den harmonischen und melodischen Theil einer Composition zu würdigen weiß. – Ein solcher Musikus wird nicht leicht – um die Gunst einiger – weniger Geübten zu erringen – sich so große Sünden gegen den Componisten, und die musikalische Welt zu Schulden kommen lassen.

Jedem Kunstverständigen muß es einleuchten, daß der Clavier Auszug einer Oper, deren Wirkung außer dem Gesang von einer Masse Instrumenten, und der individuellen Eigenthümlichkeit eines jeden Instrumentes insbesondere abhängt, nur als die Skizze eines großen Gemäldes betrachtet werden darf; – aus welcher man zwar eine Anschauung des Ganzen im Allgemeinen, nie aber den ergreifenden Effekt des Originals – welches endlich noch als dramatisches Werk nur dann in seinem vollen Glanze da steht, wenn alle – von einem so großen Meister wohlberechnete Theile vereint zusammen wirken – erkennen kan.

Wenn nun in einem solchen Auszuge harmonische Verdopplungen und sonstige Schwierigkeiten – die dem großen Virtuosen gemäß seiner physischen Organisation Spielwerk, dem fertigen Clavierspieler, den die Natur hierin benachtheiliget, und besonders den Damen Unmöglichkeiten sind – mit Verstand verändert werden, so kan eine solche Erleichterung – von der musikalischen Welt richtig gewürdiget, nur eine günstige Aufnahme finden; – im übrigen mag der Clavier-Auszug für sich selbst sprechen.

Was aber den Vorwurf des Nachdruks betrift, so widerlegt er sich schon aus obigem, denn ein Werk, welches verändert erscheint, verdient keineswegs diesen Namen, wofür sich selbst auch Friedrich Hofmeister in der Vorrede seines musikalischen Handbuchs 6ter Nachtrag vom Jahr 1823, deutlich ausspricht, indem er unter anderm sagt:

1. Jedes Arra[n]gement, sey es auch noch so unwesentlich verschieden, ist rechtlich betrachtet kein Nachdruk.2. Nicht der Clavier-Auszug oder irgend ein anderes Arrangement gilt für ein Originalwerk, sondern stets die Partitur. &c.

Nach diesen gewiß richtigen Ansichten kan daher der von mir annoncirte Clavierauszug der Weber’schen Oper Euryanthe wegen seiner veränderten und erleichterten Gestalt durchaus nicht als ein Nachdruk angesehen werden; jedoch, wenn dem auch wirklich so wäre – was ich aber nicht zugeben kan – so würde ich nur das Vergeltungs-Recht gegen die besagten Herren Steiner und Comp. in Wien ausüben, die – nicht ich – den Vorwurf des Nachdrukes mit Recht verdienen, da dieselbe nach der Anzeige im musikalischen Handbuch vom Jahr 1823 6ter Nachtrag Fol. 81. von dem Knechtischen allgemeinen musikalischen Katechismus, wovon nur ich einzig und allein Original-Verleger bin, eine neueste Ausgabe, als in ihrem Verlag erschienen, bereits um einen – die Hälfte geringern Preis öffentlich anzeigen.

Ich würde nichts thun, als was selbst nach unsern Gesezen als erlaubt ausgesprochen ist; da nach denselben dem Inländer gegen jeden auswärtigen Buch-, Kunst- oder Musikhändler, der sich zuerst erfrecht, einem Badischen Verleger ein – ihm eigen angehöriges Verlagswerk nachzudruken, das Recht zusteht, auch dessen Verlag, selbst in unveränderter Gestalt, im Druk erscheinen, und auf solche Weise den Grundsaz der Reciprocität gegen auswärtige Verleger in Anwendung bringen zu lassen.

Freiburg in Breisgau, im Monat Mai 1824. Herdersche Kunst- und Buchhandlung.

Editorial

Summary

Anzeige zur Veröffentlichung eines “leichteren” Klavierauszuges durch Büttinger im Verlag Herder inkl. Rechtfertigung zur Anfertigung desselben

General Remark

vgl. dazu auch die vorhergehende Anzeige des Steiner-Verlages mit Unterzeichnung Webers, die die geplante Veröffentlichung angreift

Creation

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler
Korrektur
Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Allgemeine Zeitung, Jg. 27, Nr. 123 (1. Juli 1824), pp. 494

    Corresponding sources

    • Allgemeine Musikalische Zeitung (Intelligenzblatt), Jg. 26, Nr. 7 (August 1824) bis auf orthographische Unterschiede und Sperrungen identische Version; Preisangabe hier auch zusätzlich in 5 Thlr. 20 Gr., col. 30–32

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